Es ist Herbst, die Blätter fallen von den Bäumen und die Stöckchen fliegen wieder tiefer durch die Blogosphäre. Vom Floyd kam eines angeflogen und da ich mich nicht rechtzeitig geduckt habe, stehe ich nun doof da. Ich halte die meisten Stöckchen nämlich für armseliges und ziemlich fadenscheiniges Inhalte-Schaffen für Blogger, die eigentlich gar nichts zu sagen haben (wer hat da Ironblogger gesagt?). Aber schon die erste Frage stürzte mich in ein moralisches Dilemma, also sehe ich das mal als Teil meiner nicht endenden Psychotherapie by Blogging an.

1. Warum bloggst du? Könntest du deine Zeit nicht sinnvoller nutzen?
Dieses Blog verdankt seine Existenz einer Reihe von Notsituationen. Eines Nachts fiel mir auf, dass ich eine Linkliste brauche, an die ich von überall und jederzeit rankommen könnte. So Sachen wie delicious kannte ich nicht (gab's das 2004 überhaupt schon?) und dann habe ich mir halt einen blogspot-Account angelegt. Das dümpelte so vor sich hin und alles war gut. Die nächste Notsituation ergab sich 2009, da hatte ich zum ersten Mal wirklich Angst hinsichtlich der politischen Zukunft Deutschlands und Europas, aber mein gesamter Freundeskreis war dermaßen mit Brutpflege beschäftigt, dass ich mit niemandem darüber reden konnte. Also schrieb ich es in mein Blog. Und was dann daraus wurde, hat mich und mein Leben ziemlich einschneidend geprägt. Ich habe gelernt, dass das Aufschreiben von Gedanken eine selbstreflektierende und auch reinigende Wirkung haben kann, ich habe staunend miterlebt, wie plötzlich hunderte Menschen Interesse an meinen persönlichen Erlebnissen hatten, dass man über so ein Blog tolle, interessante Menschen kennen lernen kann und vieles mehr.

Das, gepaart mit meinem überzogenen Selbstwertgefühl, führte dazu, dass sich dieses Blog immer tiefer in mein Leben schlich. Ich hatte plötzlich das Gefühl, zur Aufklärung der Menschen beizutragen. Auch dieses wohlige Gefühl, dass Leute anfangen, dich zu mögen nur weil du etwas schreibst, das ihnen irgend etwas gibt, ist ein echter Motivator. Irgendwann verselbständigte sich die Sache dann. Ich lernte durch mein Blog immer mehr wirklich tolle Leute kennen, es entwickelte sich eine recht aktive Leserschaft, die man natürlich auch bei der Stange halten will usw. usf. Heute fällt es mir schwer, mal eine Woche lang die Klappe zu halten. Da muss ich mir echt auf die Finger beißen. Und schon stecke ich in genau diesem Dilemma. Ich finde Stöckchen doof. Ich blogge aber echt inzwischen für mein Leben gern. Wie also könnte ich dieses Stöckchen nicht beantworten? Siehste. Dann mach ich eben auch noch weiter.

Könnte ich meine Zeit sinnvoller nutzen? Ich kenne mich mit Sinn nicht so aus. Was ist sinnvoll? Manchmal finde ich das, was ich hier tue, sinnvoll, manchmal frage ich mich, was der ganze Scheiß eigentlich soll. So geht es mir aber eben mit fast allem. Ist mein Job sinnvoll? Ich fürchte, nein. Ist es sinnvoll, am Rhein spazieren zu gehen? Wahrscheinlich nicht, ich genieße es trotzdem. Mit der Bloggerei ist das etwas schwerer zu erklären, weil so ein Blog eben auch zu echtem Stress ausarten kann und da muss ich höllisch aufpassen, weil ich einen recht ausgeprägten Hang zur Selbstzerstörung habe (wie sonst könnte ich freiwillig Thrash-Metal hören? ) Aber da mir die Bloggerei so viele tolle Momente beschert hat, mache ich damit einfach mal weiter.

2. Welcher Artikel aus anderen Blogs ist dir spontan im Kopf geblieben? (nicht zu lange nachdenken)
Ahm... ähm.. ääh.. Mist, schon zu lange nachgedacht. Hey, keine Ahnung. Ich finde die Sachen von Jens Scholz und Pantoufle immer wieder gut, auch Chris, René, Ronny, Tante Jay und die Opalkatze sprechen mir immer wieder aus der Seele. Aber ein einzelner Artikel, der mir im Kopf geblieben ist? Da muss ich passen. Für mich stecken hinter den Blogs immer Menschen. DIE bleiben mir im Kopf und ich versuche eigentlich auch immer, die Blogger, die ich wirklich gerne lese, im Meatspace zu treffen.

3. Dein absoluter Lieblings-Artikel in deinem Blog? (bitte mit Linkangabe)
Siehe oben. Ich kann und will das nicht auf einen einzelnen Artikel reduzieren, das wäre den anderen 100.000 guten Artikeln gegenüber einfach unfair.
Update: Ach da steht in MEINEM Blog? Das kommt davon, wenn man Frage nicht richtig liest. Öhm. Nö, ich hab keinen Lieblingsartikel. Auch nicht in meinem Blog.

4. Welchem Blog wird aus deiner Sicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?
Dem von Roslyn Fuller. Ich habe das gestern Abend selbst erst für mich entdeckt und bin sehr angetan von Roslyns super offener und durchdachter Art, Texte zu schreiben. Lest einfach mal diesen Text von ihr "Why Assange Still Has What It Takes to Get Media’s Knickers in a Twist", dann wisst ihr vielleicht, was ich meine. Leider hat Roslyn entweder fast keine Leser oder ihre Leser kommentieren nie oder Roslyn gibt die Kommentare nie frei oder die Leute halten sich daran und kommentieren nur dort, wo die Artikel zuerst erschienen sind (z.B. HuffPo). Ich weiß es nicht, aber da hat sich anscheinend keine Community entwickelt, was ich sehr schade finde.

5. Stelle dir vor, du müsstest über ein tiefgründiges Thema schreiben. Worüber schreibst du?
Darüber, wie viel einfacher die Welt wäre, wenn wir solidarisch untereinander wären. Wenn wir die Bürokratie mal beiseite ließen. Wenn wir Ehrfurcht vor dem Leben hätten, anstatt uns alles Untertan zu machen. Wenn wir endlich aus der Illusion von Macht, Hierarchie und Geld erwachten und uns darüber bewusst würden, dass wir hier nur eine Welt haben.

6. Freundschaft. Hast du mehr Freunde im Internet, oder in deinem Zimmer neben dir?
Ich habe eigentlich gar keine Freunde "im Internet". Ich versuche, die Menschen, die mir "im Internet" sympathisch erscheinen, so schnell wie möglich im Meatspace zu treffen, denn nur da sehe ich, mit wem ich es zu tun habe. Dabei haben sich großartige und abgründige Momente aufgetan und es sind Freund- wie auch Feindschaften entstanden. Um die Frage aber mal zu vereinfachen: ich habe im Meatspace bisher wesentlich mehr Leute kennen gelernt als im Netz, was einerseits mit meinen Aktivitäten rund um den S21-Widerstand zu tun hat und andererseits mit dem Umstand, dass ich ein absoluter Sozialnetzwerkmuffel bin. Kein twitter, kein facebook, kein sonstwas.net. Dafür fehlt mir echt die Zeit, schließlich habe ich neben meinem Job auch noch ein Blog zu erledigen Allerdings holt das Netz gerade schwer auf, was wiederum meinem Blog geschuldet ist.

7. Ganz ehrlich und unter uns: wie oft checkst du die Statistik deines Blogs? (falls du eine hast)
Solange ich noch Semmelstatz laufen hatte: mehrmals am Tag. Seit ich das völlig entnervt in die Tonne gekloppt habe, läuft hier nur noch AWStats und das ist total nichtssagend. Ist aber auch besser so. Ich habe gemerkt, dass die ständige Statistikwichserei schnell dazu führt, sich über Visits zu definieren und das ist eine ganz ganz ganz beschissene Angewohnheit. Ernsthaft: die meisten Gepsräche auf Blogtreffs finde ich extrem schnell extrem langweilig, weil da zum Teil stundenlange Schwanzvergleiche mit Visits und Pageimpressions veranstaltet werden. Diese Leute tun mir nur leid. Seit ich nicht mehr ständig auf die Stats schiele, schreibe ich auch wieder lockerer. Ich schreibe das, worauf ich Bock habe und ich will gar nicht wissen, ob das jetzt von 3, 300 oder 30.000 Leuten gelesen wird, denn dieses Wissen führt bei mir mit meinem übersteigerten Selbstwertgefühl (s.o.) schnell zu unguten Vibes.

8. Klar gekennzeichnete Werbung in anderen Blogs? Ja oder nein?
Soll jede/r machen, was er/sie für richtig hält. Ich für meinen Teil kann mir allerdings ein Stirnrunzeln und hin und wieder auch eine flapsige Bemerkung nicht verkneifen, wenn Leute, die ich eigentlich echt schätze, plötzlich Werbung für Luis-Vuitton-Handtaschen-Websites oder so einen Käse machen. Werbung in Form von Bannern kommt zum Glück in den wenigsten RSS-Feeds an, da bin ich also vor gefeit. Wenn schon Werbe-Posts, dann bitte auf jeden Fall gekennzeichnet. Was Floyd über Caschy geschrieben hat, ging mir genau so. Ich hatte irgendwann auch keinen Bock mehr, nur noch schlecht caschyrte (hihi) Produktwerbung anstelle von echtem Tech-Know-How vorgesetzt zu bekommen.

9. Verhältst du dich manchmal noch wie ein Kind? Wenn ja, in welcher Situation?
Hm. Jetzt wollte ich eigentlich schreiben "pff... ständig", aber das wäre wohl gelogen. Ich denke, ich habe mir zumindest ein bisschen die Fähigkeit zu kindlicher Begeisterung, Ehrfurcht und Staunen erhalten. Auch den kindlichen Jähzorn und die geringe Frustrationstoleranz konnte ich leider nicht so ganz ablegen, daran arbeite ich noch. Ganz schlimm kindisch bin ich wenn ich abends eigentlich zu müde bin um noch irgendwas zu tun und dann doch noch 1-3 Stunden am Rechner sitze/liege. Öhm... also das klingt jetzt wieder so, als wäre ich ein kompletter Kindskopf, ne? Aber meine Begegnungen mit Kindern zeigen mir immer wieder, dass ich keines mehr bin

10. Was macht dich als Mensch liebenswert und wertvoll?
Ehrlichkeit, Begeisterungsfähigkeit, tonnenweise Computerwissen, Humor, Intelligenz, ein untrüglicher Musikgeschmack und meine unübertroffene Bescheidenheit.

So. Ich habe mir sagen lassen, dass dieses spezielle Stöckchen so funktioniert, dass ich mir jetzt 10 Fragen ausdenken soll, die ich dann weiter werfe. Das kriege ich nicht hin, ein paar Fragen übernehme dreist von woanders und reiche das Paket dann weiter an Vera, Sven, Lukas und Alex. Die Guddy hat es sich leider schon eingefangen, bevor ich es werfen konnte

1. Warum bloggst du?
2. Warum würdest du damit aufhören? Hast du schon einmal übers Aufhören nachgedacht?
3. Was hat sich in Deinem Leben durch die Bloggerei verändert?
4. Was war das Tollste, das dir mit Deinem Blog widerfahren ist?
5. Welches Erlebnis im Zusammenhang mit Deinem Blog möchtest Du nie wiederholen?
6. Was ist das Geilste diesem Internet?
7. Was nervt dich am meisten an diesem Internet?
8. Mal angenommen, du wärst König/in der Welt. Welche Gesetze führst du zuerst ein und welche existierenden schaffst du ab (je maximal 3)?
9. Welchem Blog wird aus deiner Sicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?
10. Hund oder Katze? Warum?

Update:
Tante Jay hat geantwortet.
Alex hat geantwortet.
Und der Sven hat es auch getan.
Zu Guter Letzt hat auch der Lukas geantwortet.
Die Opalkatze hat leider keine Zeit für so nen Quatsch.

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