Senk ju for tschuhsing Deutsche Bahn tudäi
Dienstag, 18.10.2016, 08:07 > daMaxDie ZEIT hat einen ganz aufschlussreichen (und furchtbar langen) Artikel über das kundenfreundlichste Unternehmen Deutschlands:
Mitarbeiterin Reisezentrum, Kleinstadt: "Es ist ein Pfenniggefuchse, ein Minutengefuchse innerhalb der Bahn. Wenn es Verspätungen gibt, kostet das Geld, und das muss dann zum Beispiel der Bereich DB Regio an den Bereich DB Netz zahlen. Deshalb wird lieber ein Zug losgefahren, ohne auf einen anderen zu warten, sodass es auf dem Papier keine Verspätung gibt. So verpassen aber vielleicht Dutzende Pendler ihren Anschluss und sind sauer. Wir denken einfach nicht mehr als ein Betrieb, sondern es denkt nur noch jeder Einzelbetrieb für sich, damit er am Ende schwarze Zahlen schreibt."
Denn klar: nur wenn man sich innerhalb des eigenen Unternehmens Konkurrenz schafft, entsteht der notwendige Druck und schon wird Scheiße zu Diamanten. Das kann ich bei meinem Arbeitgeber auch feststellen, da läuft das nämlich genau so. Natürlich ebenfalls mit dem Ergebnis, dass alles besser wird!!1!
(via fefe)
Ich hatte sowas wie in dem Artikel beschrieben schon irgendwie geahnt. Das Konzept der innerbetrieblichen Konkurrenz finde ich reichlich absurd, wenn es um eine öffentliche Dienstleistung geht. Aber das haben die McKinseys dieser Welt allen Lebensbereichen eingebrockt, um selbst dort, wo es primär gar nicht darum geht, noch Gewinnmöglichkeiten (und ihre eigenen Honorare) zu generieren. Die Bahn sollte sich dringend auf ihren Auftrag beschränken: Fahrgäste (und Güter) zuverlässig, sicher und möglichst komfortabel von A nach B zu bringen. Alles andere muss dahinter zurückstehen. Ich habe keinerlei Verständnis für hunderte Firmenbeteiligungen im Ausland, die von der Kernaufgabe nur ablenken, und auch kein Verständnis für die Untergliederung der Bahn in verschiedene "Unternehmen", wenn diese Untergliederung nicht zur Aufgabenerfüllung beiträgt, sondern wie in dem Text oben für mich als Kunden eine Verschlechterung darstellen kann. Die Bahn ist ein Paradebeispiel für eine Verschlechterung der Dienstleistung nach der (versuchten) Privatisierung. Und die Abführung der Gewinne, so sie denn generiert werden, an die "schwarze Null" namens Schäuble ist eine Unverschämtheit, weil das Geld der Bahn dann fehlt. Die Bahn ist sowieso ein Zuschussunternehmen, warum dann noch Gewinne abgeführt werden sollen, erschließt sich mir nicht - höhere Steuermathematik?
Der neueste Schrei ist die intrapersonale Konkurrenz: Statt des freien Willens haben wir die Konkurrenz zwischen Belohnungszentrum und Selbsterhaltung. Möge der Bessere gewinnen.
@ein anderer Stefan:
> höhere Steuermathematik?
Nö. Viel einfacher. Qua Selbstprivilegierung persönliche Nicht-Betroffenheit von den Resultaten der eigenen Taten.
Ich habe in meinem Job regelmäßig mit Politikern zu tun. Bin selbst gezwungenermaßen Bahnpendler. Habe ja hier auch schon diverse Male Anekdoten über die Zustände bei der Bahn zum Besten gegeben.
Als ich eines Tages mal wieder vor Zorn über die Bahn bebend viel zu spät an der Arbeit ankam, traf ich zu diesem Zeitpunkt einen unserer Politiker-Häuptlinge im Aufzug, als er er gerade regulär (sic!) zu seiner "Arbeit" erschien. Er fragte mich, was los sei. Ich kotzte meinen ganzen täglichen Frust mit der Bahn und deren Unzuverlässigkeit, Ausfällen, Verspätungen und Defekten raus. Er darauf ganz lapidar: "Das ist der Grund, weshalb ich mit dem Auto zu Arbeit komme."
Super.
Punkt 1: Er weiß, wie es um die Bahn bestellt ist. Punkt 2: Er hat Dienstwagen der Luxusklasse, Chauffeur und einen reservierten Parkplatz im Zentrum in einer Millionenstadt - alles auf Kosten von uns Steuerzahlern. Daß er auch noch ein ungenutztes Bahn-Jobticket hat, "weil es ihm halt zusteht" - geschenkt. Punkt 3: Er hat kein Problem mit den Folgen der Politik, solange er nicht selbst betroffen ist. Punkt 4: Er ist sich nicht mal bewußt, in welch andereren privilegierten Welt er lebt und seine diesbezügliche Besserstellung raushängen zu lassen. Punkt 5: Empathie mit den Opfern politisch motivierter Zerstörung von Infrastruktur gleich Null.
Feudalgesellschaft at its best. That's it.
@OldFart:
Ich denke, ich werde mich heute Abend mal auf die Suche nach diesem Film machen.
@da]v[ax:
Sahnehäubchen: Er hat nach dem Erhalt des - wie gesagt ungenutzten - Jobtickets gleich bei der Personalabteilung nachgefragt, warum es das für ihn nicht als 1.-Klasse-Ausführung gibt sondern "nur" in der Plebs-Variante für 2. Klasse. Ich könnte endlos solche Stories weitererzählen. Nepotismus, Postenpatronage, Eigennutz-Maximierung. Ein steter Quell der Arbeitsmotivation und -inspiration, diese Herrschaften.
Wg. Adam Curtis: Habs schon geholt, von hier
http://www.newmp4movie.xyz/mobile/download/zFtsrjlsclQ/Download-Adam-Curtis-HyperNormalisation-BBC-Documentary-2016/
@OldFart: merci.
Seitdem Microsoft unter dem neuen Chef das Mobbing innerhalb der Teams abgeschafft hat (ein Überbleibsel von Steve Ballmer) sind der Aktienkurs und der Wert des Unternehmens erheblich gestiegen. Warum viele Unternehmen immer noch aus diesen Managementkonzepten der 80er Jahre Wall Street-Businesskultur festhalten (bei der Bahn fing dieser Mumpitz mit Hartmut "Psychopath und stolz drauf" Mehdorn an) ist mir wirklich schleierhaft.
Keine Organisation funktioniert, wenn sich ihre einzelnen Glieder mehr mit dem Kampf gegeneinander beschäftigen, als mit ihrer eigentlichen Aufgabe. Dieses Organversagen kann geradezu tödliche Konsequenzen haben - ein bekanntes Beispiel dafür ist der elfte September, der durch miteinander kooperierende staatliche Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste wahrscheinlich hätte verhindert werden können.
Bei der Bahn ist die einzige Lösung eine Rückverstaatlichung. Die Erlöse aus dem Verkauf ausländischer Logistikunternehmen könnten sofort in das Bahnnetz reinvestiert werden. Wenn ein Land wie die Schweiz (mit Staatsbahn) fünf mal so viel pro Streckenkilometer in die Infrastruktur investiert wie Deutschland, braucht man sich über die unterschiedliche Qualität des Bahnfahrens nicht wundern.
Allerdings würde sich die Bundesregierung mit einem engmaschigen, hochwertigen, öffentlichen Bahnnetz mit der wohl stärksten Lobbygruppe anlegen: Den Autokonzernen. Und, würde man ein Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz wie in Japan (Shinkansen) realisieren, auch mit den Fluglinien, denn mit einem 500 km/h schnellen Zug wäre jedweder inländischer Flugverkehr überflüssig.