Gute Saiten, schlechte Saiten
Mittwoch, 5.2.2020, 20:18 > daMaxEs fing alles ganz harmlos an. Die D-Saite auf meiner Breedlove Pursuit Nylon CE 2017 war so runtergerockt, dass sich im 2. Bund die Umwicklung gelöst hatte. Sowas passiert schon mal, neue Saiten liegen hier immer griffbereit und ein Saitenwechsel ist ja kein Problem. Aber diesmal kam alles anders. Nachdem ich alle Saiten runter, das Griffbrett mit ein bisschen Öl behandelt und die Gitarre komplett gereinigt hatte, ging es ans Aufziehen der neuen Saiten. Ich hatte die letzten Male Savarez Alliance Cantiga Mixed Tension 510ARJ drauf, die haben High-Tension-Bass- und Medium-Tension-Diskant-Saiten und so ein Satz lag auch hier auch noch herum. Meine Saitenaufziehtechnik bei Nylons geht so:
So hat mir das mein erster Gitarrenlehrer beigebracht und sämtliche YouTube-Videos zu dem Thema kommen im Endeffekt zu einem recht ähnlichen Ergebnis. Wichtig hierbei ist, dass die Saite an der senkrechten Kante der Brücke "hinter sich selbst" geführt wird. So kann sie sich selbst festhalten. Das mache ich seit vielen Jahren so und hatte damit noch nie Probleme. Als ich diese Gitarre gekauft hatte, war sie auch genau so bezogen, selbst auf der Website von Breedlove ist die Gitarre so bezogen (lokale Kopie) und ich wäre nie auf die Idee gekommen, das zu hinterfragen.
Ich fing also bei der tiefen E-Saite mit dem Neubezug an, knotete, wickelte, stimmte und bei der hohen E-Saite passierte es: die Saite riss, bevor sie überhaupt beim E angekommen war. Das war einerseits ziemlich schmerzhaft, vor allem aber litt meine schöne Gitarre darunter:
Beim genaueren Hinsehen fiel mir neben dem fiesen Kratzer auf, dass das Holz der Brücke "eingekerbt" war, ganz so, als hätte es den Kräften der Saite nicht standgehalten.
Nun hatte ich zwar noch eine E-Saite in petto, bei mir überwog jedoch die Angst, dass mir die gleiche Nummer nochmal passieren könnte. Also schrieb ich eine längere Mail an Breedlove, erklärte die missliche Lage so gut ich konnte (sometimes I can not so good English as I would me wish) und fragte, was ich jetzt tun könne. Bei der Gelegenheit machte ich sie auch auf den Umstand aufmerksam, dass der Kopf dieser Gitarre zwar hübsch aber nicht sonderlich funktionell ist, aber das ist eine andere Geschichte.
Die Antwort ließ zum Glück nicht nicht lange auf sich warten. Breedlove schrieben mir, ich möge doch bitte Ball-End Saiten verwenden anstatt selber zu knoten. Und plötzlich machten dann auch die riesigen Löcher in der Brücke Sinn! Ich wusste gar nicht, dass sowas überhaupt existiert! Ball-End war für mich ein Synonym für Stahlsaiten und fertig. Oh Mann. Also flugs Amazon angeworfen und Ernesto Palla Nylon Classical Ball End Saiten von Ernie Ball bestellt. Als die hier ankamen staunte ich nicht schlecht, weil ich aus Versehen die Kombination Gold-Schwarz erwischt hatte:
Sieht irgendwie komisch aus, aber der Klang. Der KLANG! Ich hatte plötzlich das Gefühl, eine neue Gitarre in der Hand zu halten. Meine Fresse, klingen diese Saiten geil!
Tja, und da ich jetzt noch einen kompletten Satz Saiten übrig hatte, meldete sich meine Schwabenseele zu Wort und schlug vor, die auf die Yahama zu ziehen. Ned so guat. Diesmal riss die H-Saite, bevor sie ich sie auf einem H hatte. Und machte mir dabei genau den gleichen Kratzer in die Gitarre!
Ich also gefrustet den ganzen Klump ins Eck gepfeffert und am nächsten Tag einen Satz Hannabach Classic Guitar Strings Silver-Special Medium Tension Set 818 MT, den ich hier noch rumliegen hatte, draufgezogen. Die sind okay, gefallen mir aber insgesamt nicht so gut wie diese hier von Moriaty, die in meinen Ohren deutlich wärmer und ausgeglichener klingen.
Ich habe also wieder einiges gelernt.
- Eine reißende Saite kann weh tun und fiese Kratzer ins Holz machen
- Auf die Breedlove gehörten Ball-End-Nylon-Saiten
- Ich kaufe mir keine Savarez Alliance Cantiga mehr
- Es gibt schwarze Nylonsaiten, die saugut klingen können
Trotzdem bin ich immer noch ziemlich überrascht, dass das Brückenholz der Breedlove so weich ist. Das halte ich für einen echten Fehler, denn ich könnte wetten, dass ich nicht der einzige mit diesem Problem bin. Vielleicht ist East Indian Rosewood doch nicht unbedingt die richtige Wahl. Inzwischen wird stattdessen nämlich Ovangkol verwendet. Naaaja. Außerdem weiß ich immer noch nicht, warum die Saiten eigentlich beim Stimmen gerissen sind. Ich tippe auf einen Materialfehler, aber mir wäre wohler, ich kennte den Grund.
Und ihr so? Ähnliche Erfahrungen gemacht? Erzählt mal.
Ich hab' zwar überhaupt (gar keine) Ahnung von Saiten und dem Gitarrenspiel an sich, aber die Passage hier "und so ein Satz lag auch hier auch noch herum" klingt für mich nach einer möglichen Fehlerquelle...
Nylonsaiten sind ja auch nur "schicke" Angelschnüre und je nach genauer Zusammensetzung altern die - gerade unter Lichteinfluss - mit geradezu unanständiger Geschwindigkeit...
@Stefan G.: Naja, Lichteinfluss ist ja ausgeschlossen, weil die zum einen in Plaste eingeschweißt sind und dazu in einer Pappverpackung daher kommen. Und ich meine, sooo lange lagen die hier auch nicht rum, vielleicht 4 Monate? Wie gesagt: ich kaufe IMMER gleich einen neuen Satz nach, wenn ich einen aufgezogen habe, um immer Saiten hier zu haben, wenn ich welche brauche.
Was mir als erstes auffällt: du "pilzt" die Nylonenden nicht auf. Mir ist mal so eine Ende durchgerutscht, das gab dann eine ziemlich gleiche Schramme wie bei dir. Seitdem mach ich das Ende immer mit nem Feuerzeug heiß bis es schmilzt und nen dickeren Pilz bildet. Beim hohen E mach ich dann trotzdem noch nen Knoten (und fluche ständig, weil das so ein Gefrickeln ist). Vorher kontrollier ich noch die Kanten (Steg und Saitenlagerung) auf Scharten. Nur wenn die Saite ne Macke hat, kannste meist nüscht machen. Viel Glück beim nächsten mal.
@Lycalopex: okay, DAS hatte ich tatsächlich noch nie gehört. Ich hätte aber auch Schiss, mit dem Feuerzeug an der Gitarre rumzuhantieren. Oder machst du das, bevor du die Saite einfädelst?
@da]v[ax:
Ich fädel die Saite vorher, aber mindestens 20cm tiefer durch, als ich es später brauche, damit ich mit dem Feuerzeug nicht zu nah an die Decke komm. Musste dann halt wieder zurück schieben. Die Unterfädlung wird vom Pilz ja nicht gestört. Dann ziehste die Schlaufe vorm Pilz fest und da kann die Saite schon mal nicht mehr nachrutschen. Den Rest macht dann der Zug auf der Schlinge.
Wenn ich das recht verstanden hab, ziehst du die Saiten jede einzeln gleich nach der Grundjustage in die richtige Tonhöhe? Ich mach die alle erst mal fest (aber halt nicht auf volle Pulle) und stimme die dann erst hoch. Mir wäre sonst die einseitige Belastung am Steg zu krass.
@Lycalopex: ja, bisher habe ich die immer schon beim Aufziehen hoch gestimmt.... das hat bisher noch jede Klampfe überlebt. Aber vielleicht haste Recht und ich sollte das gleichmäßiger machen.