Elektronische Gesundheitskarte (eGK): wir haben verloren [3. Update]
Mittwoch, 14.1.2015, 12:55 > daMaxSeit Jahren weigere ich mich, an dem zentralen Datendesaster eGK teilzunehmen. Aus Gründen. Gerade erreicht mich diese Mail:
Tach du Opfer!
Nur so als Info zwischendurch, weil das ja dein Thema ist: Ich war heute beim Arzt mit meiner bis 6/2015 gültigen KK-Karte. Der darf mich nicht mehr behandeln, die Software verhindert automatisch Verschreibung und Überweisung. Das war's dann wohl mit dem Kampf.
Super. Echt toll. Jeder Scheiß wird wider besseres Wissen und gegen die eigene Bevölkerung durchgedrückt, Hauptsache wir werden gläserner und gläserner. Ich hasse unser Zeitalter.
Sie sind bei dir, doch du merkst es nicht
wenn du bald auch wie Glas zerbrichst
und man dich nur als Nummer kennt
es ist soweit: du bist transparent.
Sie schau'n durch dich hindurch
und sie lachen über dich
denn sie seh'n den neuen Mensch in dir
ein Mensch aus Glas.
Update: cypax scheint in der Sache noch tiefer drin zu stecken als ich und hat ein paar interessante Dinge zu sagen.
2. Update: um den aktuellen Widerstand politisch endgültig zu verbrennen muss nur die Fraktion der LINKEn im Bundestag einen Stopp der eGK fordern. That'll teach 'em.
3. Update: Gröhe haut auf die Kacke.
Bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wird Dampf gemacht. Nach den Plänen des Gesundheitsministers Hermann Gröhe müssen alle zahlen, die sich dem System verweigern und als "Blockierer" auftreten.
Tipp:
Streue Deiner Krankenkasse etwas Sand in die Augen, indem Du eine eGK ohne Foto forderst. Ich weiß - wir müssen jetzt nicht die Diskussion aufrollen, dass das Foto ja das kleinere Übel im Vergleich zur Telematik-Infrastruktur sei.
Argumentiere (am besten schriftlich, lass Dich auf keine mündlichen/telefonischen Diskussionen mit irgendeinem Telefonisten ein) damit, dass die bald erscheinende 2. Generation der eGK ohnehin als Standardoption ohne Bild erhältlich sein wird. (Soviel zum Thema, dass das Bild überlebenswichtig sei.)
Schreib dann noch, dass bereits heute fotolose Karten produzierbar sind (heute eigentlich nur für Ausnahmefälle).
Sag auch, dass ein Verzicht auf das Foto ja Geld bei der Produktion spart, und Geld sparen will doch sicher auch Deine Krankenkasse (bzw. der Vorstand, schreib rein, dass Du im Zweifel auch direkt an den Vorstand Deiner KK schreibst).
Damit hast Du die wenigstens etwas geärgert, ein Foto weniger in den Äther geschickt und hast Haltung bewiesen. Jeder Widerstand, mag er noch so klein sein, ist gut für Dein Karma.
Mach's einfach wie ich und hol dir von deiner Krankenkasse jedes Quartal zwei Behandlungsscheine (für Arzt und Zahnarzt) - ganz ohne Software sozusagen. Mein Zahnarzt meinte sogar zu mir, ich solle die Krankenkasse einfach auffordern, die Behandlungsscheine dem Zahnarzt jedes Quartal unaufgefordert zuzufaxen. Laut Berichten im Netz funktionieren solche Aufforderungen auch, werde mir also wohl künftig den einen Schein per Post senden und den anderen dem Zahnarzt zufaxen lassen.
Wundert mich aber, dass Software existiert, die die alten Karten ablehnt. So weit ich weiß, haben z.B. Polizisten und Bundeswehrsoldaten noch die alten Karten und kriegen auch keine neuen. Eine Behandlung darf der Arzt sowieso nicht ablehnen, der muss sich dann einfach den Behandlungsschein nachträglich aushändigen lassen (üblicherweise innerhalb einer Woche) - sonst kann er dir die Behandlung privat in Rechnung stellen.
Auf jeden Fall erachte ich die Sache mit den Behandlungsscheinen als definitiv zumutbar - und vor allem als zumutbarer als die eGK, bei der ich nicht weiß, ob und wie die Daten verschlüsselt werden, und nicht kontrollieren kann, wer an die Daten rankommt.
irgendwie verlieren wir immer.
@ Gebbi
Die aktuell eingesetzte 1. Generation der eGK nutzt 3DES. Die aktuell eingesetzten Girocards übrigens auch. Das AES-Zeitalter wird dort erst in Kürze beginnen, über 10 Jahre nach Standardisierung von AES.
... sogar beim black metal!
Darauf habe ich schon gewartet. Und einen guten Beitrag gefunden, der auch Dich, Max, beruhigen soll:
https://digitalcourage.de/blog/2014/stichtag-112015-wie-geht-es-weiter-mit-der-elektronischen-gesundheitskarte
Dort heißt es unter anderem:
"Ist die Elektronische Gesundheitskarte ab 1.1.2015 Pflicht?
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) behauptet unter anderem mit ihrem „Praxisplakat der KBV“, dass zum neuen Jahr nur noch die eGK gültig sei. Dabei sagt selbst die Bundesregierung, dass das nicht stimme.
Kathrin Vogler (Bundestagsabgeordnete, Die Linke) hat von der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage Antwort erhalten und schreibt in ihrem Blog: „Wer der elektronischen Gesundheitskarte skeptisch gegenüber steht, kann sich auch im nächsten Jahr ärztlich behandeln lassen, ohne gleich eine Privatrechnung zu riskieren. Anstelle einer eCard reicht nämlich ein Nachweis über den Leistungsanspruch von der Krankenkasse, auf Papier, per Brief oder Fax an die Arztpraxis.“ Die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage von Kathrin Vogler ist online als PDF nachlesbar." Zitat Ende
Letzte Woche bei meiner Hausärztin: "Ähh, die Karte geht nicht mehr" und die Aufforderung, so schnell wie möglich mit der eGK wieder anzutanzen. Die Behandlung musste so oder so durchgeführt werden, da mir die Sprechstundenhilfe monatlich eine VitB12-Spritze setzt, die Ampullen, die ich selbst gebracht habe, dort gelagert sind und ich nicht zur Ärztin musste.
@James@Gebbi: Danke für die Inspirationen, mal sehen, wie ich nun weiter mache. Auch keine eGKarte will!!
Wir haben erst verloren, wenn wir uns nicht mehr wehren.
So bin ich an eine Ersatzbescheinigung von der Kasse gekommen: http://www.cypax.net/blog/?tag=eGK
@Cypax: oh, danke! Gute Info.
Einen Nachtrag noch, weil ich glaube, dass das vielleicht nicht allen ganz klar ist:
Sobald die eGK eingesetzt wird, werden eure Patientendaten künftig zentral gespeichert.
Dazu ist es völlig egal, ob auf der Karte ein Foto von euch, von eurer Katze oder überhaupt keines gedruckt ist. Die Diskussion um das Foto geht völlig am eigentlichen Problem vorbei.
Das eigentliche Problem ist: auf der eGK befindet sich eurer privater Schlüssel, welcher für die Verschlüsselung der Patientendaten erforderlich ist. Sobald die eGK verwendet wird (z.B. beim Arztbesuch), werden eure Daten an die Server der gematik GmbH übertragen und dort zentral gespeichert.
Das heißt, wer früher massenhaft Patientendaten abschnorcheln wollte, hätte massenhaft Arztpraxen hacken müssen. Künftig benötigt er nur noch eine Sicherheitslücke im Verschlüsselungssystem der eGK und Zugriff auf die Server der gematik und kommt an die Daten aller gesetzlich Versicherten.
Ob man ein solches Szenario nun für realistisch hält oder nicht, muss letztlich jeder selbst befinden. Angesichts der Skandale um Sicherheitslücken allein im vergangenen Jahr sollte man sich jedoch nicht unbesorgt in allzu großer Sicherheit wägen.
Zweites Problem mit der eGK: der Patient allein entscheidet durch Eingabe seiner PIN, wer die Daten auslesen darf und wer nicht.
Das klingt doch super meint ihr?
Und was wäre damit:
"Sie wollen bei uns eine Lebensversicherung abschließen? Kein Problem - stecken Sie doch nur mal kurz ihre eGK in das Lesegerät und geben Ihre PIN ein. Wir wollen nur sehen, dass Sie keine schweren Krankheiten haben. Dann können wir Ihnen unseren Premium-Fit-And-Health-Tarif zu günstigen Konditionen anbieten."
Oder:
"Ja Herr Meier, also wir würden Sie gerne in unserer Firma anstellen. Wir müssten nur noch kurz einen Blick in Ihre Gesundheitsakte werfen. Reine Routinesache. Stecken Sie doch mal kurz Ihre Karte hier rein ..."
tl;dr:
Dass eure Daten zentral gespeichert werden könnt ihr nur verhindern, indem ihr die eGK niemals verwendet. Denn ohne eGK kein kryptografischer Schlüssel. Und ohne Schlüssel keine Kommunikation mit dem System der gematik.
PS:
Fun-Fakt #1: Die Server der Gematik werden von einer Bertelsmann-Tocher betrieben. Da zuckt man doch kurz zusammen, wenn man das liest ...
Fun-Fakt #2: Niemand weiß, ob es nicht vielleicht noch eine Kopie des privaten Schlüssels gibt oder geben wird. Eigentlich müsste es das, um die Daten bei vergessener PIN wiederherstellen zu können (http://fiff.de/publikationen/broschueren/fiff-egk-broschuere-ii/2-grundlagen-der-elektronischen-gesundheitskarte - Abschnitt "Datenwiederherstellung").
@ Cypax
Die Patientendaten werde heute schon von den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie von den Krankenkassen gespeichert. Stelle einfach mal ein datenschutzrechtliches Auskunftsersuchen und du wirst erstaunt sein, was die heute schon alles von dir speichern - ganz ohne eGK und Telematik-Infrastruktur.
Die Zeiten, wo nur dein Arzt deine Daten hatte, sind lange vorbei, wenn es überhaupt jemals so war.
Schabe eGK bestellt, aber noch nicht erhalten - Arztbesuch möglich, aber nicht sinnvoll, weil unbezahlbar
@ Wunderbar
Naja, also von den Ärzten bekommen die Kassenärztlichen Vereinigungen aber nur die Informationen, welche für die Abrechnung notwendig sind. Diese geben an deine Kasse weiter, ob und wie viel Behandlungskosten im Quartal für dich angefallen sind.
Die Kasse bekommt allerdings auf anderem Weg mit, was bei dir diagnostiziert wurde: auf dem Krankschreibungszettel vom Arzt für die Kasse steht der Diagnoseschlüssel (welcher auf dem Zettel für den Arbeitgeber aus guten Gründen eben nicht steht). So was wie z.B. R53.
Das war's dann aber auch. Die Diagnose- und Behandlungsdetails erfährt die Kasse nicht.
Anders sieht das aus, wenn du im Krankenhaus behandelt wirst - meines Wissens werden da werden mehr Daten weitergegeben. Allerdings weiß ich zu wenig über die Prozesse der Datenweitergabe in Klinken um da Konkreteres sagen zu können.
@ Cypax
Stelle einfach mal ein Auskunftsersuchen an die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und an deine Krankenkasse. Du wirst sehen, dass nicht nur in den von dir beschriebenen Fällen Diagnosen und Medikamentierungen dort gespeichert werden. Manchmal ist das nämlich beunruhigend, welche falschen und potentiell nachteiligen Schlussfolgerungen vom Arzt zur Krankenkasse oder Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung wandern.
Zu #9:
Versichertendaten werden kassenzentral, aber nicht bei der Gematik gespeichert.
Es wird eine Heilberufskarte benötigt; das geschilderte Szenario ist somit nicht valide.
Konrad
Neueste Neuigkeiten (vom 13.01.2015):
http://ddrm.de/?tag=elektronische-gesundheitskarte
@Weltenfrau: Wie von unserer Faschisten-Regierung zu erwarten war. Wer nicht systemkonform ist, muss nun also Strafzahlungen tätigen. Widerlich. Werde deswegen jetzt sicherlich nicht gleich einknicken, zur Not bezahl ich sogar die 10 € pro Quartal für die zwei Behandlungsscheine...
Du hast "Göring" im 3. Update falsch geschrieben.
Hier gibt's weitere Infos zur eGK und Änderungen im BMV-Ä - http://ddrm.de/?tag=egk . ich blockiere diese Karte und wenn der Gröhe mir noch so drohen will.
@Sven_P.: hey danke! Interessanter Link.
Zu einigen Kommentaren und Tips oben:
Wie passt dazu der wdr5-Beitrag heute morgen in der Morgenecho-Sendung?
http://www.wdr5.de/sendungen/morgenecho/gesundheitskarte158.html
Wer lügt/betrügt/fälscht/redet Stuss ...?
Hallo Max und Kommentatoren,
Ich gehör auch zu den eGK-Verweigerern. Bin nun dies Jahr zum ersten Mal krank und wollte zum Arzt. Ich habe dazu vorher extra bei der KK-Geschäftsstelle einen Versicherungsnachweis auf Papier geholt. Aber beide Arztpraxen, die ich danach angesteuert habe, haben verweigert mich ohne eGK zu behandeln. Hock jetzt daheim und kurier mich so aus. Als Student brauch ich im Moment keine Krankschreibung. Aber ich werde wohl nun kapitulieren, damit ich, wenns mir richtig schlecht geht, behandelt werde.
Wir haben wie so oft wohl verloren.
Mit solidarischem Gruß
Greifdaumen
@Greifdaumen: au BACKE! Was dagegen wenn ich das größer veröffentliche? Bestimmt nicht, ne?