Den Jürgen würgen
Freitag, 11.2.2011, 00:09 > daMaxDer heutige Abend hat mir mal wieder gezeigt, woran unsere Gesellschaft krankt und weshalb unsere Demokratie nicht funktioniert.
Und das kam so:
Ich sitze im Kino, warte auf "Tucker & Dale vs. Evil". Der Film geht los. Die Dialoge sind... englisch. Meine Kumpels und ich gucken uns an. Englisch? Das ist ja cool. Wusstet ihr das? Nö. Prima, wir freuen uns also und fangen an zu genießen. Der Film läuft 20 Minuten, dann friert auf einmal das Bild ein. Nanu? Rechner abgestürzt? Das Licht geht an, eine Tussi kommt rein und fängt mit ihrem Sprüchlein an:
"Sehr geehrte Zuschauer. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, läuft dieser Film auf englisch".
Zwischenrufe: "Yeah cool", "weiter so!"
"Unser Vorführer versucht nun an den Schlüssel zu kommen, um den Film auf deutsch vorzuführen."
Weitere Zwischenrufe: "nee, lass doch", "englisch!", "englisch ist viel cooler!"
"Sollte unser Vorführer den Schlüssel nicht bekommen, wird der Film auf englisch weiter gezeigt."
Noch mehr Zwischenrufe: "lass doch einfach weiter laufen, ey" usw.
"Wenn Sie den Film dann nicht sehen wollen, bekommen Sie an der Kasse Ihr Geld zurück. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit".
Stille.
Ich fasse mir ein Herz und frage in die Runde: "Leute, ihr wollt den Film doch auch auf englisch gucken, oder?" Zustimmung. "Will hier jemand den Film auf deutsch weiter sehen?"
Ein Jürgen meint: "Ja, ich will ihn lieber auf deutsch sehen!"
Augenrollen allüberall. Das Licht bleibt weitere 10 Minuten an. Dann wird es dunkel. Und...
Der Film fängt von vorne an! Diesmal auf deutsch. Buhrufe werden laut, einer verlässt genervt das Kino, ich sitze mega angepisst da und habe total die Lust auf den Film verloren.
Was sagt uns das nun über unsere Gesellschaft und die nicht funktionierende Demokratie?
Wenn ein Jürgen will, kann er die gesamte Umgebung unterjochen. Warum? Weil keiner bereit ist, für das demokratische Prinzip mal das Maul aufzumachen. Das wäre nämlich nötig, um diesen Jürgen in seine Schranken zu weisen. Und wenn wir die Jürgens nicht in ihre Schranken weisen, werden sie uns nach und nach den Faschismus aufs Auge drücken und keiner wird etwas dagegen tun. Demokratie verlangt nämlich den stetigen Einsatz aller Beteiligen. Und daran mangelt es in unserer verfetteten Wohlstands- und Duckmäusergesellschaft leider an allen Ecken und Enden. Nur Sidekicks, keine Heros.
Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.
Epilog: Der Jürgen war, nachdem das Licht wieder anging, nicht in der Lage, mir in die Augen zu schauen. Aber den Abend hat er mir gründlich verhagelt.
So. Und jetzt seid ihr dran. Überlegt euch mal bitte in aller Stille und Abgeschiedenheit, wie wir diese Jürgens loswerden können, ohne Gewalt anzuwenden. Ich glaube inzwischen langsam nicht mehr daran, dass das noch geht.
PS: Der Film ist trotzdem sehr lustig. Wer auf sowas steht möge ihn sich ruhig anschauen. Aber am Besten auf englisch, da isser nämlich besser.
Bild: Some rights reserved by Rickydavid
Klassischer Fall von falsch verstandenen Minderheitenschutz. Und aus Sicht des Kinobetreibers das klassische Verkennen einer Zielgruppe.
Da lohnt sich ein Besuch in Dänemark. Hier laufen die Filme im Fernsehen und im Kino grundsätzlich im Originalton und untertitelt. Es sei denn, es ist ein dänischer Film.
Das wirklich interessante ist aber eigentlich der satz:
"Sollte unser Vorführer den Schlüssel nicht bekommen, wird der Film auf englisch weiter gezeigt."
mit filmrollen waere das nicht passiert
Ach was, der Typ hat einfach seine Meinung gegenüber dem Mob behauptet, was nonkonform ist. Sorry, aber das sehe ich mal ganz anders als Du.
Sag mal Borna, Deine andere Meinung in Ehren, aber was führt Dich dazu die Gruppe der Leute die den Film in englisch sehen wollten als "Mob" zu bezeichenen...?! Also die Abwertung an der Stelle kapier ich nicht...
zitiere Wikipaedia:
"Der Ausdruck Mob (englisch „mob“ aufgewiegelte Volksmenge; von lateinisch: mobile vulgus) bezeichnet (abwertend) eine Masse aus Personen des einfachen Volkes bzw. eine sich zusammenrottende Menschenmenge mit überwiegend niedrigem Bildungs- und Sozialniveau (abwertend auch gemeines Volk, Pöbel, Plebs, Gesindel, Pulk, Schar genannt). "
Hi Anne,
was Wikipedia sagt, ist meistens Populärschund, geschrieben vom ... Mob
Im Ernst:
ich bin nicht der Meinung, daß die Mehrheit immer recht hat.
Wenn der Film in der deutschen Version geplant war, wird das eben zu einer Rechtsfrage. Der Veranstalter MUSS die Gäste fragen, ob sie alles wie geplant (und bezahlt!) haben wollen, weil sonst jemand im Nachhinein Anspruch auf Schadensersatz hat.
Aber abgesehen vom rechtlichen Standpunkt finde ich es seltsam, einerseits mit Fairness zu kommen und andererseits zu ignorieren, daß die Stimmung in einer bestimmten Situation dazu beiträgt, Meinungen kaltzustellen.
Außerdem kann doch jeder in ein Kino gehen, wo der Film in der Originalversion läuft - nur da stehts dann auch auf dem Plan.
Zuletzt finde ich so Spielchen, wo einer der Dumme ist, unsozial. Bei der Lösung oben hatten alle was von dem Film, bei der anderen (also Film in englisch) wären alle auf Kosten einer Person (+x, die in der Stimmung den Mund nicht aufgemacht haben) glücklich gewesen.
Und in diesem Sinne meine ich mit Mob einfach aufgewiegelte / beeinflußte Masse von Menschen. Was die Wikipedia dazu sagt, halte ich für so vielfältig, daß unmöglich alle Bedeutungen gleichzeitig gelten können, also gilt für mich die Meine.
@Borna: Hättest Du mal genau gelesen, wäre Dir aufgefallen, dass einer genervt das Kino verlassen und sich sein Geld zurück geholt hat. Den klammerst Du aus deiner Gleichung leider aus. Entweder wäre ein Jürgen raus und alle hätten glücklich den FIlm auf englisch gesehen oder alle gucken leicht genervt den Film auf deutsch und einer geht raus weil er keinen Bock mehr auf deutsch hat. So sahs aus.
einer hat den Film verlassen, weil eine selbsternannte Mehrheit den Plan geändert hat. Toller Erfolg für die Demokratie. Weil Demokratie ja ausschließlich die Meinung der Mehrheit ist...
Wenn einer genervt ist, weil er etwas nicht bekommt, was sowieso nie geplant war, kann ich das nicht nachvollziehen. Ein "tja, wäre schön gewesen" klingt anders als ein "eine Minderheit hat sich faschistoid verhalten, und deshalb mußte ich den Film auf deutsch sehen".
Als einer der Kumpels, die dabei waren, stimme ich Borna zu 100% zu. Ich hätte den Film auch lieber auf englisch gesehen, im Grunde genommen war es bei _dem_ Film aber recht egal. Die Länge der Pause hat mich auch etwas geärgert, ich hatte aber kurz nachdem es weiterging den gleichen Spaß wie vorher.
Vielleicht bin ich mittlerweile auch zuviel als Dienstleister im Kundenkontakt, aber ich kann auch nie Leute verstehen, denen Du genau das lieferst, was sie bestellt haben, und die dann unzufrieden sind, weil sie zwischendurch kurz den Eindruck hatten, sie würden doch etwas anderes bekommen.