Der Nazifrosch macht «Reeeeeee!» oder: Wie ich mal Nazi war
Dienstag, 5.12.2017, 09:19 > daMaxEltern aufgepasst. Der Gymnasiallehrer David Eugster beschreibt in der Schweizer Wochenzeitung
wie Ironie den Hass massentauglich macht: Internet-Memes sind zur Universalwährung für Provokation geworden – und zur Streuwaffe im Kulturkampf der Rechten.
Ich finde den Text ziemlich gelungen in der Hinsicht, dass er die Ohnmacht und Hilflosigkeit der Erwachsenen gegenüber Phänomenen wie Memes, Hatespeech und schleichender Faschistisierung des Gedankenguts Jugendlicher ziemlich gut darstellt. Ein kleiner Auszug:
«Feminismus ist Krebs»
Internet-Memes [...] können grundsätzlich in jede politische Richtung gedreht werden. Die Inhalte, die sie vermitteln, hängen von der jeweiligen Bearbeitung ab. Und Memes transportieren durchaus auch politisch relevante Inhalte: Als ich mit besagter Klasse eine Rede von Joseph Goebbels besprach und sie fragte, ob ihnen aktuelle Beispiele solcher Formen hasserfüllter Rhetorik einfielen, kam die ernst gemeinte Antwort: «Feminazis». Ein typisches Exemplar für eine solche totalitäre Feministin war für sie «Trigglypuff»: Die Schüler zeigten mir das Video einer Aktivistin, die zeternd eine Podiumsdiskussion am Hampshire College störte. Aufgenommen wurde das Video an einer Veranstaltung zur Frage, ob die Sache mit der Political Correctness zu weit gegangen sei. Milo Yiannopoulos, Kolumnist bei «Breitbart» und damals noch Posterboy der Trump-Kampagne, hielt dort eine ultrakurze «Rede» mit dem knappen Wortlaut: «Feminism is cancer» (Feminismus ist Krebs). Tags darauf wurde das Video von seiner Gefolgschaft in zigfachen Variationen zu einer kurzlebigen Ikone des Antifeminismus gemacht – bis es schliesslich auf den Laptops in meinem Schulzimmer landete.
und dann kommen noch jede Menge Dinge, die man als Eltern wenigstens mal gelesen haben sollte. Zur Ehrenrettung der Jugend möchte ich einen kleinen Schwank aus meiner eigenen Jugend vom Stapel lassen, denn ich glaube ja, Kids sind bei aller rechten Gefahr durchaus in der Lage, zwischen Ironie (bzw. ihrem größeren Bruder Sarkasmus) und Realität zu unterscheiden.
Als ich 15 war, kam zu mir in die 10. Klasse ein Sitzenbleiber. Unser Klassenverband war relativ stabil und so wollte mit diesem Loser natürlich erst mal niemand was zu tun haben. Eines Tages sah ich ihn nach der Schule an der Straßenbahnhaltestelle sitzen und zu meiner großen Überraschung fiel mir zum ersten Mal der KREATOR-Patch auf seiner Jeansjacke auf. Nun muss man wissen, dass meine Metal-Phase etwa 4 Jahre vorher mit IRON MAIDENs "Life After Death" ihren Anfang genommen hatte, ich mit dieser Vorliebe allerdings in meinem Freundeskreis ziemlich alleine da stand.
Ich quatsche ihn also auf diesem Patch an und das war der Beginn einer zwar nur kurzen, aber dafür umso intensiveren Freundschaft. Uwe, von seinen Freunden liebevoll "Uzi" genannt, war 2 Jahre älter als ich (in dem Alter eine schier unüberbrückbare Kluft) und war ein deutlich überzeugterer Metalhead als ich. Wir tauschten Tapes wie verrückt und wurden uns des geistigen Abstands zwischen uns und den "Normalos" immer deutlicher bewusst. Naja, irgendwann zu dem Zeitpunkt fing es an, dass wir diesen Abstand künstlich vergrößern wollten. Also suchten wir uns ein Thema aus, dass sämtliche Klassenkameraden und die Lehrer(!) gemeinsam auf die Palme brachte: wir fingen im Geschichtsunterricht an, rechte Sprüche zu kloppen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Sämtliche braven Schüler, von Hippienachwuchs bis hin zu den konservativsten CDU-Wähler-Kindern, bildeten eine geschlossene Front gegen uns. Wir waren glücklich! Endlich hatten wir alle gegen uns. Im Laufe weniger Wochen gesellten sich noch 1-2 andere dazu und schon bald war der Durchschnittslärmpegel in Geschichtsstunden um gut 30dB erhöht
Allerdings waren sowohl Uzi und ich uns ohne Worte darüber einig, dass das nur ein Joke war. Schon auf dem Weg zur Straßenbahn war das Thema für uns erledigt, schließlich gab es so viele wichtigere Dinge auf der Welt, z.B. die gerade neu erschienene "...and Justice For All" von METALLICA, deren Texte wir zwar nur zu einem Bruchteil kapierten, die uns aber dennoch irgendwie für die wachsende Ungerechtigkeit in der Welt sensibilisierten.
Eines Nachmittags gingen wir mal wieder gemeinsam zur Straßenbahn, diesmal mit K. im Gefolge. Wir hatten gerade eine Geschichtsstunde hinter uns, K. war noch voll in der Rolle und faselte was von der Endlösung oder irgend so einem Blödsinn. Ich meinte zu ihm:
"Ist ja gut jetzt."
Er: "Hä? Was meinst du?"
Ich: "Kannst aufhören, wir sind raus aus der Schule."
Das führte zu einem schwer zu beschreibenden Austausch sehr verstörter Blicken zwischen K., Uzi und mir, denn sowohl Uzi als auch mir wurde in dem Moment schlagartig klar, dass K. den Scheiß ernst nahm, während K. dämmerte, dass er in uns vielleicht doch keine Gesinnungsgenossen gefunden hatte. Von da an spielten wir das Spiel zwar noch eine Weile weiter, aber irgendwie machte es plötzlich lange keinen so großen Spaß mehr. Leider haben wir es - glaube ich - versäumt, mit K. mal ein wirklich klärendes Gespräch zu führen, ich fürchte, wir haben das Thema einfach nicht mehr angesprochen...
Was ich sagen will: unsere Nazirolle mag für Außenstehende zwar sehr echt ausgesehen haben, aber trotzdem meinten weder Uzi noch ich das je wirklich ernst. Zu keinem Moment. Man könnte sagen, wir waren "ironische Nazis", wie die Punks in den 70ern, die sich mit Hakenkreuzen schmückten, einfach nur, weil das garantiert sämtliche Spießer gegen sie aufbrachte. Ich habe jetzt auch kein Patentrezept dafür, wie man Kids davon abhält, tatsächlich ins rechte Lager abzudriften. Ich denke, das geht nur mit viel Liebe und Achtung und Aufmerksamkeit, denn ich glaube tatsächlich, dass es diese drei Dinge sind, an denen es echten Nazis in ihrer Kindheit gemangelt hat.
(via rené)
Eine schöne Anekdote, ich denke, mit Deinem letzten Satz hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen.
Um Ironie und Sarkasmus zu erkennen, ist jedoch Humor die Basis des Fundamentalen. 70 % der Belegschaft einer normalen, landesüblichen Firma verfügen darüber nicht. Das dürfte in Schulen nicht besser aussehen.
https://kummerkomik.com/2017/11/17/memes-auf-facebook-hintergruenden/
neben achtung und aufmerksamkeit sollte man das aufzeigen von regeln und grenzen nicht außer acht lassen. das gilt übrigens nicht nur für jugendliche, die ins rechte milieu abzudriften drohen, sondern auch für das linke milieu. eine einseitige betrachtungsweise ist da wenig hilfreich. wenn jugendliche, heranwachsende und junge erwachsene keine gesellschaftlichen reibungspunkte mehr haben, dann schaffen sie sich welche. das hat g20 eindrucksvoll deutlich gemacht.
Wie lange bleibt der Beitrag und die Kommentare stehen? So lange, wie der/die zur Ausstellung neben Bernd H.s Haus? Länger?
Ah, der Darkthrone - Zug. Die haben auch mal rechte Sprüche geliefert a la "Norsk Arisk Black Metal". 10 Jahre Boykott in den großen Medien waren die Folge. Erst dann hat der, der zuerst geschrien hat, mal nachgehakt - und es kam heraus, dass die Band sich als absolut anti geben wollte.
Deswegen hilft Hysterie nicht gegen rechtes Gedankengut. Wenn jemand wirklich Reibung schaffen will, entwaffnet man ihn einfach mit einem lässigen Grinsen und einem "Red keinen Müll". Hardcore - Faschos kann sowieso niemand bekehren ausser sie sich selbst, und wer nur Aufmerksamkeit will und feststellt, dass er/sie keine Aufregung hervorruft, verliert dann schnell die Lust und sucht was anderes.
@lulli: Ma schauen, ne? Zu der APS-Aktion habe ich inzwischen sogar eine etwas differenzierte (und insgesamt doch wieder eher positive) Meinung, aber damit will ich dich lieber nicht verstören.
@da]v[ax: Ich hatte die positive Meinung zur Aktion die ganze Zeit über und habe sie noch. Verstört hat mich, dass dein Artikel und die vielen (!) Kommentare weg waren. Es ist ja keine Schande, seine Meinung zu hinterfragen, zu ändern, wieder zu ändern...
Ich würde mich freuen, wenn du was dazu schreiben würdest.
@lulli: asoo. Ähm. Ach nee, keen Bock. Kurzfassung: ich finde es gut, dass über Überwachung geredet wird und ich finde es doof, dass sich die Leute über die vorgebliche Überwachung eines Faschos mehr ärgern als über ihre eigene Überwachung. Ich finde es auch gut, einem Tüpen wie dem Höcke ein Mahnmal zum 2.WK vor die Tür zu stellen, denn der hat sich das verdient. Die ganze Kniefall-Nötigung finde ich trotzdem eher ungut.
Vielleicht sollte man sich mal fragen was mit dem aktuellen Feminismus nicht stimmt, wenn es die Unbedarften an Joseph Goebbels(!!) erinnert!
Männerfeindliche Hetze aus der Ecke der Feministinnen, insbesondere der Neofeministinnen, ist dem Gymnasiallehrer (was für ein Klischee LOL!) und Max wohl noch nicht aufgefallen.
Nein, der Frosch ist Nazi!
Lächerlich.
Auch wenn ich Rassismus für eine Meinung halte, ich habe in der Schulzeit im Geschichtsunterricht die RAF verteidigt und damit meine Kontrahenten gefunden. Wobei selbst das auf einer Realschule im ländlichen Raum, kaum Reaktionen hervorgerufen hat. Dort wurden die Menschen herangezogen, die still und unterwürfig ihren Dienst in Amtsstuben und Büros erfüllen. (Ein Trauma, ich lehne auch heute jede angepasste Haltung ab und werde wütend wenn jemand nicht konktrovers denken kann.)
Aber die Begegnungen mit Metaller war damals (ca. 1983/84) immer sehr zwiespältig. Der eine an der Schule war eher Rocker, also damals Rechts, der andere eher Hippie, also Links.
Das führt zu einem Punkt, der zum Thema passt. Für uns war damals das optische Erscheinungsbild wichtig und drückte unsere Haltung gegenüber der Gesellschaft und deren Normen aus. Es bedeutete aber auch, dass man in gewissen Vierteln oder Städten sehr vorsichtig sein musste und immer der Gefahr ausgesetzt war angepöbelt oder angegriffen zu werden.
Aber niemand von uns wäre auf die Idee gekommen zu sagen "es ist unser Recht" mit zerfetzten Klamotten rumzulaufen. Wir wussten ja, wir tun damit etwas gegen ungeschriebene Gesetze. wir fühlten uns Elitär es trotzdem zu tun, obwohl wir angegriffen wurden.
Heute behaupten ja viele Feministinnen, es wäre ihr Recht so oder so rumzulaufen (was andere als "aufreizend" empfinden) und wenn Frauen Nachts durch die Strassen laufen, sollten sie keine Angst haben (müssen).
Was für mich merkwürdig klingt. Zum einen ist da die Frage, an wen ist diese Forderung addressiert?
Die Menschen, die schon damals uns auf der Strasse gestellt haben, sind Menschen die Gewalt und Bedrohung als positives Erlebnis empfinden. Die gibt es auch heute noch und die lassen sich nicht durch gesellschaftliche Diskurse an Hochschulen beeinflussen. Die erreichen vor allem Sozialarbeiter, die deren Sprache verstehen und meist auch erst wenn die Straftaten für die Personen selbst ein Problem werden.
Das heißt DU musstest als Mann schon immer vorsichtig sein, wenn du Nachts unterwegs warst und vor allem, wenn du dich nicht den Konventionen entsprechend kleidest, also auffällig bist. Ich habe früher oft die Strassenseite gewechselt. Was heute von manchen Aktivistinnen als anstößig empfunden wird.
Und das ist das Problem des angesprochenen Feminismus. Es geht nicht mehr darum, dass Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden, sondern deren Forderungen und Analysen sind eine zutiefst weibliche Sicht und enstammen dem mütterlichen Instinkt. (D)Ein Kind darf alles, ist das Beste und muss vor allen Gefahren von dir beschützt werden. Und diese Aufgabe soll der Staat übernehmen und jeden Menschen vor jeder Gefahr beschützen.
(Diese Haltung wird immer populärer auch ausserhalb Feministischer safe spaces und Diskurse. Was ich als eher besorgniserregned empfinde, da es letztlich zum "totalen Staat" führt.)
Das klingt natürlich gut und wir haben oder hatten alle Mütter, die (hoffentlich) das Beste wollten. Aber wir Wissen mittlerweile auch "gut gemeint, ist das gegenteil von gut". Auch negative Erfahrungen sind wichtig. Vor allem für dich und dein soziales Verhalten. Wer eine Gefahr nicht erkennt, hat viele Probleme im Leben.
@struppi:
oh ja ey, dieses Heilversprechen von der totalen Sicherheit... ich kann es echt nicht mehr hören (und habe das ja auch schon kund getan), aber ich bin da nur ein einsamer Rufer in der Wüste