Die Kindersicherung fürs Internet kommt [Update]
Freitag, 26.3.2010, 08:59 > daMaxEs könnte sein, dass euer ergebener Schreiberling hier demnächst die Pforten schließen muss. Das habt ihr Unserer Geliebten Bundesregierung™ zu verdanken, die in blindem Aktionismus um sich schlägt und dabei jeden noch so großen Kollateralschaden billigend in Kauf nimmt. Mit der gegen alle fachliche Kritik von Herrn Beck & Co. durchgepaukten Neufassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) wird wahrscheinlich eine Zwangskennzeichnung aller (!) Websites notwendig. Eine solche kann und will ich nicht umsetzen. Weder kann ich entscheiden, was ab 6, 12, 16 oder 18 Jahren "zugelassen" ist, noch bin ich in der Lage, den hier "angebotenen" eventuell jugendgefährdenden Inhalt nur noch nach 22.00h abrufbar zu machen.
Ich fühle mich als säße ich in einem Auto, das von einem unter Drogen stehenden Irren mit 200 Sachen in Richtung Abgrund gefahren wird, während ich bei aktivierter Kindersicherung auf dem Rücksitz festgezurrt bin. Wenn ihr also demnächst hier nur noch einen schwarzen Balken seht, bedankt euch bei unseren verbohrten, lernresistenten und total ignoranten Betonschädeln in Berlin.
[Update]: Das sehen auch andere so.
(bild von spiegelfechter)
Das ist schon lustig, gell. Während Komasaufen unter Jugendlichen nach wie vor chic ist und das Bildungssystem immer noch, ich sags mal jugendgefährdend, beschissen, drehen diese fachlich inkompetenten und kulturell ignoranten Politiker den Regler der Meinungs- und Informationsfreiheit immer weiter zurück.
Ich denke aber nicht, dass sie auf Dauer damit erfolgreich sein werden. Warum?
1. Das Internet als freies Kommunikations- und Informationsmedium ist zum unverzichtbaren Bestandteil der Menschen in der westlichen Welt geworden. Auch kommerziell ist eine solche Einschränkung unmöglich und wird vermutlich die verschiedensten Lobbyorganisationen auf den Plan rufen. Die weitere Entwicklung kann nur nach vorne gewandt funktionieren. Die bestehende Freiheit dermaßen einzuschränken und zu reglementieren würde zur Folge haben, dass die technikaffinen (meist jungen) Menschen die Restriktionen umgehen und aushebeln. Du weißst viel besser als ich wie einfach das möglich ist, Max.
2. Wie Du schon sagst, kann man als private Person nicht beurteilen, was Jugendgefährdend ist und was nicht. Allein dieser unausgegorene Punkt wird Klagen ohne Ende zur Folge haben.
3. Oder man dreht den Spieß rum. Nur eine Reklame mit zu tiefem Dekolleté und der juristische Zoff kann beginnen. Stell Dir nur mal vor, alle diejenigen die reglementiert werden, holen die Moralkeule aus dem Sack und klagen gegen alles, was auch nur in irgendeiner Form nach Sex, Gewalt oder ungesund aussieht. Ich finde diesen Gedanken und seine Konsequenzen ehrlich gesagt äußerst reizvoll.
4. Wie kann man seine Inhalte rein technisch von den Uhrzeiten abhängig zugänglich machen kann? Hat bspw. WordPress so eine Funktion? Ist so etwas technisch, flächendeckend und plattformübergreifend überhaupt möglich?
5. Man kann Dinge sagen ohne sie zu sagen. Sozusagen Kommunikation und Information zwischen den Zeilen. Das Ganze ist nur eine Frage der Übung und man kann es lernen. Das Gleiche gilt für das Lesen und Verstehen solcherlei "verschlüsselter" Botschaften. Wir Deutschen sind da ganz gut geübt mit unseren diversen diktatorischen Erfahrungen. Und außerdem gibt unsere wunderbare Sprache das auch her.
6. Kann ich mir folgendes Szenario ganz gut vorstellen: Viele Blogger machen ihren Blog privat. Man muss sich anmelden um Lesen zu können. Die Blogger selber empfehlen sich dann gegenseitig - so wie jetzt ja auch schon - ihre Favoriten, was garantiert, das auch weiterhin Dynamik unter den Lesern herrscht. Es gibt ja auch noch die Feedreader und wenn die auch reglementiert werden sollten, E-Mail.
Die Effekte werden hierbei sein, dass einerseits die Qualität der Inhalte exorbitant steigt, denn unter solchen Umständen WILL man gelesen werden und sich konkret und qualifiziert zur Sache äußern. Und andererseits entstehen neue thematische Netzwerke, deren Existenz und Kommunikation nicht mehr direkt offensichtlich ist. Klar können die Schlapphüte auch dann noch mitlesen, aber die Arbeit würde für sie enorm anwachsen und Google wäre auch nicht mehr eine so große Hilfe.
Also Max, bevor Du verzweifelst, atme erstmal tief durch. Mut, Wille und Kreativität haben bisher noch jede Diktatur zum Fall gebracht.
Schönes Wochenende
Olaf