Wasser predigen, Blut trinken
Donnerstag, 5.11.2009, 08:21 > daMaxDer NDR kritisierte letzte Woche noch unter großem Getöse Daimlers Vorgehen, Bluttests von Bewerbern zu verlangen. Jetzt stellt sich heraus, dass der NDR genau das gleiche tut! Ich finde es erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit inzwischen intimste medizinische Details verlangt werden damit man sich beim nächsten Sklavenjob verdingen darf.
Was steckt denn hinter solchen Bluttests? Man kann herausfinden, ob eine Frau schwanger ist (was in einem Bewerbungsgespräch nicht zur Sprache kommen darf), man erfährt ob jemand erbliche Krankheiten wie Diabetes hat, ob jemand HIV-positiv ist, wie sich jemand ernährt, welche Drogen er nimmt, wie es um seine inneren Organe bestellt ist und vieles mehr.
Was zur Hölle haben diese Untersuchungen damit zu tun, ob jemand für eine Sklavenarbeit geeignet ist? Zumal beim NDR?!
O tempora, o mores.
(via netzpolitik)
Wenn man die Journaille fragt, warum es Diskrepanzen zwischen der Berichterstattung und der eigenen gelebten Philosophie gibt, erhält man den Hinweis auf Professionalität: ein Journalist muß ja schließlich nicht von allem betroffen sein, um darüber zu berichten, also dürfe der NDR ja auch nicht nicht über die Bluttests berichten, nur, weil der Sender selbst Bluttests verlangt.
Dazu kann ich nur sagen: HEUCHLER! Ist das nicht die Perversion des Professionalisierungsgedankens? Wie weit kann man da gehen? Soll das heißen: wichtig ist nicht die Einheit von Medium und Kommunikator, sondern nur noch die professionelle Aufbereitung und Darbietung des Mediums? Sind Autor und Medium völlig voneinander trennbar?
Nein, denn das heißt schlußendlich, daß jeder über alles berichten kann, solange er es nur professionell macht. Im Extremfall also: Oskar Lafontaine schreibt einen Artikel über Populismus, Ursula von der Leyen einen pro Datenschutz, Wolfgang Schäuble einen contra Polizeistaat, die BILD-Zeitung einen über Glaubwürdigkeit usw.
Das ist dieses verschissene Manager-Professionalisierungs-Gehabe. Jeder Mensch hat die Aufgabe, neben all der Professionalisierung seines Tuns auch immer ein Stück weit integer zu bleiben. Einfacher gesagt: practice what you preach. Weil Menschen zwar rational handeln und Zahlen und Fakten produzieren, kommunizieren und verstehen können, letztendlich aber aus mehr als Ratio, Zahlen und Fakten bestehen.
Wer das nicht versteht, hat einen Mangel als Mensch und wer meint, es gäbe Bereiche im Leben, die völlig ohne Menschlichkeit (in diesem Fall Integrität einer Person) funktionieren, hat einen eingeschränkten Blick auf das Leben selbst. In diesem Fall gilt: wenn der NDR über einen Mißstand bei Daimler berichtet, ein vergleichbarer aber beim NDR selbst besteht, verwirkt der NDR seine Integrität.