Artifizielle Obsoleszenz am Beispiel WhatsApp

Donnerstag, 3.1.2013, 10:34 > daMax

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Ob·so·les·zenz
Wortart: Substantiv, feminin
Gebrauch: Fachsprache
Der Begriff Obsoleszenz (von lat. obsolescere‚ sich abnutzen, alt werden, aus der Mode kommen, an Ansehen, an Wert verlieren[1]) bezeichnet, dass ein Produkt auf natürliche oder künstlich beeinflusste Art veraltet ist oder altert. Das zugehörige Adjektiv obsolet im Sinne von nicht mehr gebräuchlich bzw. hinfällig bezeichnet generell Veraltetes, meist Normen, Therapien oder Gerätschaften.

Die kleine Meldung, dass WhatsApp ab sofort nicht mehr auf iPhones/iPods der 3. Generation läuft, könnte mir am Allerwertesten vorbei gehen, da ich das ja selbst gar nicht mal nutze. Allerdings steckt in dieser unscheinbaren Meldung genau das, was die ganze neue Technik-Welt so furchtbar macht und deshalb möchte ich daran nochmal erläutern, wo hier der Hund begraben liegt.

WhatsApp selber kann man nicht einmal einen Vorwurf machen:

Als Grund für den Schritt führen die WhatsApp-Entwickler in ihrem Blog an, dass Apples Entwicklungsumgebung Xcode 4.5 ältere iOS-Versionen und damit ältere iOS-Geräte nicht mehr unterstützt. "Wir müssen Apples Beispiel folgen", betonen die WhatsApp-Entwickler – die Innovationsgeschwindigkeit des iPhone-Herstellers bezahle man aber mit "geplanter Obsoleszenz".

Wie konnte es also soweit kommen? Meine Theorie dazu sieht stichwortartig so aus:

  • Lieschen Müller will sich nicht mit Technik beschäftigen.
  • Also nimmt sie, was sie kriegt und freut sich über alles.
  • Ein Konzern wie Apple kann Lieschen Müller nun nach Belieben dazu zwbringen, ständig neue Geräte/Software zu kaufen, weil die alten "nicht mehr funktionieren".
  • Da die gesamte Entwicklungsumgebung extrem restriktiv aufgebaut ist, entwickelt sich auch keine wirkliche Gemeinschaft, die Möglichkeiten findet, diese Probleme zu umgehen. Als Gegenbeispiel aus der PC-Welt sei dieser Direct-X-10-Treiber und diese Treibersammlung für ein Ballerspiel aus dem Jahr 1998 genannt.
  • Die alten Geräte funktionieren in Wirklichkeit immer noch hervorragend. Mit einem geschlossenen System wie iOS, iTunes und dem Appstore jedoch wird der Käufer eines Produktes in die Rolle des dummen, unmündigen "Verbrauchers" gezwängt, dem man nach Belieben neue Karotten hinhalten kann: er wird den Karren munter weiter ziehen.

    Ja, klar, man kann solche Kisten jailbreaken und rooten aber das wird Lieschen Müller eben nicht tun. Dazu müsste sie nämlich in purem Coderwelsch verfasste Techblogs lesen, eventuell gar englisch können und was weiß ich nicht alles. Neulich hatte ich eine interessante Unterhaltung mit zwei Apple-Kunden, denen nicht mal klar war, dass ihre Fotos nicht auf irgendwie magische Art in iPhoto verschwinden wenn man sie importiert, sondern dass sie als Dateien auf der Festplatte gespeichert sind. Schon der Begriff "Festplatte" führte zu mindestens einem erstaunten Gesicht, in ihrer Welt existierte nur der Maccie, der alles irgendwie magisch verwaltet.

    Es ist dieser Magiegedanke (den Apple ja auch immer so gerne kultiviert), der zu einem echten Problem wird, weil die Leute eben überhaupt nicht mehr kapieren, dass sie keinen Magiekoffer sondern ein technisches Gerät in den Händen halten, dessen Fähigkeiten aus reinem Profitdenken verkrüppelt wurden. Das gleiche geht jetzt auch mit Secure-Boot im PC-Umfeld los.

    Lasst euch nicht veräppeln. Ich denke, das ist genau das, was Johnny uns mit seiner Holt-euch-das-Netz-zurück-Kampagne auch sagen will.

    PS: Das Neusprech "Innovationsgeschwindigkeit" lasse ich hier mal außen vor. Innovationsgeschwindigkeit... pah.

    PPS: Apple hat sich das Speichern von Windenergie patentieren lassen.

    PPPS: Ein paar findige Chinesen haben einen Weg gefunden, Raubmordkopien auch auf nicht-gejailbreakten iPhonys zum Fliegen zu bringen :)