Fragen, die sich mir stellen (162) [update]
Dienstag, 30.7.2024, 09:45 > daMaxIch sitze gerade in einer sehr technischen Schulung und frage mich, ob das Konzept von Black Boxes und White Boxes eigentlich auch einen rassistischen Hintergrund hat oder nicht
Update: also laut Wikipedia hat weder White- noch Black-Box irgendeinen rassistischen Hintergrund, da geht es meiner Meinung nach mehr um das Licht (geschlossene Box, kein Licht, black). Aber hier unten hat sich eine - wie ich finde - ganz gute Diskussion entsponnen, an der ich nur sporadisch teilnehmen kann, weil ich eben in einer mehrtägigen Schulung mit allabendlichem Socializing unterwegs bin. Diskutiert mal weiter, ich schließe mich intensiver an, wenn ich mal ein bisschen Luft habe.
Das frage ich mich jedes Mal, wenn ich im Bus oder Zug noch den Begriff "Schwarzfahren" sehe.
Klare Antwort: Nein.
Denn: Du willst doch nicht Menschen mit Kästen gleichsetzen.
Meinung: Offenbar denkst du latent an Rassismus, insbesondere bei den Farben schwarz und weiß. Denn du stellst diese Assoziation dar, auf die ich niemals gekommen wäre. Da ich dich sicher nicht für rassistisch halte, muss der Grund von außen, also aus den Medien oder deinen Kontakten, deiner Prägung kommen. Folglich wäre denkbar, dass diese Gesellschaft latent rassistisch oder auch „nur“ überfokusiert ist (eben weil es Rassismus gibt). Wer etwa Michael Ende Rassismus vorwirft, weil sein Lokomotivführer schwarz ist, der projiziert hier die eigene Gedankenwelt auf den Autor, der niemals darauf gekommen wäre. Im Gegenteil, aus meiner Sicht hat Ende hier ein Zeichen gegen Stereotypen und Rassismus gesetzt.
Und Protagonisten in Büchern müssen doch wohl auch schwarz (oder was auch immer) sein können. Alles andere wäre Diskriminierung.
Um es klar zu sagen, Stereotypen, also die Zuordnung von Merkmalen zu bestimmten Gruppen um Eigenschaften dieser Gruppen zu postulieren, ist gefährlich nahe am Rassismus und unlogischer Unsinn. Schwarze Boxen haben nichts mit dunkelhäutigen Menschen zu tun. Der Slave im Master/Slave Modell hat nichts mit Sklaven in den USA zu tun. Außer das jemand, dessen Vorfahren von „Mastern“ gequält wurden, der also natürlich schon beim Wort Sklave unabhängig von dessen Verwendung getriggert wird. Darauf muss man selbstverständlich Rücksicht nehmen. Das nennt man Empathie.
So schlimm ich diese Zeit in den USA auch empfinde und so schlimm auch alltäglicher Rassismus hier und heute ist, ich sehe in einem Menschen erst einmal den Menschen und nicht den Chinesen, Briten oder Afrikaner und denke schon gar nicht schwarzweiß. Hoffe ich jedenfalls...
@Andreas Moser: etymologisch gesehen wohl nicht, im heutigen Kontext trotzdem schon wieder irgendwie.
@Joachim: oh aber natürlich kommt das Master-Slave-Konzept direkt aus der düsteren Sklavenhalterzeit, da gibt es überhaupt kein Vertun und mMn auch keine Entschuldigung für. Sowas kann man wunderbar durch leader-follower / hive-drone oder zig andere Dinge ersetzen. Gleiches gilt für black- und whitelisting, das eine direkte rassistische Konnotation hat.
Ob ich Menschen mit Kästen gleichsetzen will, steht für mich gar nicht zur Diskussion. Was ich halt nicht will, ist, unbewusst rassistische Stereotype zu bedienen bzw. rassistische Sprache zu verwenden. Nachdem ich "Exit Racism" (das ich übrigens jedem und jeder dringend ans Herz legen möchte) gehört habe, bin ich einfach deutlich mehr sensibilisiert für diese kleinen alltäglichen Rassismen, die sich in unsere Sprache eingeschlichen haben und die ich nicht mehr verwenden will. Beim Thema Black- und White-Box bin ich im Moment noch unschlüssig
Klar müssen sie das sein können. Sie müssen dabei aber halt nicht Stereotype bedienen, und ich fürchte, das ist im Falle so mancher Kinderbücher halt eben doch so, weil das damals halt noch so "normal" war. Der N*-König ist halt einfach rein vom Wort her schon rassistische Kackscheiße, da beißt die Maus keinen Faden ab und ich weine ihm zugunsten eines Südseekönigs keine Träne nach
Und jetzt muß ich zu einem blauen Einhorn werden oder wie? Gelb und rot geht ja auch nicht.
In Bezug auf Kinderbücher empfinde ich die jetzt vorkommenden nachträglichen Korrekturen als Zensur, vor allem, wenn die Geschichte dann stark verändert wird. Außerdem unterstellt man damit ausgerechnet jemanden wie beispielsweise Astrid Lindgren Rassismus - und noch dazu kann sie sich nicht mal mehr wehren. Autoren wie Henry Rider Haggard - die den Vorwurf auch schon um die Ohren geschlagen kriegten - würde ich NICHT verändern.
Vor einiger Zeit gab es doch mal Aufregung, weil Ferrero ihre Küsschen als limitierte Edition mit weißer Schokolade angeboten hat... Solche Diskussionen schaden der Sache genauso wie beispielsweise die Forderung von PETA, Karusselpferde (aus Holz wohlgemerkt) abzuschaffen - auch wenn das jetzt ein Ausrutscher in den Tierschutz war.
Offenbar hast du meinen Post nicht verstanden. Du bist es, dem da rassistische Gedanken kommen - warum auch immer. Jim Knopf bedient definitiv keinen Stereotyp. "N*-König" ist erst einmal ein Wort, dass vor 100 Jahren Farbige selbst benutzt haben. Warum man es heute nicht benutzt, dass habe ich mit Empathie begründet. Selbstverständlich tut man das nicht. Deshalb war Astrid Lindgren noch lange keine Rassistin. Genau deshalb ist es nicht möglich, Bücher nachträglich zu manipulieren. Da könnte man die ja auch gleich verbrennen. Ich meine, es gibt Morde und Kriege und alle unmöglichsten Dinge in Büchern. Aber Lindgren oder Ende wird Rassismus unterstellt? WTF?
Aber es ist schon recht dreist, mit bei einem Wort rassistisch Gedanken zu unterstellen. Es ist der Untersteller, der da (in der Regel, wenn nicht selbst betroffen - betroffen im weitesten Sinn) selbst falsch assoziiert. Bleiben wir lieber bei den Tatsachen. Es gibt genügend Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung in unserem eigenen Land. Da müssen wir nicht über Boxen sprechen sondern uns dem entgegen stellen. Sonst lenkst du vom eigentlichem Problem nur ab, machst es also schlimmer.
Btw. Ich habe darauf bestanden, dass unser git-Hauptzweig nicht mehr Master sondern main genannt wird. Ich sehe das Problem durchaus.
@Schwarzes_Einhorn:
Wieso kann ich eigetlich nicht korrigieren...?
Oh - ich glaube, ich bin, weil ich so lange zum Schreiben gebraucht habe, in euren Dialog gerutscht. Sorry.
Ich unterstelle weder Astrid Lindgren noch sonst jemand hier, Rassist zu sein. Wirklich, ich möchte euch alle bitten, Exit Racism zu lesen oder zu hören, dann werdet ihr mich besser verstehen.
Es geht darum, rassistische Worte nicht mehr zu verwenden und das N-Wort steht nunmal an erster Stelle und zwar völlig egal, ob man es bewusst benutzt, um Menschen zu diskriminieren oder unbewusst und blauäugig.
Nein, liebes Einhorn, du musst deine Farbe nicht wechseln.
Echt, an alle: lest oder hört Exit Racism mit offenem Herzen und ihr werdet verstehen, warum ich mir Gedanken darüber mache, welche Sprachkonzepte ich weiter verwenden will und welche nicht. Es geht wirklich nicht darum, irgendjemanden als Rassist abzustempeln, es geht nur darum Rassismen abzuschaffen. Und sich darüber klar zu werden, wie sehr WIR ALLE rassistisch sozialisiert wurden.
Speziell @Joachim: es gibt darin ein eigenes Kapitel über genau dieses Phänomen, dass Leute sofort denken, man würde sie für Rassisten halten und sich sofort dagegen verwehren, obwohl sie niemand je als Rassisten bezeichnet hat. Wirklich wahr, dieses Buch hat mich verändert und ich bereue es nicht. Ich bin halt nur leider nicht mehr in Happyland (auch das erschließt sich erst, wenn man sich mit dem Buch auseinandersetzt). Das Buch ist oftmals schmerzhaft, aber das ist ein heilender Schmerz. Glaubt mir.
@Joachim:
Hallo Joachim!
Schön dass hier mal wieder eine angeregte und respektvolle Diskussion entsteht- bei Diskriminierungsthemen keine Selbstverständlichkeit.
Ich LIEBE Astrid Lindgren und sie hat Mädchen, Kindern allgemein immens gedient, ihr Blick auf Kindheit war der Zeit seit voraus.
Dennoch wurde sie geboren zu einer Zeit, als fast jedes Land dieser Welt europäisch kolonisiert war und die sogenannte „Rassenlehre“ (pseudo) wissenschaftlicher Konsens war.
Da ich beruflich im Bereich Anti Rassismus Anti Diskriminierung tätig bin und für eine Schule eine antidiskriminierende Bibliothek mit aufbaue, habe ich einen Text über Kinderbuch Klassiker geschrieben.
Einen Teil kopiere ich hier mal rein, den ich finde es ist wichtig differenziert darauf zu blicken, Astrid Lindgren nicht zu verurteilen und zu cancel , aber auch nicht frei zu sprechen ohne sich etwas intensiver mit den Büchern und dem Thema auseinandersetzt zu haben. In meinen Text habe ich die problematischen Zitate auch gesammelt, und das geht weit über die Verwendung des N*Wortes hinaus.
Mist ich merke gerade ich kann aus dem PDF nicht kürzen, ich schick jetzt mal den Kommentar ab und versuche es anders.
Edit: ich schaff es nicht Max, ein pdf auf den Handy wieder so umzuwandeln, dass ich Text kopieren kann.
@anneloewe: Dank für den angenehmen Ton. Wenn ich auf dem Handy lange auf den Text "drücke" gibt es bei mir die Option alles zu markieren und zu kopieren. Aber keine Ahnung, welche App da PDF darstellt (ist nicht mein Phone). Auf den Text bin ich sehr gespannt.
@daMax: Ich will dich gar nicht kritisieren. Ich habe Meinung darüber geschrieben. Es ist vollkommen klar, dass du da offensichtlich nichts falsch machst. Allerdings gehst du auch nicht auf meinen Post ein ...
@anneloewe: schick mir das PDF zu, ich veröffentliche es gerne
@Jochim:
Tu' ich nicht? Tu' ich doch schon so ein bißchen. Mach' ich aber gerne auch noch näher, nur vielleicht eher am Donnerstag Nachmittag, meine Tage sind im Moment etwas voll (ich komme gerade eben erst wieder im Hotel an, can u believe that). So Schulungswochen haben es manchmal echt in sich...
@Schwarzes_Einhorn (6): kannste nicht? Geht hier schon... aufm Android Handy. Leider scrollt das Editierfeld nicht so richtig aber wenn mal den "Cursor" zieht, kann man sich behelfen.
So, nach einigem hin und her, stellt daMax jetzt einfach den ganzen Text hier rein, da alles andere irgendwie zu kompliziert ist.
Der Text ist an das Lehrer:innen Team einer Schule gerichtet, bei denen ich mir ein paar anderen Menschen Bücher (aus)sortiert habe.
Der Teil über Pippi Langstrumpf ist leicht zu finden, da er die Überschrift Pippi Langstrumpf trägt
Es geht auch um allgemeine Gedanken zum Thema- wie gehen wir mit Texten um, die rassistische/sexistische/ableistische usw. Gedanken reproduzieren, die aus einer anderen Zeit stammen. Spoiler alert: es gibt keine allgemeine, einfache Antwort.
Und da Jim Knopf hier ja auch schon genannt wurde: ein Teil des Textes bezieht sich auch auf dieses Buch.
@anneloewe und @alle: hier der komplette Text: https://blog.todamax.net/wp-content/uploads/2024/07/GeliebteKlassiker.pdf
Oh noez! Sie haut meinen geliebten Janosch kaputt. Buhuhu. Ich will aber in Happyland bleiben!!1! Buhuhu.
@anneloewe: Sorry für meinen zu langen Post. Doch das Thema ist wichtig!
Ich denke, deine Analyse greift zu kurz. Aber der Reihe nach.
Zustimmung zu "Ich plädiere dafür hier die Perspektive von Kindern einzunehmen, die von Rassismus betroffen sind". Das ist aus meiner Sicht absolut korrekt und notwendig. Allerdings hat Astrid Lindgren meisterhaft die Perspektive eines Kindes ihrer Zielgruppe angenommen.
Ich denke auch, dass die Beschreibung der Zeit Astrid Lindgrens korrekt ist. Europa und die USA waren (und sind) nicht nur rassistisch. Deutschland (Namibia) und Belgien etwa betrieben Völkermord, der bis heute nicht aufgearbeitet ist.
Um aber klar zu machen, was Lindgren da mit Pippi Langstumpf versucht hat mal etwas von meinen Kindern. Denen habe ich (und tu es noch, wo sie lange erwachsen sind) immer wieder Geschichten erzählt. Einmal "Amerika gibt es nicht" mit dem Spin, woher weißt du, dass es Amerika gibt?
Denn Kinder haben ein andere Verarbeitung von Wahrnehmung. Sie nehmen alles wörtlich. Wenn ich als Vater sage, Amerika gäbe es nicht, so ist das erst einmal unumstößlich wahr. Die Geschichten sollten ihnen klar machen, dass man nicht immer alles glauben darf, was man denkt. Maßlose Übertreibung macht (je nach Alter) Kinder klar, dass es eben gar nicht so sein kann, wie in den Geschichten. Eine Tochter hat vielleicht gerade wegen dieser Geschichten soziale Arbeit studiert.
Szenen aus Pippi Langstumpf, wie die Unterwerfung der Eingebohrenen und der Reaktion von Pippi darauf, machen eindeutig klar, wie Lindgren da denkt. Relativierung der scheinbaren Wirklichkeit ist die Essenz des Buchs und die Grundidee. Lass dir nichts Erzählen, von niemanden, auch nicht von "Autoritäten" oder noch so tollen Leuten. Glaub nicht einfach alles, was dir "heldenhaft" erscheint. Oft genug zweifeln Thomas und Annika als Identifikationsfiguren für die Leser (die natürlich lieber Pippi wären, aber real klar Thomas und Annika ähneln).
Jede Verwendung des Worts "N████" in diesem Buch ist Protest, so maßlos übertrieben, dass Kinder zwangsläufig relativieren müssen. Die Stereotypen werden dadurch entkoppelt und als kompletter Unsinn entlarvt.
Ob das nun in jedem Fall gelungen ist, das sei dahingestellt. Diese Übertreibungsmethode ist ein zweischneidiges Schwert. Nicht jedes Kind und nicht jeder Erwachsene sind in der Lage, da zu relativieren. Nur, wer will es Lindgren übel nehmen, an Kinder zu glauben und ihren Wunsch, sie stark zu machen anzweifeln? Niemand ist perfekt. Und jeder Autor hat eine Zielgruppe. Leider sind die Kinder der Leute aus Gambia, die ich kenne, zu alt und zu schlau, zu "deutsch", um deine Thesen des "Triggerns" an ihnen zu testen (und ich frage mich sowieso was aus ihnen geworden ist. Liebe Grüße an das "nicht Winterkind").
Wer diese Geschichten von Pippi wörtlich nimmt, die Symbolebene nicht versteht, dem ist vermutlich gar nicht mehr zu helfen. Der denkt auch, dass der Boden nass wird, wenn im TV eine Vase umfällt.
Man kann das Buch so verstehen, wie du das beschreibst. Man kann von den Übertreibungen getriggert werden. Doch das hat einen Zweck: Tu sowas niemals! Es ist nicht real! Wir leben nicht in einer Traumwelt! Allerdings sind Träume schön. Habe gute Träume!
Ja, das kann fehlschlagen. Doch das geschieht im Kopf des Lesers. Wenn ein Leser das nicht verstehst, dann liegt das am Leser!
Es gibt wenigstens drei Gründe das Wort N-Wort nicht mehr zu verwenden.
1. Es triggert Betroffene und verletzt sie.
2. Es wird in disriminierender Weise genutzt (gerade böse und selten dämlich erlebt)
3. Wir sollten die Bezeichnungen für Menschen nutzen, die sie sich selbst geben. Eine Frage des Respekts.
Doch wenn die Welt sich 1941 (und heute) nicht daran hält, so muss ich als Schriftsteller dagegen angehen dürfen. Ich muss die Lügen entlarven können. Wenn Rassisten "N████" schreien, dann muss ich dem etwas entgegen setzen dürfen! Denn sie haben das Wort genutzt. Wie soll ich einen Gebrauch eines Wortes, das jeder verwendet, unterbinden, ohne das Wort in die Regel zu schreiben? Gerade 1941! Und gerade vorhin, also bis heute!
Ein zweiter Punkt: Es steht niemanden an, am Werk eines Schriftstellers herumzudoktorn. Das durchaus problematische Urheberrecht ist in dem Fall mal korrekt. Doch als Leser hast du die Möglichkeit, das Buch nicht zu kaufen und zu kritisieren. Alternativ kannst du ein besseres Buch schreiben. Bei Pippi Langstumpf müsstest du allerdings dafür schon sehr sehr gut sein.
TL;DR: es wäre klug beim Lesen eines Buchs ein wenig Verstand einzuschalten und die Dinge nicht aus dem Kontext zu reißen. Literatur muss den Finger in die Wunde legen! Und das soll weh tun. Sonst nutzt es nichts! Willst du das verbieten? Dann verbietest du die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Anmerkung der Redaktion: ich habe mir erlaubt, das N-Wort zu zensieren. VG, daMax.
@Joachim:
Ich hab gerade wenig Zeit, da wir uns aber wohl einig sind, dass das N*Wort aus Gründen des Respekts nicht verwendet werden sollte (von Menschen die nicht von Rassismus betroffen sind), möchte ich Dich bitten, Deinen Text entsprechend zu verändern , denn da steht es nun ausgeschrieben.
@anneloewe:
a) kann ich das nicht ändern (wüsste nicht wie)
b) ist es eine Tatsache, dass ein dummer Mensch das Wort heute in einem klar nicht zu akzeptierendem Kontext hier in der Öffentlichkeit verwendet hat. Das muss ich anprangern dürfen. Wenn dir das weh tut, so geht es dir wie mir. Doch gerade deshalb schwärze ich nicht die Realität.
Btw. Max, du hast hier das Hausrecht. Aber du hast nicht das Recht meine Texte zu verändern. Du kannst das löschen, ist okay. Das nehme ich sicher nicht übel! Aber du kannst nicht gegen meine wohl überlegtre Absicht verstoßen.
Mögen die Arschlöscher, die diese Worte unreflektiert und rassistisch verwenden daran ersticken!
Hi Joachim, wie schon erwähnt, ich kann heute aus Zeitgründen nicht an der Diskussion teilnehmen. Ich habe mir erlaubt, das N-Wort zu zensieren, das ändert an deinem Text glaube ich nix. Oder? Weitere Veränderungen habe ich nicht vorgenommen.
@daMax: Schon okay. Eigentlich hast du aus deiner Sicht klug gehandelt. Deine Schwärzung hier ist okay. Nur du darfst das! Jeder andere hätte die volle Breitseite abgekriegt.
Trotzdem, das was du da gemacht hast ist typische Zensur mit schwarzem Balken. Was würdest du mit einem Text von mir tun, der Judenhass in Deutschland wörtlich zitiert, um zu belegen, wie fatal das denn ist?
Bitte nachdenken! Es ist nicht möglich mit zweierlei Maß zu messen. Oder meinst du, mit dem schwärzen sei das Böse aus der Welt entfernt?
@anneloewe: Kurze Antwort: Ich denke, wir sind uns nicht nur da einig. Die Ziele sind identisch.
Nur, ich hau den Rassisten ihre eigenen miesen Äußerungen um die Ohren, statt sie stillschweigend unter den Tisch zu kehren. Keine Toleranz in diesem Punkt. Dafür (und viel mehr) sind Lindgren und Ende mit verantwortlich - ich bin dankbar dafür.
Und nun, wo ich deinen @anneloewe Text zuende gelesen habe: Ab Janosch - den ich als Kind schon nicht mochte - nahezu 100% Teil Zustimmung. Vor Janosch verstehe ich den Spin, die Motivation, sehe aber Details anders, interpretiere die Texte anders. Dennoch ist da definitiv eine mögliche Sicht, die man (also ich!) im Hinterkopf behalten muss.
Dank dafür (und, wenn ich das sagen darf: gut und plausibel geschrieben - finde ich).
@Joachim:
Danke - für die Zeit, die Du Dir genommen hast das zu lesen und für Dein Kompliment.
Fragen, die sich mir (immer noch) stellen:
Aber was tun wir nun damit?
- Ist "s/bösesWort_n/b_Wort/g" (* siehe unten) denn die richtige Antwort?
- Was ist eigentlich der semantische Unterschied zwischen dem Ersatz-X_Wort und dem Original?
- Wer entscheidet das für wen?
- Was ist mit den Rechten der Autoren an ihren Werken?
- Lassen wir vielleicht eine KI darüber entscheiden?
- Lösen technische Maßnahmen soziale Probleme?
(*) das ist ein regulärer Ausdruck und gibt einem Programm den Befehl alle Vorkommnisse von "bösesWort_n" gegen "b_Wort/ zu ersetzen.
Womit mensch wohl dauerhaft leben muss, ist der Umstand, dass es keine allgemein gültigen, immer richtigen Lösungen gibt.
Für mich persönlich ist entscheidend, ob Bezeichnungen Selbst - oder Fernbeziehungen sind. Und da Individuen nun mal verschieden sind, mögen nicht alle die gleiche Bezeichnung für sich. Dennoch gibt es politische Selbstbeheichnungen, die aus aktivistischen Bewegungen kommen, die gleiche Rechte voranbringen, an die ich mich als nicht Betroffene Person halten kann. Doch die sind eben auch nicht absolut und immer für jede Person richtig.
Beispielsweise mögen viele Menschen, die in ihrer Geschlechtsidentät oder sexuellen Orientierung von der Heteronormativität abweichen den Begriff „queer“ für sich. Queer war ehemals eine abwertende Fremdbezeichnung der heteronormativen Gesellschaft für schwule Männer.
Manche, oft ältere, schwule Männer mögen den Begriff aber für sich nicht, weil sie die Zeit miterlebt haben, als der Begriff noch abwertend als Fremdbezeichnung benutzt wurde. Anderen geht es so mit dem Begriff „schwul“ ,der eigentlich lange eine Selbstbezeichnung war, inzwischen inflationär benutzt wird um auszudrücken, dass etwas doof ist.
Für mich, als nicht Betroffene bedeutet das, dass ich mir die politischen, aktuellen Selbstbezeichnungen aneigne und verwende und mir BEWUSST bin, dass sie wandelbar und womöglich nicht für alle perfekt sind.
Im Falle des N*Wortes zeige ich dadurch, dass ich es konsequent nicht ausspreche sondern die Selbstbezeichnungen Schwarz /Black (mit großem Anfangsbuchstaben) und Person/People of Color benutze, dass ich verstehe und anerkenne, dass struktureller Rassismus real ist.
Darum geht es in erster Linie, meiner Meinung nach, am meisten bei sprachlichen Veränderungen. Wenn mein gegenüber gendert, verstehe ich, dass es eine Grundsensibilisierung dafür gibt, dass die Welt für mich, als cis weiblich gelesene Person nicht die gleiche ist wir für eine cis männlich gelesene Person. Dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt.
Verweigert mein gegenüber das konsequent und besteht darauf, dass das „genetische Maskulinum“ (der Begriff wurde erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts überhaupt erst als Gegengewicht erfunden, als nämlich die feministische Linguistik aufkam) auch Frauen inkludiert, bedeutet das für mich als FLINTA* Person, dass diese Person wahrscheinlicher andere, nicht binäre Geschlechtsidentäten nicht anerkennt und ich beispielsweise weniger wahrscheinlich meine spezifischen Erfahrungen als Frau in dieser Welt gerne teilen möchte, da ich die Erfahrungen gemacht habe, Sexismus Erfahrungen rechtfertigen und erklären zu müssen.
Die Sprache, die Begriffe, das Verwenden von Selbstbezeichnungen signalisieren meinem Gegenüber, dass ich seine:ihre Marginalisierungserfahrung als real anerkenne.
In Bezug auf meine Kinder, verankert sich eine andere gedachte Realität in ihren Köpfen von Anfang an. Das löst alleine ganz sicher nicht strukturelle Diskriminierung. Aber es ist ein Puzzle Teil.
Und sehr oft bedeutet es für mich auch, dass ich (für mich) neue Begriffe, zum ersten Mal höre und dann schnell mal google um sie einordnen zu können. Einfach weil es mir wichtig ist und am Anfang jedes antidiskriminierenden Denkens und Handelns steht, die Selbstbezeichnung meines Gegenübers zu kennen und die Erfahrung und Perspektive, auf der eine Person spricht, anzuerkennen.
@anneloewe:
Sag mal Toyama, seit wann kann der eigene Text denn nicht mehr editiert werden? Ich wollte jetzt noch ein paar Tippfehler beseitigen…
Schau, jetzt hat meine Autokorrektur am Handy sogar aus todaMax was ganz anderes gemacht! Schon schlimm, ey.
Die zweite Frage, die Rechte der Autor:innen betreffend:
Es gibt - surprise- keine Antwort und übrigens auch kein Problem. Denn es ist nicht so, dass wir jetzt inflationär historische Texte verändern wegen Wokeness.
Vereinzelt ist dies in KINDERBÜCHERN geschehen- mir sind genau zwei Beispiele bekannt. In Pipi Langstrumpf hat der Verlag sich für den Begriff Südseekönig entschieden, in „Die kleine Hexe“ haben die Nachkommen des Autors einen Leserbrief eines Vaters eines von Rassismus betroffenen Kindes zum Anlass genommen einen einzigen Begriff im ganzen Buch zu verändern.
Ein bisschen ist es eine Derailing Strategie, wenn wir (_weissen_) Menschen über Rassismus in (Kinder)Büchern diskutierten, immer eine Diskussion über geänderte Texte und Autor:innen Rechte vom Zaun gebrochen wird.
Die wenigsten Menschen, die ich kenne, die in der antirassistischen Arbeit tätig sind, wollen nachträglich Bücher ändern. Bzw. Ich kenne niemanden der das konsequent in vielen Büchern will.
Vielmehr geht es darum, zu verstehen und anzuerkennen, dass in Büchern rassistische Narrative erfunden, aufgeschrieben, verlegt, verbreitet wurden und diese Sprache und Perspektive uns mit sozialisiert hat.
Und was zu ändern ist, sind nicht alte Bücher.
Sondern zum Beispiel die Auswahl NEUER Bücher in einem Kinderzimmer. Die Auswahl der Literatur für Schulklassen, dass, wenn wir in der Schule Rassismus als Problem vermitteln wollen, wir nicht Texte benutzen müssen, die Rassismus reproduzieren und von nicht berufenen Menschen geschrieben wurden. Dass es eben auch Literatur #ownvioces gibt, die ausgewählt werden können. Dass wir mal mitdenken, dass es für ein von Rassismus betroffenes Kind einen Nachteil in einer Prüfung bedeuten kann, wenn es mit rassistischen Begriffen konfrontiert wird in einer Prüfung, da dies eine Retraumatisiering bedeuten kann.
Dass der Spiegel, wenn er 12 Bücher als Urlaubslektüre vorstellt, nicht 8 von _weissen_ Männern aussucht und 4 von _weissen_ Frauen, sondern vielleicht mal NUR Autor:innen , die marginalisiert sind.
Dass ich meinen Kindern vielleicht Bücher, die ICH geliebt habe, trotzdem nicht vorlese, weil ich rassistische Hierarchie und Stereotype nicht in der nächsten Generation verankern will.
Dass eine Bibliothek, wenn sie neue Titel anschafft, gezielt schaut, dass Titel hinzukommen, in denen marginalisierte Autor:innen zu Wort kommen.
Dass wir, wenn wir Imanuel Kant lesen, auch darüber sprechen, dass ER mit „Menschen“ durchaus nicht Menschen meinte, sondern nur europäische, _weisse_ Männer. Keine Frauen, keine Kinder und keine nicht-Weißen Menschen. Dass es anderen - BIPoC, Frauen *, queeren Menschen, Menschen mit Behinderungen und ihrem Aktivismus und ihren Allies zu verdanken ist, dass der humanistische GRUNDGEDANKE, der auf Immanuel Kant zurück geht, heute mit mehr Leben gefüllt ist und auch wirklich Menschen, wie in alle Menschen, gemeint sind.
Ich finde das alles garnicht so kompliziert. Es geht doch letztlich darum, wer bekam bisher wieviel Raum, Sendezeit, Verlagszusagen, Druckerschwärze, Echoraum.
Das Internet hat es möglich gemacht für marginalisierte Menschen sich auch hörbar zu machen, ohne dass eine Person mit Macht, bestimmt, ob etwas gesendet, gedruckt, verlegt wird.
Und das ist gut so.
Nun geht es darum, in weiteren Bereichen, Print, Bücher, Filme, Serien, Führungspositionen, Wissenschaft….. ebenfalls Zugänge zu schaffen für Menschen, die gesellschaftliche Markierungen erhalten haben. Und das geht über BIPoC hinaus.
@anneloewe: Das muss ich alles noch sacken lassen. Dank für deinen Text und die Anmerkungen und für die Zeit, die das gekostet hat.
Das Fazit meiner Überlegungen dazu war: anneloewe, es gäbe viel zu diskutieren, einige deiner Aussagen empfinde ich wirklich als problematisch. Doch in letzter Konsequenz sind deine Schlussfolgerungen alternativlos oder wenigstens ein gangbarer Weg. Ich werde also schweren Herzens in Zukunft im Zweifelsfall gendern - falls es nicht sowieso eindeutig ist (und einige Konsequenzen mehr ziehen).
Ich will aber betonen, das wir nicht streiten und sind erst recht keine Gegner sind. Deine Sicht empfinde ich als Gewinn. Zunächst verweise ich lieber auf deinen Text statt möglicherweise kontraproduktiv alles "auseinander zu nehmen". Falls du dennoch diskutieren willst, dann tu es einfach. Mich würde das sicher interessieren. Wenn nicht, dann einfach „High Five“. Schön, dass es solche Menschen bzw. eine solche reflektierte Sicht gibt.
Weil meine Nichtantwort gerade missgedeutet werden könnte - denn das ist jeder Antwort wert - doch eine kleine Anmerkung zu
„.. von Rassismus betroffenes Kind einen Nachteil in einer Prüfung bedeuten kann“
Ohne Zweifel. Das darf keinesfalls geschehen. Doch was tut ein deutsches Kind, wenn es in einer Klausur mit der Zeit nach der Weimarer Republik und dem Massenmord an „Juden“, „Behinderten“, Sinti und Roma und politischen „Gegnern“ konfrontiert wird? Was ist mit dem Tagebuch der Anne Frank? Ein Kind in einer OGS strich Bilder der Nazizeit wie wild panisch durch.
Wenn das zu einem Problem wird, dann sind dem Lehrer die Ohren langzuziehen! Scheuklappen sind keine Alternative. Lesekompetenz heißt die Alternative, bei neuen und bei alten Büchern gleichermaßen. Allerdings darf man Kinder natürlich nicht mit Medien alleine lassen.
Doch Lehrer sind definitiv keine Übermenschen. Ich verstehe also dein Argument als notwenigen Pragmatismus und das kleinere Übel. Und ja, man kann Kinder überfordern und sieht ihre Welt als Erwachsener nicht unbedingt.
@Joachim: Oh Mist, genern ist offenbar nicht so einfach. Ich will eine Korrekturmöglichkeit - nicht wirklich max, ich stehe zu meinen Fehlern.
@Joachim:
Danke für Deinen wertschätzenden Kommentar.
Es geht btw nicht darum immer perfekt zu gendern. In meinen Beispiel meinte ich Menschen, die oft sehr leidenschaftlich und vehement und mit den absurdesten Argumenten (Grammatik usw.) dagegen ankämpfen, dass Sprache barrierefreier und inklusiver gestaltet wird.
Ich freue mich aber immer sehr, wenn zum Beispiel ein männlicher Vorgesetzter mal ein bisschen gendert, denn es zeigt mir, dass er sich damit beschäftigt hat.
Wir alle brauchen Allies 🩷
@anneloewe: OT, ein wenig: Manchmal schreibe ich Geschichten. Ja seht ihr immer hier? Okaaay, das meine ich aber nicht
Ich meine in dieem Fall eine Gechichte für (kleine) Kinder. Eine Art "Novelle" in der auch ein bekanntes Märchen steckt. Es hat mich schon immer gestört, wenn Prinzenfrösche sich einfach eine Nacht im Bett einer Prinzessin erpressen. Aber so ging das Märchen und die Rahmenhandlung war real. Nach der "Sensibilisierung" hier konnte ich den S-Wort ins positive verkehren. Die Geschichte hat deutlich gewonnen.
@anneloewe: Ja, offenbar brauchen wir alles. Dank auch an Max
Da ist man mal 2 Tage im Auto unterwegs und ihr geht ab hier ich beteilige mich evtl später gerne an eurer Diskussion, nur im Moment bin ich noch mit Ankommen im Urlaub beschäftigt
@daMax: Na aber dann ganz viel Spaß im Urlaub
So, liebe Leute, jetzt ist es mir endlich gelungen, meinen Laptop in das hiesige WLAN zu kriegen und ich habe ein paar Minuten Zeit, um mich hier zu beteiligen. Die liebe anneloewe hat mir ja schon viel Überzeugungsarbeit abgenommen, also beschränke ich mich auf ein paar unbeantwortete Fragen direkt.
@Joachim (2):
Ich denke, so einfach ist es leider nicht. Wir alle verwenden immer wieder Begriffe, deren rassistischer Hintergrund uns oftmals einfach überhaupt nicht klar ist und ich stelle hier einfach nur die Frage nach dem Hintergrund eines Begriffs. Beim "blacklisting" setze ich nicht Menschen mit Listen gleich, verwende aber eben einen Begriff mit rassistischem Hintergrund, auch wenn ich das "gar nicht so meine". Würde ich statt dessen von "blocklisting" sprechen, hätte ich a) einen viel genaueren Begriff verwendet, der klar beschreibt, was er meint und b) Rassismus vermieden.
Zu weiteren etymologischen Überlegungen hinsichtlich "black box" und "white box" siehe mein Update des Posts.
Yep, so isses und das aus Gründen.
Yep, so isses, und das ebenfalls aus Gründen Ich denke, der Rest von Kommentar 2 wurde hier schon zur Genüge beantwortet, ein paar Dinge kommen aber auch hier unten nochmal zur Sprache.
@Joachim:
Danke danke Eine kleine Breitseite bzgl. "Zensur" schiebst du trotzdem hinterher, ich erlaube mir, das mit der Antwort auf Kommentar 25 mit abzufrühstücken.
@Joachim (25):
Weiß ich nicht. Aber nachdem ich "Exit Racism" gehört habe, kann ich die Sicht verstehen, dass es gut ist, solche Worte einfach nicht mehr auszuschreiben, damit die Originalwörter auf lange Sicht quasi "verschwinden" bzw. damit Menschen, die davon betroffen sind, nicht ständig damit konfrontiert werden müssen.
"Exit Racism" gibt es bei Deezer und bei Spotify zu hören, wo ihr das Buch zu kaufen bekommt, kriegt ihr sicher selber raus. Die Website heißt (oh Wunder) https://www.exitracism.de/ und ich kann allen Beteiligen und Mitlesenden echt nur raten, sich das mal in Gänze rein zu ziehen. Auch wenn (oder gerade weil) es teilweise weh tut, weil man eben mit seinem eigenen Verhalten bzw. seinen eigenen Privilegien konfrontiert wird und das ist leider nicht immer angenehm.
Was ihr alle nicht wisst: ich verheimliche euch trotz Blog immer wieder Dinge aus meinem Privatleben, weil sie eben hier nichts zu suchen haben. Ein Detail aus meinem Leben: meine Schwester ist adoptiert. Sie wurde grob gesagt "im Südpazifik" geboren, hat dunkle(re) Haut und sieht halt anders aus als die meisten Menschen in Europa. Und was sie alles an Rassismus einstecken musste (und immer noch muss), geht auf keine Kuhhaut. Sie war eine Zeit lang in Kanada und dort erlebte sie zum ersten Mal wie es ist, wenn du nicht die ganze Zeit wegen deines Aussehens anders behandelt wirst. Es geht dabei nicht mal so sehr um den ständigen offenen Rassismus (Beleidigungen usw), sondern eben auch sehr um den inhärenten Rassismus. Du wirst anders angeguckt und behandelt, musst dir ständig die "Ursprungsfrage" ("Wo kommst du her?" ... "Nein, ich meine ursprünglich?") gefallen lassen und wo weiter. Das macht was mit dir, glaubt mir. Und in Kanada hat sie zum ersten Mal erlebt, wie es ist, sich nicht ständig so etwas ausgesetzt zu sehen.
"Exit Racism" hat mir viele Dinge vor Augen geführt, die ich längst schon wieder vergessen und/oder verdrängt hatte. Deshalb bin ich jetzt auch wieder deutlich mehr für dieses Thema sensibilisiert und stelle mir eben solche Fragen wie die, an der sich die Debatte hier entzündet hat. Interessanterweise kamen in der Debatte hier eben genau jede Reflexe zum Tragen, die das Buch beschreibt, zum Teil wirklich eins zu eins. Vor allem dieses "Was?!? Du nennst mich einen Rassisten?!?" bzw. hier eben "Was?!? Du nennst Astrid Lindgren eine Rassistin?!?", obwohl das hier niemand tut
Ich denke, Rassismus ist für uns Happyländer sowas wie Wasser für einen Fisch (nein, nicht überlebensnotwendig, so weit geht das Gleichnis nun echt nicht): wir leben so sehr darin und sind so sehr davon umgeben, dass wir diesen Rassismus überhaupt nicht mehr wahrnehmen und uns auch nicht vorstellen können, wie eine Welt ohne Rassismus überhaupt aussieht. Ja, wir alle sind hin und wieder Rassisten, weil wir uns eben rassistisch benehmen, ohne dass da immer irgend eine Absicht dahinter stecken muss. Wenn jemand rassistische Begriffe verwendet (oder deren Verwendung verteidigt), benimmt er sich rassistisch, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ist dieser Mensch nun Rassist? Zeitweise ja Und genau da sollten wir ansetzen, wenn wir "aus dem Rassismus aussteigen" wollen.
Aber mal zurück zum Kontext:
Wie schon gesagt: es geht darum, rassistische Sprache konsequent zu vermeiden, um von Rassismus betroffenen Menschen zu ersparen, ständig retraumatisiert zu werden. Das ist schon alles. Wie auch @anneloewe (29) schreibt:
Erkennen, einsehen, darauf hinweisen und in Zukunft vermeiden. Ich denke, genau so geht Veränderung vonstatten.
Du für dich.
Keine Ahnung. Die noch lebenden Autor:innen können das für sich selbst entscheiden, bei toten Personen kann das die Erbengemeinschaft entscheiden, bei gemeinfreien Werken weiß ich es auch nicht. Ich bin ein weißer cis hetero Blogfuzzi mit IT-Hintergrund, kein Jurist anneloewe hat da ja schon viel zu geschrieben.
LOL. Das war bestimmt eine rhetorische Frage, ne?
Und das hier, lieber Joachim, ist leider klassisches Derailment, auch wenn dir das vielleicht nicht mal wirklich bewusst ist bzw. du es (hoffentlich) nicht absichtlich einsetzt. Erst stellst du selber die Frage nach technischen Lösungen, um dann direkt die Frage nach der Sinnhaftigkeit dessen hinterher zu schieben. Als wäre die Antwort auf die erste Frage automatisch ein "ja" und könnte dann direkt wieder infrage gestellt werden. Auf eine solche Strategie gehe ich nicht mehr ein, denn dafür ist mir meine Zeit zu schade. Solche Strategien sind (bewusst oder unbewusst!) nur darauf aus, von der eigentlichen Thematik weg zu führen. Ich vermute mal, du meinst das gar nicht so, aber dennoch musst du dir leider den Vorwurf gefallen lassen.
Was solche Kommunikationsstrategien angeht, empfehle ich immer wieder das Alt-Right Playbook aus dem Jahr 2017. Das ist lang und anstrengend aber sehr erhellend, wenn man sich darauf einlässt. Mein Einstieg war Never Play Defense danach habe ich mir die ganze Serie reingezogen, weil ich das Thema so interessant fand.
Puuuha, das wird länger hier
@anneloewe (27):
Kannst du schon immer noch, aber eben immer nur 20 Minuten lang (und warum das so ist erkläre ich dir gerne mal in einer ruhigen Minute auf meinem Balkon). Auf meinem Handy muss ich immer erst einmal meinen Kommentar antippen, damit die Bearbeitungsoption angezeigt wird, vielleicht ist das auf deinem iPhone auch so. Auf meinen diversen Windows-PCs ist diese Option immer direkt da. Ich weiß auch nicht, warum. Das Plugin habe nicht ich geschrieben und ich habe auch kein Interesse daran, den Quellcode zu verändern
Ab Kommentar 30 wird's hier wieder richtig super. Erwachsene Menschen, die sich mit ihrer eigenen Weltsicht auseinandersetzen und dabei nicht auf Althergebrachtem bestehen, sondern die eigene Haltung auch mal infrage stellen. Ich bin sehr stolz auf euch, wie ihr es hinbekommt, eine - in der Regel - sehr aufgeheizte Diskussion ruhig und sachlich zu führen. Echt.
Ich finde es ganz großartig, wie ihr hier miteinander umgeht und da spreche ich jetzt auch einfach mal ein dickes Eigenlob aus, denn ich habe zum Teil mit harten Bandagen dafür gekämpft, dass mein kleines Eckchen Internet so läuft und nicht anders. Ich musste hier schon oft die "Zensur"-Schere ansetzen (Zensur immer in Anführungszeichen, weil es eben keine Zensur ist, wenn ich Trollen und Lästermäulern keine Bühne biete), ich musste schon oft mäßigend eingreifen und ich musste auch schon den einen oder die andere hier raus werfen. Auf lange Sicht bin ich da echt auch stolz auf mich, denn die Leute die hier übrig geblieben sind, sind allesamt in der Lage, auch kontroverse Themen zu diskutieren, ohne in Alt-Right-Playbook-Strategien abzurutschen.
Und nur deshalb sind die Kommentare hier noch für alle offen und nur deshalb greife ich eben immer wieder ein. Denn ich finde, wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und wir müssen miteinander reden können, wenn wir wollen, dass sich Dinge ändern. Und natürlich müssen wir auch ehrlich bereit sein unsere Meinung ggf. auch mal zu ändern bzw. kritisch zu hinterfragen auch (oder gerade) wenn es weh tut.
@daMax: aus meiner Sicht ist deine Antwort an einigen Stellen nicht ausreichend.
Beispiel nach eingehender Überlegung:
Ich fragte: Wer entscheidet das für wen? Deine Antwort: Du für dich.
Klar! Wenn man davon absieht, dass du für mich entschieden hast, die Erben von Lindgren für sie entgegen ihres Widerspruchs zu Lebzeiten und ein Verlag für Endes Jim Knopf.
Für die Verlage war diese Entscheidung eine WinWin-Situation. Wer nur auf das N-Wort achtet wurde auch dann befriedigt, wenn er die Absicht des Autors hier nicht erkannte. Wer sensibilisiert war, der hatte nichts mehr einzuwenden. Wer Rassist war, der blieb auch danach Rassist, bemerkt die Kritik des Autors so oder so nicht.
Und die ganze Aufregung ist Werbung und zeigt noch dazu, dass man zu den „Guten“ gehört. Meiner Meinung nach wäre ein erklärender und kindgerechter Begleittext sicher sinnvoller gewesen. Leider geht das nicht mit s/$NWORT/Südseekönig/g und KIs sind noch nicht so weit.
Btw, Frage an den Softwareentwickler: muss man eigentlich vorher definierten:
NWORT = '\116\145\147\145\162\153\303\266\156\151\147'
Damit niemand ein böses Wort sieht? Technische Lösungen für soziale Probleme. Der Versuch ist kompletter Unsinn, ganz analog zum DNS-Blocking und dem pseudo-Jugendschutz der KJM und Co. (...)
Dies nur zum Derailing-Vorwurfs. Zu einfaches Denken in formaler Pseudologik, vergleichbar mit „technische Lösungen“ ist Kern des Problems. Genau dieses zu einfache Denken tun Menschen, wenn sie Stereotypen heranziehen. Das ist nahezu KI-mäßig. Dein Rhetorik-Vorwurf ist da zu relativieren.
Du magst alles anders sehen. Das ist okay. Wichtiger ist jedoch, dass wir uns in der Konsequenz einig sind. Denn unbestreitbar ist: Wenn komplett unterschiedliche Sichten zu identischen Ergebnissen führen, dann ist das ein starker Hinweis auf ein korrektes Ergebnis.
@Joachim (38): Moin. Ich finde nicht, dass es z.B. im Falle von Astrid Lindgren nur um das N-Wort geht. Annes Text zeigt doch an diversen Beispielen auf, dass People of Color bzw. generell außereuropäische Menschen durchweg als doof, bedrohlich, unterlegen usw. dargestellt werden. Das geht tiefer als ein einzelnes Wort. Ja, ein kindgerechter Begleittext wäre sicher nicht falsch, aber ich fürchte, im Endeffekt würde trotzdem die rassistische Erzählung überwiegen, denn so ein Begleittext ist halt schnell auch wieder vergessen.
Hinsichtlich Jim Knopf zeigt Anne prima auf, wie das "othering" (zu deutsch vielleicht: das Andersmachen) auch in dieser Geschichte hervorragend funktioniert. Da hilft es natürlich nicht, nur das N-Wort zu streichen. Die rassistische Erzählung vom "Anderssein" ist auch in dieser Geschichte tief verwurzelt und ich habe so meine Zweifel daran, dass ein kindgerechter Begleittext daran etwas ändern würde.
Ich denke, was Anne sagen will ist: Warum halten wir so krampfhaft an Erzählungen fest, selbst wenn wir erkennen, wie problematisch sie sind? Können wir nicht einfach andere Geschichten erzählen? Die Welt dreht sich weiter. Warum müssen wir krampfhaft an Dingen festhalten, nur weil wir damit groß geworden sind? Lass die ollen Kamellen liegen, nimm frische Geschichten oder nimm' von mir aus Momo oder die Unendliche Geschichte, wenn du Michael Ende brauchst
Ich kann mich nur wiederholen: zieh' dir "Exit Racism" rein, dann wirst du viele Dinge verstehen. Wir als weiße Männer sollten einfach mal die Klappe halten und versuchen zu verstehen, wie es People of Color geht, wenn sie solche rassistische Erzählungen ertragen müssen. Es gibt da z.B. diese ziemlich erschütternde Studie mit kleinen Kindern und Puppen, wo selbst kleinste Kinder schon ganz früh "gelernt" haben, dass Puppen mit weißer Haut gut, sauber und lieb sind, Puppen mit dunkler Haut dagegen schmutzig und böse. Und das haben dann eben auch Kinder mit dunkler Haut direkt so verinnerlicht und halten sich selbst also für schmutzig. Verstehst du, was ich meine? Die Geschichten dringen so tief in die Hirne und Herzen, dass sich selbst kleine Kinder schon schlecht fühlen, nur weil sie sind wie sie sind.
Nochmal: hör dir in einer ruhigen Stunde Exit Racism an, ich bin sicher, es wird helfen, unsere Diskussionsstränge einander näher zu bringen.
Was die technischen Zensurmöglichkeiten angeht, will ich da gar nicht drüber nachdenken, denn ich halte das für den falschen Ansatz. Wir müssen unser Denken ändern, was zu einer Änderung unseres Handelns führt. Anders werden wir keine Änderung unserer Gesellschaft bewirken können. Technische Zensurmöglichkeiten können a) umgangen werden und ändern b) auch keine Gedanken oder Verhaltensweisen. Natürlich können die Menschen auch in Zukunft böse Wörter verwenden, sehen und sich auf die Stirn tätowieren lassen. Ich für meinen Teil werde auch in Zukunft sensibel durch die Welt gehen und versuchen, rassistische Kackscheiße zu erkennen und zu benennen. Und ich werde diese Diskussion überall dort lostreten, wo ich sie für angebracht halte, denn ich bin der festen Überzeugung, dass ganz viele dieser rassistischen Verhaltensweisen eben nicht absichtlich eingesetzt werden um People of Color aktiv zu dissen, sondern vielmehr total unbewusst. Was aber an dem rassistischen Kontext halt nichts ändert.
@Joachim (34): hihi Anne hatte geschrieben "wir alle brauchen Allies", nicht "wir alle brauchen Alles" Wobei ich ja das schöne alte deutsche Wort "Verbündete" viel besser finde als diesen doofen Anglizismus
Eine kleine Anektode noch und dann mache ich wieder Urlaub. Es gibt in Stuttgart einen Stadtteil namens Möhringen. Geschichtlich gesehen gab es da wohl mal einen Ritter Moro, der diese Siedlung gegründet hat und so hieß diese Ansiedlung erst Moringen und später irgendwann Möhringen.
Als Deutschland sich zu einer Kolonialmacht wandelte, war es plötzlich hip, überall Schwarze Menschen darzustellen, um zu zeigen, wie weltgewandt man war. Man denke an diese komische Sarotti-Figur. So bekam plötzlich auch das Möhringer Ortswappen eine super-rassistische Darstellung einer Schwarzen Frau verpasst. Warum? Keine Ahnung. Irgendwas mit Mohr und Möhringen, das sich meiner Kenntnis entzieht. Eine Karotte ist auf jeden Fall nie in dem Wappen aufgetaucht.
Wir springen vor ins Jahr 2020. Eine Schwarze Frau bekommt einen Wutanfall beim Betrachten dieses Wappens, das an der Seite diverser Stuttgarter Straßenbahnen prangt, weil sie nicht will, dass ihr kleines Kind ständig mit so einer rassistischen Kackscheiße konfrontiert wird. Es gibt eine ziemliche Aufregung darüber, inklusive lokaler Berichterstattung. Es gibt sogar ein Bürgerbegehren, das Wappen zu ändern, gefolgt von einem Wettbewerb für das schönste neue Wappen.
Und wer kämpft auf Teufel komm raus dagegen an? Drei alte weiße Männer, die sich für den "Kulturverein Möhringen" (oder so ähnlich) halten und die unbedingt das rassistische Wappen beibehalten wollen. Selbst, nachdem man ihnen nachgewiesen hat, dass das historisch belegte Originalwappen keine rassistische Kackscheiße enthielt. Einfach nur, weil sie halt mit dem rassistischen Scheiß aufgewachsen sind, deshalb auch keinen Rassismus in dem Rassismus erkennen können. Für sie beginnt die Geschichtsschreibung mit ihrer Geburt und endet mit ihrem Tod, zumindest kommt es mir so ähnlich vor. Sie wollen nicht erkennen, dass ihr rassistisches Wappen Teil einer rassistischen Welterzählung ist. Sie wollen unbedingt daran festhalten, denn andernfalls müssten sie sich ja mit ihrer eigenen rassistischen Sozialisierung auseinandersetzen. Natürlich sind sie der festen Überzeugung keine Rassisten zu sein, das steht außer Frage, wozu sollten sie sich also damit auseinandersetzen?
Inzwischen wurde ein neues, frisches, cooles und nichtrassistisches Ortswappen zum Sieger gekürt, das die 3 Bezirke Sonnenberg, Fasanenhof und Möhringen bildlich beinhaltet. Gefällt mir prima.
Und was machen die "Traditionalisten"? Ignorieren diese Änderung beharrlich und halten an ihrem rassistischen Stadtwappen fest, als hätte sich die Welt nicht verändert. Und so erziehen Rassisten ihre kinder eben zu Rassisten, daraus ausbrechen kann man nur aktiv mit Aufklärung, indem man andere Sprache verwendet und indem man auf Rassismus hinweist, wo immer er einem begegnet.
"Man denke an diese komische Sarotti-Figur."
Hm. Ich hab mich jetzt rausgehalten und stehe zu meiner Unperfektheit. Was aber nun den Sarotti-Wasauchimmer angeht - ihn wegzustreichen, zu enfernen heißt für mich, daß man so tut, als gäbe es keine Menschen mit anderer Hautfarbe. Aber es gibt sie - und das ist auch gut so. Ich finde es tatsächlich schwierig, alles wegzulassen, was darauf hindeutet, daß es Menschen mit unterschiedlicher Optik gibt, denn das heißt, sie totzuschweigen, so zu tun, als ob es sie nicht gäbe. Das ist auch rassistisch.
Und davon ändert sich eine eventuell nicht so ruhmvolle Vergangenheit auch nicht.
Ansonsten bin ich hier raus.
@Schwarzes_Einhorn: nee, sorry, aber ein rassistisches Klischee als solches zu benennen heißt nicht, so zu tun, als gäbe es keine Menschen mit anderer Hautfarbe.
Lieber @daMax, das ist wohl manchmal wie Gedankenübertragung. Denn ursprünglich wollte ich statt einer Diskussion auch eine Geschichte zum Thema erzählen.
Ich hatte mich zunächst gegen meine schlichte Geschichte entschieden. Aber nun, wo wir schon dabei sind: viel Spaß damit - ist jedenfalls meine Hoffnung. Aber hier ist Internetz. Ihr dürft gerne auch "meckern". Tippfehler sind geschenkt. Keine Zeit mehr...
Der Mann in der Straßenbahn
Als kleines Kind hatte ich ein Problem. Die Ärzte meinten ich würde schielen. Sie klebten mir mal das rechte Auge zu und dann das linke, um dann den Kopf mal weise, mal ratlos zu schütteln und in ihrer Behandlung fortzufahren. Weiße Kittel beugten sich über mich, quälten mich mal mit Brillen, mal Piratenpflaster, mal links, mal rechts mit dem Erfolg, dass mein rechtes Auge heute gar nichts mehr sieht. Es sei denn, ich schließe das Andere. Doch das ist gar nicht, was ich erzählen wollte. So fing das alles nur an.
Wegen dieser Behandlung mussten wir, meine Mutter und ich, regelmäßig mit der Straßenbahn zur Augenklinik in die nächste Stadt fahren. Diese Fahrten mochte ich gar nicht. Alles war unbekannt. Da waren nur fremde Menschen, die aneinander vorbeisahen, oder mich mit meinem Piratenpflaster seltsam von oben bis unten begutachteten. So war jedenfalls mein Gefühl dabei. Ich hätte sicher gestreikt, hätten nicht in der Augenklinik die tollsten Comics im Wartezimmer herumgelegen. Da war Spiderman, Superman, die grüne Laterne und Hulk. Ich konnte schon ein wenig lesen, doch bei Comics kommt es auch auf die Bilder an. Als Kind versetzten sie mich in eine einfache Welt von Gut und Böse und vor allen Dingen mit Wesen, die es gar nicht gab. Flexible Man? Es wäre schon toll, den Arm einfach wie ein Gummiband dehnen zu können um an alles heranzukommen. Gut, das sähe sicher seltsam aus. Doch mein Pflaster war auch seltsam. Leider bot das Pflaster nun gar keinen Vorteil und erzeugte schon gar keine Superkraft. Es ließ mich nicht richtig sehen und war Grund öfter einmal irgendwo anzustoßen. Das war nur eine Negativkraft und die tat mir weh. Ich hasste es.
Dann irgendwann, wieder einmal in dieser Straßenbahn mit den Menschen wie Schaufensterpuppen, da war dann doch einmal etwas geschehen. Mir klappte förmlich die Kinnlade herunter. Ich muss wirklich geglotzt haben. Da saß ein junger Mann, ganz genau wie alle anderen jungen Männer und ich starrte ihn an. Denn seine Haut war pechschwarz. Ganz wie die grüne Laterne! Aber eben schwarz. Die grüne Laterne gab es nicht. Diesen Mann gab es. War der nun auf der guten oder auf der bösen Seite? Natürlich kannte ich den Sarotti-Mohren und den Struwwelpeter mit den bösen Kindern, die ins Tintenfass gesteckt wurden, weil sie einen „Mohren“ verspotteten. Doch das war hier keine Geschichte. Das war echt. Und wie ein „Mohr“ auf der Schokolade sah dieser Mann nun gar nicht aus.
Irgendwann bemerkte den Mann mein Glotzen. Er legte den Kopf ein wenig schief, lächelte, hob dann die Hand und winkte mir zu. Vielleicht war der einer der Guten? Vorsichtig winkte ich zurück. Ein wenig nur, denn man weiß ja nie. Der Mann verzog den Mund und fing an kleine Grimassen zu schneiden. Dann streckte er mir die Zunge raus, machte die Augen klein und wieder groß, eines auf und dann das Andere zu und lachte dann um mit seltsam tiefen Lauten fortzufahren. Es wurde immer wilder, bis ich nicht mehr konnte und er wohl auch nicht. Wir haben uns förmlich gekugelt vor Lachen. Meine Mutter hatte mich zunächst in die Seite geknufft. Doch hier musste sie einfach mitlachen. Wir alle drei lachten zusammen. Wir lachten in der aus meiner Sicht vollkommen gruseligen Straßenbahn.
An der nächsten Haltestellen winkte er mir noch einmal zu und stieg dann aus. Ich sah ihm hinterher. Das war keine grüne Laterne, kein Flexible Man und schon gar kein Hulk. Das war nur ein Mensch. Dazu ein netter, sehr freundlicher Mensch, einer, mit dem man lachen konnte. Seine Hautfarbe? Wenn ich mir ihn heute noch einmal ins Gedächtnis rufe, dann ist da nicht zuerst seine Hautfarbe. Da ist sein Lachen. Heute würde ich ihm das gerne sagen, wenn ich könnte. Ich würde seine Hand nehmen und schütteln. Ich würde ihm in die Augen sehen und sagen, was er für mich getan hat und dass ich ihn nie vergessen werde.
Bis heute sehe ich keine Hautfarbe mehr. Jedenfalls nicht mehr als Andere irgend eine Haar- oder Augenfarbe. Dieser Punkt ist einfach irrelevant – abgesehen davon dass mancher vielleicht blond schöner findet und andere vielleicht brünett. Wichtiger ist das Lachen und das Mensch sein. Das ist es was zählt. Das hat dieser Mann in der Straßenbahn mich gelehrt.
Eigentlich wäre diese Geschichte nun zu ende, wäre da nicht viele Jahre später eine Art Fortsetzung gewesen. Ein Christ oder Muslim würde vielleicht sagen, Gott hätte mir dieses Erlebnis geschenkt, wegen der Ereignisse, die zu meiner Zivildienstzeit kommen sollten.
Damals kam ich mit einem Wohnheim für Behinderte in Kontakt. Da gab es Jemanden, der für Fremde praktisch nicht verständlich war. Er sabberte, bewegte sich unkoordiniert und saß in einem Rollstuhl. Hulk? Irgend ein atomar verseuchtes Wesen? Quatsch, diese Welt ist kein Comic. Ich setzte mich zu ihm an den Tisch, half ihm mit der Zeit mit dem Becher oder dem Essen und vor allen Dingen lernte ich mit der Zeit, seine Worte zu verstehen. Der war nicht dumm, nicht unkoordiniert und eigentlich gar nicht anders. Er war kein Alien und kein Fremder. Er war genau wie du und ich. Manchmal unternahmen wir Dinge zusammen, hörten etwa die Rede des Bürgermeisters mit einer ganzen Gruppe des Wohnheims. Wie haben mit den Augen gerollt ob seiner Erzählungen, den Kopf geschüttelt und wollten schließlich schon gehen. Wie will jemand im Rollstuhl gehen, willst du fragen? Glaube mir, da war so wenig ein Rollstuhl, wie die Marke deiner Socken irgend eine Rolle spielt. Was denkst du denn? Würdest du dich denn wundern, wenn Engel fliegen können? Also bitte, bleib mal realistisch!
Ich weiß nicht mehr genau, worum es bei der Rede des Bürgermeisters ging. Irgend etwas mit „Behinderten“, irgendwo aus seinem Paralleluniversum, vollgepackt mit guten Worten und Eigenlob. Wir konnten das nicht ernst nehmen. Meine Begleitungen sahen das genau so. In diesem Augenblick hatte ich Freunde gewonnen.
Gerade da, das weiß ich bis heute, da dachte ich an den Mann aus der Straßenbahn. War der eigentlich „anders“? Na ja, jedenfalls nicht grün. Doch wenn man Menschen kennen lernt, dann treten solche Dinge in den Hintergrund. Man sieht diese Äußerlichkeiten nach kurzer Zeit nicht mehr. Sagt jemand das Wort Behindert? Ach komm, was soll das sein? Ich kannte mal ein Mädchen, dass hatte Autoaggressionen und sich selbst die Augen ausgestochen. Es gibt genau drei Dinge, die mir einfallen, wenn ich an sie denke. Und das ist nicht diese schlimme Ursache für ihre Blindheit. Da ist ihre manchmal sehr laute, durchdringende Stimme mit immer guter Laune, ihr verschmitztes Lachen und die Tatsache, dass sie immer genau wusste, wie spät es war. Sie wusste es immer auf die Minute, ganz egal wo sie war und wann es war. Dabei hatte sie gar keine Uhr. Diese Fähigkeit war außergewöhnlich. Ich denke als sie und wie sie war. Sie war unglaublich.
Es ist wie es ist. Manche Dinge sind schrecklich. Das Leben kann schlimm sein. Doch wichtiger sind Freunde und Menschen. Sie heben alles Unheil wieder auf.
Ich denke, auch wenn die Evolution uns gelehrt hat Fremdem gegenüber vorsichtig zu sein, mir hat ein Mann in der Straßenbahn beigebracht, dass man auch neugierig sein kann. Nein, nicht auf das „anders“ sein. Jeder Mensch ist schließlich anders. Das ist nichts Außergewöhnliches. Er hat mir beigebracht, neugierig auf diese bunte Welt zu sein. Man muss nicht alles so ernst nehmen. Und man muss nicht alles fürchten.
So, wer nun meint, ich hielte mich deshalb für so toll, so „vollkommen offen“ und „ohne Vorurteile“, dem muss ich etwas gestehen. Das stimmt nicht. Das stimmt überhaupt nicht. Ich bin nur ein Mensch. Zum Beispiel ich finde viele dunkelhäutige Menschen einfach wunderschön. Da habe ich wohl auch ein Vorurteil. Vielleicht liegt das an dem Mann aus der Straßenbahn oder auch an der Freundin meiner Tochter zu ihren Schulzeiten und ihren Eltern. Ich fand es immer so unfair, dass ihre Mutter einen dummen Job bei McDonalds tun musste. Das hatte sie nicht verdient.
Irgendwie waren immer Leute aus „aller Herren Länder“ bei uns zu Gast. Afrika, Indien, Pakistan, Südamerika, den USA, natürlich auch aus der Türkei und Italien. Doch vor Allem ist da auch meine Nichte aus China. Diese Menschen sind immer da, so weit sie auch manchmal weg waren. Und wir sind bei ihnen. Leider nicht in China und fernen Ländern, obwohl das schon ein Traum wäre. Doch zeitweise wohnten sie ganz in der Nähe. Kann man mir verübeln, da voreingenommen zu sein?
Ich frage euch, darf und sollte man nicht seinen Schwestern und Brüdern, Freunden und Freundinnen gegenüber solche Vorurteile haben? Ich weiß es nicht. Es ist nur mein Gefühl. Ich mag die Leute einfach. Und ich mag Menschen. Der Rest ist egal.
Was ich aber sicher weiß: Fremd bist du nur im ersten Augenblick. Das gibt sich schnell. Komm doch mal vorbei...
@daMax: @daMax:
Ich weiß, dass manche Menschen Anglizismen nicht so gerne mögen. Im Antirassismus, bzw. Antdiskriminierungsarbeit gibt es aber ein paar feststehende Begriffe, die nicht übersetzt werden, weil die dann einfach nicht mehr das gleiche bedeuten.
Dazu gehört der Begriff PoC (Person oder people of Color), wofür es keine deutsche Übersetzung gibt, dir das gleiche bedeutet.
Oder auch „Gender“ als das „soziale Geschlecht“, weil es dafür auf deutsch kein wirkliches Wort gibt.
Und eben auch Allyship oder Ally, weil es eben über „Verbündeter“ hinaus geht.
Allies übernehmen selbständig die Verantwortung, sich über Diskriminierungsformen, von denen sie nicht selbst betroffen sind, zu informieren und ihre jeweiligen Barrieren und Schwierigkeiten zu verstehen und werden sich selbst bewusst, wie sie selbst gesellschaftlich positioniert sind und auf welche Weise sie davon profitieren, dass andere marginalisiert werden.
Wenn in der antirassistischen und /oder antidiskriminierenden Arbeit der Begriff „Ally“ verwendet wird, wird quasi vorausgesetzt, dass eine Person sich mit relevanten Begriffen, systemischer Benachteiligung, der eigenen Position und Machtverhältnissen auseinandersetzt.
Ich erlebe es sehr häufig, dass Leute sich als „Verbündete“ verstehen, aber gleichzeitig alles diskutieren wollen, ihre eigene Meinung wichtiger finden, als die gelebte Erfahrung des betroffenen Gegenübers und gerne hätten, dass ihnen ERKLÄRT wird, was zu lernen jeder Person eigene Verantwortung ist.
Daher mag ich den Begriff Ally, denn da steckt klar drin, dass die Unterstützung selbstverantwortlich, aber immer in der Art, wie sie von Betroffenen gewünscht ist, passiert. Schön nach dem Satz „nothing about us, without us“.
@Joachim (44): Hübsche Geschichten die aufzeigen, wie du schon sehr früh xenophil sozialisiert wurdest. Mir ging es ja ähnlich, trotzdem hat mir "Exit Racism" ziemlich deutlich vor Augen geführt, wie sehr ich in Happyland lebe. Viele der Privilegien, die wir besitzen, sind uns einfach nicht klar und viele der Traumata, die weniger privilegierte Menschen erleben, sind uns ebenfalls nicht klar. Die unreflektierte Verwendung (und Verteidigung) des N-Worts ist ein klassisches Beispiel dafür. Umso wichtiger ist es, dass gerade wir xenophil sozialisierten uns mit dem Thema "Struktureller Rassismus" aktiv auseinandersetzen und zu diesen neudeutschen Allies werden, von denen anneloewe in Kommentar 45 spricht.
@anneloewe: Nun, dann eben Ally. Wie ich das sehe, das steht in meiner Geschichte oben.
Was Diskussionen angeht und zu deinem Post nur Folgendes:
Natürlich möchte ich erklärt bekommen, wie du das siehst. Natürlich muss ich deine Worte in meinen Kontext übersetzen, um sie zu verstehen. Und natürlich reagiere ich darauf, wenn bei dieser Übersetzung etwas nicht passt. Zum Beispiel, wenn ich das Resultat unlogisch finde, wie bei der Aussage von Max, „zu wer entscheidet“. Dabei ist Max selbstverständlich nicht unlogisch!
Dinge müssen geklärt werden. Das hat nichts damit zu tun, die eigene Meinung „wichtiger“ zu finden. Wenn ich nach einer Diskussion entscheide zu gendern, so ist genau das meine Verantwortung. Das ist: aus Einsicht meine Konsequenzen zu ziehen.
Was ist für dich denn ein Verbündeter? Ich denke nicht daran, Betroffene anders zu behandeln, als jeden anderen Menschen in der Welt. Doch wenn jemand weint, dann nehme ich ihn in den Arm. Und auf meine Freunde lass ich gar nichts kommen.
Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe und frage dich, was machst du eigentlich
- mit dem zugekifften Typen aus Jamaika, der rassistische Sprüche loslässt,
- mit dem Rapper aus keine Ahnung wo in den USA, dessen Songs massiv frauenfeindlich sind,
- mit dem jungen Mann, der vollkommen ab von der Welt ist und der dich komplett ausnehmen würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte und danach, wenn er endlich verstanden hat, was er in genau nur einem Fall da getan hat in Tränen ausbricht?
Ich fahre ihn zum X'ten mal in die Klinik, rede mit der Polizei und höre mir die dümmsten Sprüche der Krankenhausfahrer an und trete seinen Betreuer „in den Arsch“, wenn der wieder einmal auf der Straße sitzt und in meinen Garten geflüchtet ist.
Ich bin nicht dein Ally. Ich bin ihr Ally. Doch das entscheide nicht ich. Sie entscheiden das.
@anneloewe (45): Danke für die Erläuterung. Leider finde ich es trotzdem schwierig, wie sehr sich in diesem Bereich eine Sprache aus Abkürzungen und Spezialwörtern gebildet hat, die - meiner bescheidenen Meinung nach - zu einer Hürde geworden ist. Wenn Menschen plötzlich von FLINTAs, BlPOCs, LGBTIQ+, Allies und Waddafaggs reden, werden sie für andere Menschen, die diese Akronyme und Anglizismen nicht kennen, ganz schnell unverständlich. Und ich kenne das von mir selbst: wenn ich einem Vortrag aufgrund der vielen Abkürzungen nicht mehr folgen kann (was in meinem Beruf oft vorkommt), dann schalte ich geistig ab und bin halt als Publikum verloren.
Ich weiß, was du jetzt sagen wirst, nämlich dass sich diese Begriffe halt durchgesetzt haben und man sich halt damit beschäftigen soll. Schön und gut, aber sieh's mal so: wenn dir ein IT'ler wie ich was aus seinem Spezialgebiet erklären will, dann kann er dich entweder direkt mit IP-Adressen, traceroutes, Nullpointern, ASLR, RAM, ROM, SSD und JSON überfahren, oder er versucht eine Sprache zu finden, die du auch verstehst. Bzw. man muss halt die Begriffe wahlweise erstmal erklären oder (hey, wir sind hier im Internet) direkt verlinken. Letzteres bedarf wieder ein bisschen Einarbeitung, geht dann aber doch recht einfach
Wir beide sind auf derselben Seite, ich glaube das wissen wir beide. Ich würde mich halt freuen, wenn die politisch korrekte Sprache wieder etwas verständlicher würde, anstatt sich in Akronymen und Anglizismen zu ergehen, die - wiederum: nur meine Meinung - auf lange Sicht dazu führen, dass sich die Eingeweihten zwar wunderbar miteinander verständigen können, sie aber auf dem Weg diejenigen verlieren, die sie eigentlich erreichen wollen (oder sollten).
Meine Güte, ich hätte nicht gedacht, dass so eine kleine "Frage, die sich mir stellt" zu so einem riesigen Diskurs werden würde
@Joachim (47): Ja, genau, du bist ihr Ally. Genau das sollst du auch sein, wenn ich das Konzept richtig verstanden habe Ich bin allerdings doch recht überrascht, dass die deutsche Wikipedia dazu keinen Artikel parat hat. Hey @anneloewe, das wäre doch ein Job für dich
PS: ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich deinen Kommentar mit ein paar Spiegelstrichen umformatiert habe, der Lesbarkeit wegen.
@alle: ich bin jetzt mal bis Sonntag Abend an einem See ohne Computer, Montag kann's weiter gehen Ich hab hier schließlich noch einen Urlaub zu absolvieren!!1!
@daMax: Wobei nun zu definieren ist, was eine unreflektierte Verwendung des - boha ich habe gar keine Lust das dämliche Ersatzwort zu schreiben und noch weniger das rassistische Original zu verwenden - denn sein soll.
Wozu sollte ich überhaupt das rassistische Original oder den weichgespülten Ersatz verwenden, wenn es nicht darum geht, sich gegen Rassismus zu stellen. Mein Denken ist nicht schwarz/weiß (hoffe ich, bin nur Mensch). Für mich ist das Wort bedeutungsleer, unsinnig, zu nichts zu gebrauchen. Dazu ist der Background massiv mies, trägt Sklaverei und Völkermord in sich. Und ihr diskutiert darüber, ohne zu verstehen, was ich meine.
Ich glaube, "mein" Happyland gut zu verstehen und zu relativieren. Doch "Exit Racism" werde ich lesen, wenn ich Zeit dazu habe. Denn beispielsweise ist unser Gartenfreund vor kurzem in die Klinik zwangseingewiesen worden. Ein wenig ruhe und ein wenig weniger Sorge. Und dennoch, sitz du mal in so einer Klink. "Kannst du mir die Schuhe bringen? Die im Garten liegen?" Oh man...
Max, alles zu seiner Zeit. Es gibt auch ein Leben.
@daMax: Nix dagegen. Ganz im Gegenteil. Und nächtes mal F5 vor einer Antwort...
@daMax: Zu „wenn die politisch korrekte Sprache wieder etwas verständlicher würde“
Sprache ist nicht statisch. Sie verändert sich immer. Dazu kommt:
James Joyce hat so viele fremde Begriffe verwendet, sogar selbst erfunden, dass sie auch mit Wörterbüchern und heute Internet nicht so einfach lesbar sind. Doch wer sagt, dass es einfach sein muss?
Der durchaus umstrittene Handke hat sein Publikum beschimpft. Dürrenmatt war der Meinung, eine gute Geschichte müsse immer die schlimmste Wendung nehmen. Bukowski beschrieb brutale Gewalt und Obszönitäten in seinen Geschichten. Wäre Christa Wolf in Kassandra politisch korrekt gewesen, so wäre sie nicht zensiert und auch nicht verstanden worden. Selbst Schiller war nicht politisch korrekt.
In dieser Situation verlangt ihr politische Korrektheit und möchtet den Gebrauch von Sprache regulieren? Mit klaren Regeln, verbotenen Worten und „replacements“ und wie ein Gesetz? Weil Jugendschutz in ist, sogar im Grundgesetz steht? Was man so unter Schutz versteht, dass ist jedoch nicht so einfach zu definieren. Starke Kinder sind am Besten geschützt.
Ihr möchtet sogar die Werke von Lindgren und Michael Ende modifizieren, als würden sich Autoren nicht sehr genau überlegen, wann sie welche Worte wie verwenden? Die Begründung ist, weil sich die Zeiten ändern? Würdet ihr auch das Gilgamesch-Epos verändern, weil Tempelhuren ja nun gar nicht gehen? Ach, ich übersehe ja: Das ist nicht für Kinder? Denn Kinder leben ja in einer heilen Welt. Ich denke, eine Grundsicherung für Kinder wäre deutlich effektiver. Jedenfalls wäre die Welt ein wenig heiler.
Wie wäre es denn mit Lesekompetenz? Muss ich jetzt hier die Geschichte mit den lügenden Kenianern einmal für euch übersetzen, damit klar wird, dass sie vollkommen anders gelesen werden muss? So wie Kinder sie lesen. Lindgren hat sich nicht nur hier auf kindgerechte Art eindeutig gegen Rassismus ausgesprochen. Sie hat Kinder regelrecht geimpft. Ihr dagegen werdet nur von Worten getriggert. Ihr missachtet die Intention, Bedeutung und Wirkung.
Ich meine, ich bin nur ein Geschichtenerzähler und kein Schriftsteller. Doch ist niemanden der Bruch mit den Engeln in meiner Geschichte aufgefallen? Warum kam das? Achselzucken? Keine Ahnung? Das ist es was ich meine. Ihr müsst sicher nicht über jedes Stöckchen springen. Doch ich hätte mir die Frage gestellt, ob der Autor (also ich) hier am Rad dreht oder gesoffen hat. Deutlicher geht ein Bruch kaum! Da ist doch ein kompletter Widerspruch! Genau wie bei den lügenden Kenianern, wenn auch sicher nicht so genial, wie bei Lindgren.
Aber gut, heute wird am Smartphone ein Text so gelesen, dass jedes zweite Wort übersprungen wird. Ist euch das Tempo meiner Geschichte aufgefallen? Wie gesagt, ich mag ja nicht so gut sein. Doch ich beschäftige mich schon länger damit und nahezu nichts (abgesehen von meiner Inkompetenz) ist ein Versehen. Und dann wird gesagt: Nette Geschichte. Sorry, wäre ich nett, so würde ich nicht schreiben. Vielleicht sollte ich es besser mit Dürrenmatt oder gar Bukowski halten. Dann werde ich zwar auch nicht verstanden. Doch wenigstens schockt es.
@Joachim:
❤️🩹trigger Warnung : in diesem Kommentar wird explizite sexualisierte Gewalt beschrieben.
Danke für die schöne Geschichte und wie schön, dass sie dein kindliches selbst so positiv beeinflusst haben.
In der Welt, von der wir (hier) alle träumen, sind wir alle Menschen und die gesellschaftlichen Markierungen unwichtig. Es ist egal welches Geschlecht, welche Hautfarbe, ob du eine Behinderung hast oder nicht, wen du liebst, welche Religion du hast.
Doch da sind wir nicht.
Stell dir mal folgendes vor:
Ein Geschlecht, das nicht deines ist, dir aber körperlich oft überlegen ist und fast alle institutionelle Macht inne hat, bedroht dein ganzes Leben mit analer Penetration.
Ab ca. 11 Jahren wird dir beigebracht, gut aufzupassen, da du sonst womöglich (und auch relativ wahrscheinlich) in deinem Leben erleben wirst, dass eine Person dich anal gegen deinen Willen penetriert.
Es bestimmt dein ganzes Leben: die Wahl deiner Wege, die Frage ob und wann du irgendwo hin gehst, die Wahl deines Sitzplatzes in öffentlichen Verkehrsmittel, die Frage ob und wann du joggen gehen kannst und ob du dabei Musik über Kopfhörer hörst. Du hast Sicherheitsnetze, wenn du auf Dates gehst, Freundinnen, die wissen wo du bist und bis wann du angerufen hast um zu sagen dass alles passt. Im Parkhaus hast du oft Angst. Wenn du ausgehst, darfst du keine offenen Drinks zu dir nehmen, weil du weißt, dass Menschen des starken Geschlechts dir womöglich Betäubungsmittel ins Glas geben werden und du wirst am nächsten Tag aufwachen und anal vergewaltigt worden sein wirst. Du weißt, dass die Chancen, dass du den Täter anzeigen kannst und er tatsächlich verurteilt wird fast null sind. Du musst überlegen, was du anziehst, denn das andere Geschlecht belästigt dich konstant und in allen Situationen. Selbst am Arbeitsplatz bist du vorsichtig mit bestimmten Menschen nicht allein im Büro zurück zu bleiben.
Wenn es dir, wie ungefähr 14% deines Geschlechts tatsächlich passiert ist, dass dir gewaltvoll gegen deinen Willen ein Geschlechtsteil in den anus eingeführt wurde und ein Täter in dir angespritzt hat, du nun zusätzlich noch Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten hat, wirst du damit konfrontiert, dass man dir nicht glaubt, du beantworten musst, was für Kleidung du getragen hast, ob du dich wirklich genug gewehrt hast usw. Alle beteiligten Polizisten, Staatsanwälte und Richter, gehören wahrscheinlich dem Täter Geschlecht an.
Wenn es dir nicht selbst passiert, weißt du aber dass es so laufen wird, wahrscheinlich, falls es dir passiert.
Und nun kommt eine Person des anderen Geschlechts und sagt: ich sehe dein Geschlecht nicht. Für mich bist du nur ein Mensch.
Wahrscheinlich denkst du dann nicht: MEGA! Endlich mal so ein Lieber, für den mein Geschlecht keine Rolle spielt.
Wahrscheinlicher denkst du: schon wieder so einer,der nicht die geringste Ahnung hat, was es bedeutet, zu meinen Geschlecht zu gehören, ich zu sein, in einer Welt, die von den anderen Geschlecht dominiert wird. Wieder so einer, der denkt, sind persönliche Einstellung sei für mich hilfreich, während er meine Realität weder versteht noch siehst. Seine Ignoranz macht mein Leben keinen Deut besser.
Solange wir systemische Diskriminierung haben, ist es sehr wichtig die gesellschaftlichen Markierungen wahrzunehmen und die Erfahrungen der anderen kennen zu lernen. (Anmerkung: Diese Markierungen entstehen übrigens auch nicht, weil wir evolutionär so gestrickt sind. Das mag die Verankerung begünstigen, aber konstruiert wurden Marginalisierungen von einer dominanten Gruppe, meist aus wirtschaftlichen Gründen oder anderen Gründen der Vorteile und Begünstigungen für die dominante Gruppe, zum Beispiel war Versklavung ein rein wirtschaftliches System, der dazu erfundene Rassismus, sollte bewirken (und tat das auch), dass die Profiteure sich dennoch als gute Menschen verstehen konnten)
DU hast gelernt eine Schwarze Person ist auch ein Menschen, ein lustiger und nicht bedrohlicher. Die Realität des Schwarzen Mannes war aber die von Rassismus, jeden Tag, in allen Institutionen, in jedem Aspekt seiner Existenz und allen seinen Möglichkeiten der Einflussnahme.
Von daher halte ich Aussagen wie: ich sehe keine Farbe, DU bist noch nicht behindert! Ich sehe deine Behinderung garnicht- mir ist es egal ob du schwarz, weiß oder lila gestreift bist, für MICH macht es keinen unterschied, welches Geschlecht du hast, für sehr problematisch. Sie ignorieren nämlich die REALITÄT der anderen Person.
Wir können den Prozess nicht überspringen und jetzt schon da sein, wo alle gleich sind. Es gibt einfach noch viel zu viel KONKRET zu verändern, bevor wir uns das in unseren Köpfen erlauben sollten.
@anneloewe: Da unterstellst du mir aber eine ganze Menge. Ich könnte nun Geschichten erzählen, aus denen klar wird, wie gut ich das verstehe, was du mir einfach so absprichst. Aber es geht auch ohne „Belege“, die du gar nicht überprüfen könntest:
Erst einmal, was meinst du warum ich eine Frau habe und sie mich? Ich habe drei Töchter, die durchaus, wenn auch glücklicherweise nicht ganz so krass, von deiner Thematik betroffen waren und sind. Doch mir ist klar, was alleine die Furcht mit Menschen macht.
Ich schreibe nicht nur süße, nette Geschichtchen. Ganz vor kurzem eine, die genau von dem handelt, was du beschreibst. Wie Frauen gezwungen, erniedrigt und geradezu systematisch vernichtet werden. In meiner Geschichte befreit sich eine Mutter, zusammen mit ihrer Tochter, aus einer fatal abhängigen Beziehung. Etwas, was in der Realität nicht so einfach geschieht. Dass ich meine Heldinnen das schaffen ließ, war der Versuch Mut zu machen, Stärke und Hoffnung zu geben und Solidarität zu zeigen. Ich bin zwar ein (Attribute gestrichen) Mann. Aber du bist nicht alleine. Ich verstehe dich. Ich habe das gesehen und bin nicht blind.
Ich habe mich durchaus als Mann gefragt, ob ich das überhaupt darf oder kann. Ich habe mich gefragt, wie weit ich gehen darf, wie krass es sein muss. Und auch wie real ich denn sein kann. Der Gedanke war letztlich: Ich bin ein Mann. Ich weiß am Besten, was für Arschlöcher Männer sein können und sind. Ich weiß, was Narzissmus ist. Und ich habe diese „Geschichten“ nicht nur einmal erlebt. (konkrete Gegebenheit gestrichen – ich verrate hier meine Freund:innen nicht). Meinst du ich lebe in einer irrealen Traumwelt? Meinst du, das sei das Einzige was ich erfahren musste? Meinst du, ich wüsste nicht, was du da erzählst?
Du missverstehst sehr krass. Wenn ich Christophers (Name geändert und vielleicht auch das Geschlecht) Hautfarbe nicht dauernd sehe, ignoriere ich doch keine Probleme, die durch Diskriminierung oder Größenwahn entstehen. Ich ignoriere doch nicht sein Sein, schon gar nicht seine Identität! Christopher hat einen Kontext, eine Geschichte, Vorfahren, die ihn prägten, auf die er Stolz sein sollte. Und er lebt mehr in Deutschland, als in Afrika, wo er nicht einmal geboren wurde. Ich liebte es, mit seinem Vater Musik zu machen und von ihm seine Art zu lernen. Diese Familie schenke mir Einblick in ihre x-tausendjährige Kultur. Es war eine Ehre für mich, an ihren Gottesdiensten teilnehmen zu dürfen, mit der Familie und Freunden zu kochen, zu essen und zu tanzen. Ich ignoriere ihre Kultur nicht. Ich bin zwar ganz anders und im Vergleich zu dieser Familie ein echter Stoffel. Doch ich liebe ihre Kultur. Ich wäre gerne so offen und frei. Mir ist klar, dass es nicht meine Kultur ist und ich das niemals vollständig verstehen kann. Doch ich habe so viel von ihnen gelernt.
Ich kann ein Freund sein. Nicht weil sie „schwarz“ sind und schon gar nicht obwohl sie „schwarz“ sind. Sie sind einfach so wie sie sind und sie sind richtig. Lass meine Freunde und Freundinnen in Ruhe. Ich warne dich. Spalte nicht! Wir sitzen in einem Boot. Alle Farben der Menschen, aus allen Ländern, mit jedem Glauben, Männer, Frauen, Transen, Schwule und Lesben und meine Freund:in(?) ohne jedes Geschlecht, die gerade um staatliche Anerkennung und um einen Namen kämpft. Es gibt nur eine Welt. Wie leben darin gemeinsam.
Nun war das doch schon fast wieder eine Geschichte. Weißt du was, ganz im Vertrauen? Ich bin ein typischer Mann, egoistisch, ein Macher und ein Großmaul. Was nicht geht, dass wird gehend gemacht, notfalls mit dem Hammer. Und gescheitert wird total. Du wirst mich niemals weinen sehen. Doch tausend Dinge treiben mir die Tränen in die Augen. Jeden Tag. Jeden einzelnen Tag.
Pass bitte auf dich auf!
@Joachim:
Es tut mir sehr leid, dass mein Kommentar bei dir so ankam, dass ich Dir unterstelle, andere Perspektiven und Erlebnisse zu ignorieren. Das denke ich nicht- sonst würden wir uns hier nicht so intensiv austauschen. Ich entschuldige mich dafür, dass das für dich so klingt, auch wenn ich es nicht so meinte.
Ich wollte eher betonen, dass es bei Menschen, die sehr regelmäßig Diskriminierung erfahren, häufig nicht gerade vertrauensstiftend ist, wenn eine Person betont, sie sehe ein bestimmtes Merkmal nicht, dass für die Realität dieser Person prägend ist. Das ist alles.
Ich wollte dir nicht absprechen, dass du bereits versuchst, dich in die Realität von Frauen hinein zu versetzen.
Und wir sitzen nicht alle im selben Boot. Wir schwimmen vielleicht alle auf dem gleichen Ozean. Aber die Reise gestaltet sich sehr verschieden. Manche reisen in allen Komfort, andere klammern sich an ein Stück Holz. Und dass das so ist, hat nichts mit Zufall zu tun und alles mit Kolonialismus.
"Leider finde ich es trotzdem schwierig, wie sehr sich in diesem Bereich eine Sprache aus Abkürzungen und Spezialwörtern gebildet hat, die - meiner bescheidenen Meinung nach - zu einer Hürde geworden ist."
Stimmt! SO empfinde ich es auch.
Was mir hier - auch wenn ich mich ausgeschaltet habe - positiv auffällt, ist, daß hier RICHTIG diskutiert wird. Ohne daß gleich auf den anderen verbal eingeschlagen wird, weil der/die... was anderes sagt. Das hatte ich schon länger nicht mehr, schon gar nicht in Blogs, wo immer schnell die Fetzen fliegen.
@anneloewe: Um das eindeutig klarzustellen: Besonders du musst dich niemals, wirklich niemals bei mir entschuldigen. Bitte, tu das einfach nicht. Es gibt keinen Grund. Ich verstehe dich schon (ein wenig, glaube ich jedenfalls).
Nur so viel: Ich ignorieren nichts von dem was du sagst. Ich bin diese Nacht nur für mich auf deine Beschreibung der Situation von Frauen eingegangen, so gut es geht in der Hoffnung, meine Kompetenzen nicht zu überschreiten. Doch das würde dir nicht wirklich helfen. Es muss dir vorläufig reichen, dass ich mich auf eure Seite stelle, dass dein „Anliegen“ wichtig genug für mich ist, mich damit auseinander zu setzen, so wichtig, dass ich sogar kritisiere, ohne zu negieren oder die Deutungshoheit an mich reißen zu wollen. Ich muss nicht recht behalten. Daran liegt mir nichts.
Du darfst gerne sagen, ich würde nicht verstehen, darfst mich und besonders meine Geschichte naiv und kindlich nennen. Darum ging es ja. So ist das bei Menschen. Verstehen ist schwierig. Gerade auch für „Männer“. Deshalb das KISS-Prinzip: Keep it super simple! Kein Grund, nicht füreinander einzustehen oder etwas nicht zu tun.
Als alter Geschichtenerzähler ist klar, dass ich da doch noch etwas, auch extra für dich, stehen lassen muss von meinen hier gestrichenen Gedanken:
Ich würde so gerne meinem geliebten Sommerkind, der Freundin meiner Tochter von damals, die Frage nach Pippi Langstrumpf stellen. „Wie wäre es, wenn Pippi so wunderbar schwarz wäre wie du? Kannst du dir das vorstellen?“. Sie ist lange erwachsen und würde sagen: Sei nicht blöde. Gott ist schwarz und eine Frau.
@anneloewe: zu „nicht gerade vertrauensstiftend ist, wenn eine Person betont, sie sehe ein bestimmtes Merkmal nicht, dass für die Realität dieser Person prägend ist“
Das könnte missverständlich aufgefasst werden. Ich möchte anmerken, dass nicht das Merkmal die Person prägt. Es ist die Diskriminierung, die sich willkürlich an Merkmalen aufhängt, die Selbstvertrauen zerstört, klein macht und prägt. Diskriminierung hat einzig den (Un-)Sinn, sich über andere zu erheben, das eigene scheiß Ego größer zu machen, als der eigene beschränkte Horizont es eigentlich erlaubt. Es hat absolut nichts mit Merkmalen zu tun. Gibt es kein Merkmal so würdest du genau damit diskriminiert.
@Joachim:
Ich stimme voll überein, dass ein Merkmal nicht von sich aus ein Problem darstellt, sondern die damit einhergehende Diskriminierung.
Tatsächlich sind die Merkmale quasi komplett konstruiert. Zum Beispiel kann eine _weisse_Person dunklere Haut haben als eine Schwarze Person, dennoch wird die Schwarze Person Rassismus erfahren und die _weisse_ nicht. Das liegt an der Rassifizierung von Menschen.
Viele sprechen daher auch von gesellschaftlichen Markierungen. Und natürlich gibt es auch die entsprechenden Begriffe: Schwarz, mit dem großen S am Anfang, analog zu Black (das auch immer gross geschrieben wird, Person /People of Color und das kleine aber kursiv geschriebene _weiss_ bezeichnen nicht die Farbe der Haut, sondern die Rassifizierung, die gesellschaftliche Position, die Erfahrung von Rassismus oder eben nicht.
Manche Menschen sagen inzwischen dass ein Mensch behindert wird - nicht dass diese Person behindert IST. Denn die Behinderung ist oft nicht das Problem, die Hindernisse sind es.
Zudem wird oft nur die „Abweichung“ benannt: eine Frau - eine Schwarze Frau - eine Trans-Frau, eine behinderte Frau. Auf diese Weise werden Menschen markiert und und andere zur Norm gemacht, weil sie nicht beschrieben werden. Eine _weisse_, nicht-behinderte Cis-Frau. Daher kommt es auch, dass „alte _weisse_ Männer“ in aktivistischen Kreisen markiert wurden , denn die sind die ultimative „Norm“, es sollte sichtbar werden, dass auch sie eine bestimmte Perspektive haben, die nicht objektiv ist, was uns aber oft so verkauft wird.
Leider werden diese Konstituierungen von Markierungen sehr real im Leben der Menschen. DAS anzuerkennen gilt es. Darum geht es mir.
Wenn Du weißt, dass ich eine _weisse_, hetero cis Frau ohne Behinderung bin, weißt Du viel über meine Perspektive auf die Welt und einen Teil meiner Erfahrungen in dieser Welt. Das ist wichtig.
Und dann kommt natürlich das ganz individuelle, das eigene Schicksal, mein Umgang damit usw. Das erfährst du nur im persönlichen Kontakt.
Aber mir als _ weiße _ Frau begegnet die Gesellschaft um mich herum auf eine spezifische Weise, die sich davon unterscheidet, wie sie anders markierten Frauen* oder andere Personen begegnet.
@anneloewe: Offenbar stimmen wir nicht nur da überein. Es gibt aber noch offene Punkte (IMHO).
Der Eingriff durch "Konstituierungen von Markierungen" ist allerdings nur ein Teil des Problems - wenn auch der aus meiner Sicht wirklich bösen Auswirkungen (über die es problematisch ist zu reden, ohne neue Stereotypen und Vorurteile zu generieren).
Was noch schlimm ist ergibt sich aus der Umschreibung "Wir werden behindert".
Wenn ich einen E-Rollie mit durchaus gewichtiger Person zum Bahnsteig hoch schleppen muss, weil der Aufzug nicht geht, dann behindert mich und uns das erheblich. Da muss ich mich gar nicht solidarisieren. Ich bin schweiß überströmt betroffen.
Wenn Blinde auf offizielle Webseiten treffen und nicht barrierefreie PDFs oder Inhalte finden, so werden sie an der Ausübung ihrer Rechts, sich aus frei zugänglichen Quellen zu informieren, gehindert. Blindheit kann unmöglich eine Legitimation für die Verweigerung von Grundrechten sein. Insbesondere, wenn die Motivation die Webseite derart zu gestalten war: Tracking geht nicht ohne Java-Script.
Unsere Welt ist auf Autos bzw. auf eine behauptete Normalität optimiert, statt auf Menschen. Diese Definition von Normalität ist oftmals wirtschaftlich motiviert. Wenn du irgendwie aus der von us nselbst definierten subjektiven Norm raus fällst, bist du "im Arsch".
Allerdings verbessern sich auch vereinzelt Dinge. Deshalb ein kleines Lob für unsere Stadtverwaltung, die probehalber die Hauptstraße für den Autoverkehr gesperrt hat.
@Joachim:
🫶🫶🫶💯
Endlich mal kein „aber, und auch…“ von mir 🙈 100%ige Zustimmung!
Und ich feiere alle kleinen und großen Veränderungen!! Wenn ich bei einem Webshop plötzlich neben „Frau“ und „Herr“ auch „Person“ wählen kann, krieg ich ne kleine Dosis Dopamin für mein Hirn. Oder wenn Möhringen einen so coolen Umgang mit dem eigenen Logo versucht, wenn ich Webseiten öffne und „Einfache Sprache“ antreffe, wenn ich eine Doku sehe über eine Designerin, die krass geile Mode für Menschen mit Körpern designed, die aufgrund der speziellen Behinderungen ganz anders aussehen und in nichts von der Stange passen, wenn eine junge Inuit zusammen mit ihrer Mutter traditionelles Throat Singing lernt und darüber TikTokt, wenn ich die Bücher sehe, die es jetzt in „unserer“ Schule gibt, mit Held:innen, die so unterschiedlich sind, wir eben echte Menschen auch, wenn ich höre, dass jüngere Menschen „Vulva“ sagen, wenn sie die Vulva meinen, und nicht „Scheide“, wenn ein lieber Freund, dessen Gedanken und Einstellungen mir viel bedeuten und mich inspirieren, „Exit Racism“ anhört und sich Fragen stellt.
Der Blick in beide Richtungen ist stärkend für mich.
Zum „das wurde schon erkämpft“ und zum „das ist immer noch längst nicht okay“.
@anneloewe: Die Geschichte mit dem Bahnsteig ist schon eine Ewigkeit her. Das bedeutet: Veränderungen brauchen ewig. Das ist deutlich sichtbar bei den Rechten von Frauen (auch bei meiner Frau!). Wann war noch einmal "Der kleine Unterschied"? Ist uns das nicht peinlich? Mir schon.
Aber "egal", Hauptsache wir sind uns einig...
@daMax, ich sehe gerade oben im Browser "You and I are not alone here". Wie wahr. Trotzdem:
@anneloewe: Noch einmal zu „ich sehe dein Geschlecht nicht. Für mich bist du nur ein Mensch.“
Wir, meine Frau und ich haben nun eine ganze Zeit darüber diskutiert, Beispiele durchgesprochen und alles von innen nach außen gekehrt. Sie hat dir Recht gegeben, aber…
Okay, man muss auf die Unterschiede der Menschen eingehen. Diese Unterschiede sind aber nicht zwingend konsistent mit den Markern, die wir Menschen anheften. Meine Frau meint gerade: „man möchte schon gesehen werden als das was man ist“. Es wäre ja auch langweilig sonst.
Ich unterscheide nicht (so sehr) nach den Markern. Ich versuche statt dessen zu vermitteln: „ich sehe dich“. Ich achte aber darauf, dass es angemessen bleibt. Das Maß dabei ist Respekt und die Menschenwürde. Natürlich darf man Witze machen, locker sein, sogar bei Gelegenheit flirten wenn es nicht gerade auf einer Beerdigung ist.
Bei all dem bin ich allerdings weder „Lieb“ noch perfekt. Ich gehe klar nicht mit der Absicht auf Menschen zu, um als „Lieb“ empfunden zu werden. Es ist mir wichtiger und ehrlicher, als „ich“ wahrgenommen zu werden. Magst du mich dann nicht, dann ist das vollkommen okay und besser als ein Scheinbild an die Wand zu werfen.
In diesem Sinn werde ich weiter nicht nach den Markern (versuchen zu) unterscheiden.
--
"Natürlich" noch eine Anekdote zum Thema: Einer der ersten Songs, die ich auf der Gitarre spielen konnte, war Lola. Ich stand da vollkommen hormonübersättigt (heute glücklicherweise deutlich weniger hormonübersättigt) definitiv auf das andere Geschlecht (und auf meine Frau bis heute). Doch der Text von Lola war mir immer vollkommen klar.
Girls will be boys and boys will be girls
It's a mixed up muddled up shook up world.
So what?
@Joachim: das ist ja witzig, den Text kannte ich von Sigue Sigue Sputnik
@Joachim:
Ich finde definitiv auch, dass es Kontexte gibt, wo es gut und sogar sinnvoll ist, den Menschen einfach als Menschen zu sehen, insbesondere trifft das auf den persönlichen Kontakt und Freundschaften zu, finde ich.
Wenn Menschen aber über Rassismus oder eine andere Diskriminierungserfahrung sprechen wollen, dient das „für MICH bist du nur ein Mensch, ich sehe deine Markierung garnicht“ aber oft nur zur Abwehr des Themas und lenkt von der Realität der Erfahrung ab. Es exkludiert die Person von denen die die Diskriminierung (vermeintlich) verursachen (ich sehe dein Merkmal nicht einmal- ich bin nicht Teil des Problems). Statt anzuerkennen: ja, ich bin …. ….. und du bist …. …. und das macht deine Realität zu einer ganz anderen als meine und ich profitiere, zum Beispiel als _weisse_ Person, oder als männliche Person, oder als nicht Behinderte Person davon, dass DU diskriminierert wirst, denn dadurch bleiben für mich mehr Ressourcen an Wohnungen, Arbeitsplätzen, unbehelligtes bewegen in der Öffentlichkeit und andere Zugänge zu Bildung, Wohlstand und Komfort. Und DAS finde ich scheisse und versuche es zu ändern.
Und auch wenn ich viel recherchiere und mich intensiv beschäftige, werde ich deine Realität nicht ganz verstehen und akzeptiere dich als Expert:in.
@anneloewe: @daMax:
Lieber Max, verlinken ist eine gute Idee. Auf die Begriffe verzichten auf keinen Fall. Denn nur durch Verwendung werden sie bekannt.
Ich glaube aber weniger, dass es sprachliche Probleme oder Verständnis Probleme sind, die hier Schwierigkeiten machen.
Begriffe wie „Social distancing“ oder „Identitätspolitik“ haben sich ja auch sehr schnell durchgesetzt.
Es hat einfach auch mit dem Unwillen zu tun, marginalisierte Gruppen einzuräumen, dass sie eine Selbstbezeichnung fordern.
Bestimmt weniger hier in diesem Kontext, aber das begegnet mir sehr viel in anderen Kontexten.
Und das mit dem editieren klappt bei meinem IPhone gerade irgendwie nicht… auch nicht direkt nach dem Posten
@anneloewe: „Wenn Menschen aber über Rassismus oder eine andere Diskriminierungserfahrung sprechen“
diese Voraussetzung habe ich nicht gemacht! Mit mir reden Menschen über alles mögliche und selbstverständlich auch darüber (wie du hier siehst)
Ich denke, wir haben hier ein Kommunikations- und kein inhaltliches Problem. Das mag sehr wohl auch an mir liegen. Ich halte mich nicht für perfekt.
Was meinst du, wenn ich sage:
Ich sehe deine Hautfarbe oder dein Geschlecht nicht (mehr, als die Farben deiner Augen oder deiner Haare). Ich sehe aber sehr wohl die gesellschaftlichen Markierungen, die dir angeheftet werden. Du leidest nicht unter deiner Hautfarbe oder deinem Geschlecht - in der Regel, doch das wäre dann noch einmal ein anderer Punkt. Du leidest unter der Diskriminierung. Dafür kannst du überhaupt nichts. Ob ich dich mag oder was ich von dir halte hängt nicht von deiner Hautfarbe und schon gar nicht von irgend einer Markierung ab.
Das ist ein sehr gewaltiger Unterschied. Wenn wir ins Theater gehen, Spaß haben, irgend etwas unternehmen, also leben(!), dann ist mir deine Hautfarbe so lange egal, bis wieder irgend ein xxxxx Rassist kommt.
Ach ja, Theater. Es kam schon vor, dass ich für eine Rollie-Fahrer:in für einen akzeptablen Platz gesorgt habe. Wenn es einen Sinn macht, dann sehe ich durchaus. Nur hat das nichts damit zu tun, was ich von der Person halte oder ob ich sie gar mag (oder nicht mag).