Jugendmedienstaatszensur

Donnerstag, 9.12.2010, 14:48 > daMax

Letztes Jahr gab es die bis dato größte Petition aller Zeiten. Damals ging es um das Internetzensurgesetz namens "Zugangserschwerungsgesetz (ZugErschwGes)". Ihr erinnert euch sicher noch daran. Damals konnnte man nicht genügend schwarze Farbe kaufen um die Bilder der uns bevorstehenden Zukunft an die Wand zu malen.

Damals wurde mein Blog zu dem, was es heute ist: neben viel Quatsch und Blödsinn schreibe ich so etwas wie eine "Zeitung" für meine Freunde, Bekannten und weniger Bekannten, in der ich versuche, Informationen zusammen zu tragen, die in den gängigen Tagesmedien hoffnunglos verzerrt und einseitig dargestellt werden um selbige gerade zu rücken. Ich bilde mir ein, meinen Teil zu den 134.000 Unterschriften beigetragen zu haben, indem ich hier über den Irrsinn dieses Gesetzes bloggte. Gebracht hat's leider nichts, das Gesetz trat in Kraft, ist es bis heute und wird es allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz auch bleiben.

Jetzt ist es wieder soweit. Unsere herrschende Kaste hat ein neues Zensurgesetz aus dem Hut gezaubert und leider schon verabschiedet. Diesmal heißt es Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und ist nicht weniger als ein weiterer Frontalangriff auf die im Entstehen begriffene Informationsgesellschaft. Wo es letztes Jahr noch um die armen geschändeten Kinder ging, geht es diesmal um die armen geschändeten Kinder. Denn der Rücken der Kinder ist geduldig und wer will sich schon nachsagen lassen, gemein zu Kindern zu sein? Der Unterschied zu letztem Jahr: wo letztes Jahr noch groß die Werbetrommel gerührt wurde, wurde dieses Jahr alles mehr oder weniger klammheimlich still und leise ausgekaspert und anschließend in einem Hau-Ruck-Verfahren entgegen jeglicher demokratischer Regeln durchgepeitscht.

Die offizielle Ansage lautet: Kinder sollen vor "entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten" geschützt werden. Dazu soll es eine Alterskennzeichnung für Websites geben und Filtersoftware und "Sendezeiten" (22-6 Uhr für "Böses") und so weiter. Bei Zuwiderhandlung der freiwilligen Kennzeichnung drohen Bußgelder (sic!). Natürlich alles zum Schutze und Wohle unserer armen geschändeten Kinder.

Sie hörten eine Verlautbarung der Aktuellen Kamera. Und nun schalten wir um zu "Schwarzmalen mit daMax und anderen fiesen Gestalten aus der Webcommunity".

Es geht bei diesen Gesetzen mitnichten um die armen Kinder. Es geht vielmehr um die Gewinne einer Contentmafia, die den Hals nicht voll genug bekommen kann und natürlich um nichts weniger als die Kontrolle unserer herrschenden Kaste über unsere Kommunikation. Der Wikilieaks-Krieg im Großen ist die deutsche Netzzensur im Kleinen. Mir ist durchaus bewusst, dass das alles "verschwörerisch" klingt, aber das Prädikat "verschwörerisch" ist nichts anderes als eine Tabuisierung großer Teile unserer täglichen Kommunikation. Wenn man etwas nachhaltig diskreditieren will, drückt man ihm einfach den Stempel "Verschwörungstheorie" auf und schon darf der wohlerzogene Normbürger weder daran denken noch laut darüber reden, ohne direkt am Pranger zu landen.

Aber so einfach werde ich nicht aufgeben und kloppe jetzt einen Batzen an Links raus, anhand dessen ihr euch ein eigenes Bild der Situation machen könnt.

Den Anfang macht die Linksammlung Blogger und der JMStV auf klawtext, das ist allerdings echt arg viel Holz. Wer einen schnellen Überblick will liest sich die 17 Fragen zum neuen JMStV und ihre Antworten durch.

Weiter gehts mit 3 Artikeln von Thomas Stadler:
Mein Blog bleibt online
Die Befürworter des JMStV werden nervös
JMStV: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Die ZEIT fasst ganz gut zusammen, warum ich persönlich Angst vor dieser neuen Gesetzgebung habe. Ein Zitat aus dem Artikel Grüne im Auge des Internet-Orkans:

Kritiker hingegen, und zu denen zählen viele Internetuser, sehen in dem Staatsvertrag bestenfalls eine weiteres nutzloses Gesetz, schlimmstenfalls einen Zensurhammer, der die Freiheit des deutschen Internets massiv einschränken, wenn nicht beenden würde. Denn die Betreiber von Blogs und Websites müssten quasi jeden Kommentar, der bei Ihnen eingeht, mit einer Alterseinstufung kennzeichnen, um nicht generell als ab-18-Website klassifiziert und somit in die Nacht verdammt zu werden.

Marina ist Pädagogin und erklärt anschaulich, warum der JMStV Kindern schaden wird. Ja, richtig gelesen: der Jugendschutz wird Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen! Zitat:

Die Parallele hierbei ist, dass Kinder von etwas fern gehalten werden, ohne zu lernen, damit umzugehen. Wenn also ein Kind doch einmal an einen Computer ohne Filter kommt, dann ist sein riskantes Verhalten umso höher. Das Schlimme ist, dass es dann nicht einmal Rat bei seinen Eltern suchen kann, denn die hätten es ja verboten. Also steht es allein und hilflos da.

Und bei Alvar könnt ihr nachlesen, warum sich die Pornobranche die Hände reibt ob des neuen Gesetzwerks. Auch der AK Zensur hat dazu eine Stellungnahme veräffentlicht unter dem schönen Titel "Die Telekom, die „Satansweiber von Tittfield“ und ein Interessenkonflikt".

Auch das reizzentrum ist der Meinung, dass der JMStV nicht weniger darstellt als das Ende des Internets wie wir es kennen.

Manuel war bei der Ausschussitzung dabei und was er da erlebt hat, ließ ihm den Kamm schwellen. Er schreibt unter anderem Dinge wie:

Um es ganz kurz zu machen: Ihr seid alle Genarrte, die von Kriminellen und Gestörten regiert werden.

und

Die Zukunft des Internets in den Augen der SPD ist eine DVD: Reinschieben, konsumieren, was Medienkonzerne für den Konsum produziert haben, rausnehmen. Wer Großanbieter ist, zahlt die Sanktionen für den verletzten Jugendschutz locker aus der Portokasse, alle anderen haben den Rand zu halten.

und

Merke: Wenn unsere Politiker indiskutabel irrsinnige Gesetze verbrechen, liegt das an parlamentarischen Zwängen, aber wenn Bürger die Schwächen dieser Gesetze demonstrieren, sind diese verruchte Gauner.

Das reicht, oder? Meinen Senf zum Wikileakskrieg gebe ich dann morgen ab.

bildnachweise:
jmstv poster: original von alexander rodchenko, modifiziert von daMax [CC BY-NC-SA]
spiegelfechter
Samjhana Moon [CC BY-ND]