Sabine gibt mir zu denken

Dienstag, 27.10.2009, 22:13 > daMax

Gerade las ich beim spreeblick einen ziemlich bitteren Verriss von Günter Wallraffs neuestem Coup, sich als Schwarzer zu verkleiden und den alltäglichen Rassismus in Deutschland aufzuzeigen. Und ich denk' so bei mir "jaa... naja... irgendwie hat der Schreiber ja schon Recht, Wallraff is' irgendwie altbacken" und so'n Zeugs. Dann jedoch tat ich etwas, das ich in letzter Zeit sträflich vernachlässigt hatte: Kommentare lesen. Die Mehrheit der Kommentatoren ist überhaupt nicht Frédéric Valins Meinung sondern hält den Artikel für ziemlich hochtrabend und anmaßend. Eine Sabine schrieb einen Kommentar, der mir mal wieder ein klein wenig die Augen geöffnet hat:

“Das Netz ist der Wallraff-Nachfolger, den er einfordert, und es ist ein würdigerer Nachfolger, als er es für möglich hält.”

Gehts noch?! Genau DAS ist die Selbstbeweihräucherung vieler Internetbewohner, bei der mir regelmäßig schlecht wird. Ihr seid nicht der Nabel der Welt.

Und: Ja, Wallraff ist anstrengend und ein Gutmensch und sieht aus wie ein schwarz angemalter Wallraff mit billiger Perücke. Aber er erreicht mit seinen old-school Medien Film, Buch und Zeitung nun mal ganz andere (und ich tippe mal: mehr) Leute, die eben nicht mal eben “drei Minuten Google bemühen”. Und schon deswegen sollten wir froh sein, dass es ihn noch gibt.

Herrje!

Danke für die klaren Worte! Das ist eine Einstellung, die ich in letzter Zeit etwas aus den Augen zu verlieren drohe. Keine Ahnung, ob sie Recht hat und wir nicht doch der Nabel der Welt sind, aber ich möchte Sabine von ganzem Herzen für diesen unerwarteten Realitätsabgleich danken.

Weiter ging's dann auch noch:

So ein Bisschen haben die ganzen Kommentare auch Frédéric Valin zum Nachdenken gebracht. Er wird versöhnlich:

Tatsächlich bin ich inzwischen der Meinung, dass ich den Artikel nochmal zwei drei Stunden hätte liegen lassen sollen, und ein paar provokante Teile rausstreichen hätte sollen, alles etwas glatter hätte machen sollen. Aber naja.
Es fällt mir inzwischen schwer, das einzugestehen, denn der Kommentarstrang löst irgendwas zwischen Trotz und Gleichgültigkeit in mir aus. Beides ist nicht sehr gesund für eine Kommunikation. Vielleicht seh ich mich deswegen nicht so recht in der Lage, sachlich (das heißt, nicht beschimpfend) auf Einwürfe einzugehen.

Leider währt dieser Lichtblick nur kurz:

Das Argument ad persona: Was machst Du, der Autor? (Die Frage ist völlig irrelevant für das, was derjenige macht, worüber geschrieben wird. Ich kann meine Freizeit auf Bäumen verbringen, wenn ich mag: das hat mit meinen Argumenten nichts zu tun.)

Sorry Frédéric aber das ist sogar für mich zu mau. Wenn du auf Bäumen rumhängst können dir die Probleme der gesamten Menschheit komplett egal sein. Dann hast du aber auch kein Recht andere dafür zu kritisieren, dass sie auf ihre Art versuchen, die Probleme der Menschheit anzugehen. Das kommt dann einfach doch zu sehr rüber wie der Affe, der vorüberlatschende Touristen mit Exkrementen bewirft.