Interview mit Parkschützer Matthias von Herrmann
Montag, 12.4.2010, 10:27 > daMaxEin Interview mit dem Parkschützer Matthias von Herrmann aus der Zeitung Stadt.Plan 2-2010, einer Gemeinschaftsproduktion des Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) und der LINKEn. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.
Du bist einer von inzwischen über 9.000 Parkschützern, warum?
Ich habe mich auf www.parkschuetzer.de auf Stufe 4 eingetragen, weil mir der Schlossgarten so wichtig ist, dass ich ihn mit allen Mitteln vor der Zerstörung schützen will. Wenn nötig, werde ich mich auch den Baufahrzeugen in den Weg stellen oder mich an Bäume ketten.
An Bäume ketten – ist das wirklich notwendig?
Die Bauarbeiten für Stuttgart 21 werden von den Betreibern des Projekts gerne verharmlost. Tatsache ist, dass die Deutsche Bahn AG im Rahmen von Stuttgart 21 Hunderte alter, wunderschöner Parkbäume fällen will. Der mittlere Schlossgarten würde durch die Baustelle und durch Baustraßen komplett zerstört. Der Rest des Parks würde in der mindestens zehnjährigen Bauzeit durch Lärm, Staub, Erschütterungen und Grundwasserabsenkung massiv beeinträchtigt. Das innerstädtische Naherholungsgebiet Schlossgarten soll uns Bürgern weggenommen werden, obwohl tausende Bürger hier täglich joggen, Rad fahren, Frisbee oder Freilandschach spielen. Jung und Alt verabreden sich im Park und genießen die Natur. Der Schlossgarten hat also vielfältige soziale Funktionen, die durch Stuttgart 21 zerstört würden. Daher bezeichne ich das Projekt Stuttgart 21 als asozial.
Noch stehen aber keine Bagger im Park.
Trotzdem reicht es mir nicht, nur eine Nummer auf parkschuetzer.de zu sein. Um den Park effektiv schützen zu können, müssen sich alle Parkschützer auf diese Aufgabe vorbereiten. Deshalb engagiere ich mich seit Februar in einer Gruppe aktiver Parkschützer. Wir informieren über Zivilen Ungehorsam, organisieren Parkbegehungen, Mahnwachen und Trainings.
Trainings?
Ja, wir führen Trainings durch, bei denen wir die Grundlagen gewaltfreier, direkter Aktionen vermitteln. Die Teilnehmer lernen verschiedene Techniken kennen: Von der Sitzblockade bis zum Anketten an Bäumen.
Wer kann an den Trainings teilnehmen?
Alle Bürger, die Stuttgart 21 aktiv verhindern wollen und sich für Zivilen Ungehorsam und Gewaltfreie Aktionen interessieren, sind herzlich willkommen. Die Interessenten können sich über parkschuetzer.de anmelden. Hier stehen auch alle Trainingstermine.
Geht es Dir nur um den Park?
Nein! Mein Protest gegen Stuttgart 21 geht deutlich über die geplante Zerstörung des Parks hinaus. Welche Zerstörungswelle Stuttgart 21 für unsere Stadt bedeuten würde, zeigt sich am Schlossgarten sehr eindrucksvoll. Die Gefährdung der Mineralquellen und die Zerstörung unseres kulturellen Erbstücks Bonatzbau sind jedoch nicht weniger schlimm. Außerdem werden schon jetzt Schulgebäude nicht mehr repariert und Kulturbudgets zusammengestrichen, weil städtisches Geld für Stuttgart 21 eingesetzt wird. Durch die langen Tunnelstrecken würde der Nahverkehr um ein Vielfaches teurer, pünktliche Zuganschlüsse müssten Wunschdenken der Bahn AG bleiben. All das sind gute Gründe, sich gegen Stuttgart 21 aktiv zu wehren. Der Schlossgarten, die grüne Lunge der Stadt, soll das erste Stuttgart 21-Opfer werden und genau das werden wir verhindern!
Du sprichst vom Widerstand, wer ist Teil des Widerstands?
Wie bei den Montagsdemos sind auch bei den Parkschützern alle Teile der Gesellschaft vertreten, und das ist gut so, denn Stuttgart 21 bringt für uns Bürger nur Nachteile. Das begreifen immer mehr Menschen, unabhängig von politischer Einstellung, Wohnort, sozialem Stand oder Alter. Deshalb sind die Trainings so wichtig: Die Beteiligung am Widerstand ist gelebte Demokratie.
Hast Du eine Botschaft an die Bürger?
Stuttgart 21 geht uns alle an und es lohnt sich, dagegen zu kämpfen! Seit Herbst 2009 kommen Woche für Woche über 3.000 Bürger zur Montagsdemo. Der Widerstand formiert sich. Bundesweit wird die Presse immer hellhöriger, unangenehme Fragen an die Herren Schuster, Drexler, Mappus und Ramsauer mehren sich. Der „Volksaufstand“ im sonst so friedlichen Stuttgart hat begonnen! Gemeinsam wenden wir das Blatt zugunsten eines bürgerfreundlichen Kopfbahnhofs.
Das Interview führte Matthias Ruoff.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.
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