Wikiwars und die Operation Payback
Freitag, 10.12.2010, 17:31 > daMaxTja, ich hatte ja versprochen, meinen Senf zum Krieg um Wikileaks und die darauf folgende Operation Payback zu verfassen. Nun isses schon 17:30h und ich sitze seit Stunden rum und versuche vergeblich, mein IBM-Laptop wieder per WLAN zum Kommunizieren zu bewegen. Außerdem sind sämtliche Links, die ich mir gestern Nacht von meinem iPod aus gemailt hatte, komplett im digitalen Nirvana verschwunden (danke, Apple!!) und so denke ich, dass ich diesmal einfach zu spät dran bin. Deshalb gibt es hier jetzt keinen großen Post, sondern nur ein paar Links und gut ist. Ich denke, ihr habt euch inzwischen selbst einen Überblick verschafft.
Meine Meinung zur causa in aller Kürze: wir erleben hier eine offen ausgetragene Schlacht zwischen den Kontrollfreaks, aus denen sich die Regierungen und die gesamte Wirtschaft zusammen setzen auf der einen Seite und dem langsam erwachenden neuen Bewusstsein der Menschheit auf der anderen Seite. Die Menschen haben die Schnauze voll von den arroganten, eingebildeten, machtgierigen, korrupten, verblendeten und für das Leben auf diesem Planeten höchst gefährlichen Raubtieren in Primatengestalt, die es sich in den letzten 10.000 Jahren in den Chefetagen bequem gemacht haben. Ich schätze, die nächsten Jahre werden ziemlich unruhig um es mal vorsichtig auszudrücken. Das Krasseste an der ganzen Geschichte finde ich die Tatsache, dass fast alle Journalisten und Zeitungen auf Wikileaks einprügeln. WTF?! Wikileaks macht genau das, wofür der Spiegel früher einmal berühmt wurde. Genau so funktioniert die 4. Gewalt. Alle Zeitungen, die jetzt über Wikileaks herziehen, outen sich gerade als unwürdige Schmierblätter.
Es folgen ein paar Leseempfehlungen:
Die Zeit hat in ihrem Blog einen ganz hervorragenden Artikel über den Infokrieg geschrieben. Sehr gut recherchiert und vorbildlich mit weiterführenden Links versehen. Es geht darin unter anderem um die Weiterentwicklung des (doch recht zentral organisierten) Internet hin zu einem dezentralen Peer-To-Peer-Netz, das nicht mehr so leicht zensier- und kontrollierbar ist.
fefe ist natürlich immer ein guter Anlaufpunkt für Infos aus der Netzwelt.
Nerdcore hat 2 offene Threads zum Thema Wikileaks am Start. Bis ihr die Links dort abgearbeitet habt, ist es Frühling
Wikileaks Open Thread: Inside the cables party scene
Wikileaks Open Thread: Operation Leakspin
Die taz versucht sich an einer Chronologie der Ereignisse, macht dabei aber auch (wie alle) den Fehler, Anonymous eine "Hackergruppe" zu nennen und auch sonst kriegen sie einiges durcheinander. Lest lieber die Presseerklärung von Anonymous um ein bisschen was über diese Vereinigung und ihre Absichten zu erfahren.
Spiegelfechter versteigt sich leider zu der irrigen Annahme "Dass Wikileaks mit der Veröffentlichung der Depeschen gegen US-amerikanisches Recht verstoßen hat, ist unumstritten". Und auch ansonsten lässt er kein gutes Haar an Wikileaks und Julian Assange. Schade Jens, das kannst Du besser.
Udo Vetter hat unter dem Titel "Kriegsgerät Serverplatz" einen hervorragenden Artikel geschrieben, in dem es unter anderem heißt:
So wie niemand die Redakteure des Spiegel für ihre “Enthüllungen” einbuchten kann, so wenig könnte man es in Deutschland mit den Machern von WikiLeaks machen.
Die einzige Unsicherheit wäre die Frage, ob WikiLeaks wirklich “Presse” ist. Daran besteht für mich aber kein Zweifel. Zwar beschränkt sich die Tätigkeit von WikiLeaks auf die Dokumentation. Aber gerade die Dokumentation ist eine der Kernaufgaben des Journalismus. Zudem ändern sich die Zeiten.
Unbedingte Leseempfehlung also. Gleiches gilt für die beiden Artikel "Geheimnisverrat durch Wikileaks?" und "Assange und der Europäische Haftbefehl" des internet-law-Betreibers Thomas Stadler auch wenn ich mich immer wieder über die hirnrissigen Feedproxylinks ärgere.
Spreeblick kommen mit der Wikileaks-Dokumentation: Wikirebels daher, die ich mir jetzt mal genüsslich reinziehen werde.
Zu guter Letzt noch ein ganz klassisches Beispiel für Zensur durch Copyright: What is Operation Payback? (kannste nicht angucken, also kopierste die URL, gehst zu http://www.hidemyass.com, fügst sie dort wieder ein und guckst das Video. Oder Du liest den Text einfach direkt. Gefunden: hier.)
Danke Max.
Auch wenn der Text nicht so lang geworden ist wie Du es geplant hattest, so hast Du uns doch vermutlich für Stunden Lesestoff verschafft. Ich werde mir gleich mal den Text erarbeiten, in dem erklärt wird, dass Anonymous keine Hackergruppe ist. Vermutlich habe ich da noch immer nicht den kleinen aber feinen Unterschied begriffen. Ich verstehe es so, dass es gute Hacker mit Ehrenkodex und sinnvollem Tun gibt, wie die bspw. die Mädels und Jungs vom CCC, und solchen, die sich an gar nichts halten und zerstören, klauen, spionieren oder anderen groben Unfug treiben.
Ich als ahnungsloser DAU verstehe Anonymous schon als Hacker - und zwar als gute. Ob das einer ist oder vierzig, hundert oder tausend, spielt für mich dabei keine Rolle, weil ohnehin nicht wirklich klar ist, wie viele das sind. Das was Anonymous da auf der technischen Seite tut verstehe ich nicht, wohl aber das Ergebnis. Und das finde ich grundsätzlich erstmal gut (wir müssten noch über die Folgen reden, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen).
Vor dem Tun, dem Wissen, der "Mission", und meiner Meinung nach auch gehörigen Portion Mut von Anonymous, habe ich wirklich großen Respekt. Dieser Respekt resultiert sicher in einem gerüttelt Maß aus meinem Dasein als DAU. Meine technische Unwissenheit bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass ich nicht verstehe, um was es hier geht.
Weil es um besondere Fähigkeiten in einem besonderen, mämlich technischen, Umfeld geht (was Du beruflich bedingt sicher anders und besser einschätzen kannst als ich) und diese Fähigkeiten für eine Sache eingesetzt werden, die ich gar nicht hoch genug schätzen kann und der ich mich von ganzem Herzen anschließe, nämlich der Bewahrung der freien Rede, meine ich, dass das gute Hacker sind.
Wenn Du eine bessere oder einfachere Erklärung zu diesem Thema für mich übrig hättest, wäre ich Dir wirklich sehr dankbar.
Wie wäre es denn mit einem Gastbeitrag in meinem Blog, der ganz sicher einige DAU zu seinen Lesern zählt?
Muss ja nicht unbedingt heute oder morgen sein.
Liebe Grüße aus dem Norden
Olaf
@Olaf, yeah, der Olaf ist wieder da! Freut mich, dass Du wieder in die Tasten greifst.
Warum Anonymous keine Hacker sind ist ganz einfach zu erklären: sie hacken nicht. Sie bombardieren nur Websites mit so vielen Anfragen, dass die Server in die Knie gehen. Das hat mit Eindringen in Computersysteme (== hacken) einfach nichts zu tun.
Und sie sind keine Gruppe, weil jedermann Anonymous sein kann. Das ist ein sehr loser Verbund aus Leuten. Mitmachen bei den AnonOps ist ganz einfach: LOIC runterladen (oder eine sonstige Variante davon starten), Ziel eingeben und Feuer frei. Keine Skills notwendig. Sieh es als eine Art digitaler Sitzblockade an. Dadurch soll eigentlich auch niemand zu Schaden kommen (steht ja in der Presseerklärung), es geht nur darum, eine Website zu blockieren. Im Fall von Mastercard hingen aufgrund eines technischen Vollversagens der Verantwortlichen Website und Zahlungssystem so eng miteinander zusammen, dass beides zusammengeklappt ist. Das war aber erklärtermaßen nicht das Ziel von Anonymous.
Hej Max,
ich habe mir gerade Alternativlos 10 von Fefe und seinem Gesprächspartner, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, angehört. Die haben ähnlich argumentiert und gesagt, dass es besser und moralisch anständiger ist, WikiLeaks zu spiegeln und nicht durch solche Attacken die Kommunikation lahm zu legen. Weil es egal ist um wen es sich bei dem Lahmgelegten handelt und die Kommunikation eben auch für unangenehme Zeitgenossen ein Grundrecht sein muss. Und da haben sie Recht. Man kann nicht auf der einen Seite für ein freies Internet sein und auf der anderen Seite die Kommunikation in eben dem freien Internet lahm legen. Damit, so die zwei weiter, verbaut man sich die Chance miteinander zu reden. Moralisch betrachtet ist das Ordnung und ich kann gut folgen.
Blöd ist dabei nur, dass das Gewaltenmonopol einseitig verteilt ist und gerade dabei ist alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Gewalt durch Restriktionen zu erhöhen und in der logischen Folge die Freiheit einzuschränken.
Leider glaube ich nicht daran, dass das Volk die zur Verfügung stehenden demokratischen Werkzeuge vereint benutzen wird. Dafür war die bisherige Politik von "Spalte und Herrsche" viel zu erfolgreich.
Aber dafür wird mir langsam klar, worin der Unterschied zwischen einem Hacker und einem Hacker liegt.
Danke dafür.