Buchtipp: "Schrödingers Katze" Trilogie von Robert Anton Wilson
Dienstag, 28.7.2015, 08:52 > daMaxrun by a very closely-knit group
of nearly omnipotent people,
and you should think of those people
as yourself and your friends.
- Robert Anton Wilson
Dieses Buch habe ich gerade zum ungefähr 4. oder 5. Mal gelesen und es verliert einfach überhaupt nicht an Aktualität. Beim Betrachten dieses Vortrags über Empörungsmanagement fiel mir wieder ein, dass ich lange schon mal über das Buch schreiben wollte, also los.
Robert Anton Wilson (*1932 - ✝2007, Website) war Psychologe, Autor, Novellist, Essayist, Editor, Dramatiker, Poet, Futurist, wissenschaftlicher Schamane und selbsternannter agnostischer Mystiker. Er hatte von sehr vielen Dingen Ahnung und deshalb einen riesigen Durchblick. Diesen Durchblick kodierte er in alle seine Bücher, allerdings oft unter einer Maske von Clownerei, Absurdität, Pornographie und Nonsens, so dass nur wenige mit seinen Büchern etwas anfangen können.
Ihr aber, die ihr schon so lange meine Clownereien ertragt, seid geradezu prädestiniert, euch in Wilsons Gedankenwelt einzulesen und eure eigenen Erkenntnisse daraus zu ziehen. Die Schrödingers-Katze-Trilogie ist in meinen Augen ein perfekter Einstieg in die durchgedrehte Welt aus Sex, Drogen, Schamanismus, Bewusstseinserweiterung, Politik und Psychologie, die sich durch alle Bücher Wilsons zieht.
Ein Wort der Warnung: es gibt das Buch auch in einer 1-bändigen Ausgabe, die ist allerdings MASSIV gekürzt und deshalb in meinen Augen nicht zu empfehlen.
Ich könnte hunderte passende Zitate finden, die zeigen, dass dieses Buch selbst nach 35 Jahren noch topaktuell ist, aber soweit will ich dann doch nicht gehen. Statt dessen beschränke ich mich auf ein längeres Lesebeispiel, das meine Weltsicht auch heute noch entscheidend prägt:
Die sechsbeinige Mehrheit auf Terra wurde nie um ihre Meinung gebeten, als die domestizierten Primaten daran gingen, Waffen zu produzieren, die sämtliche Lebensformen auf diesem Planeten vernichten konnten. Das war nicht ungewöhnlich. Auch Fische, Vögel, Reptilien, Blumen, Bäume und nicht mal die anderen Säugetiere hatten das Recht, sich zu diesem Thema zu äußern. Man schloß sogar die wilden Primaten von der Entscheidung, derartige Waffen zu produzieren, aus. In Wirklichkeit hatte selbst ein Großteil der domestizierten Primaten nie ein Mitbestimmungsrecht in dieser Angelegenheit.
Eine Handvoll Alpha-Männchen aus den führenden Räuberbanden der domestizierten Primaten hatte die Entscheidung allein getroffen. Alle anderen Lebewesen auf dem Planeten - einschließlich der sechsbeinigen Mehrheit, die an der Politik der Primaten noch nie beteiligt worden war - mußten zusehen, wie sie mit den Konsequenzen fertig wurden.
Die meisten domestizierten Primaten auf Terra hatten keine Ahnung davon, daß sie Primaten waren. Sie hielten sich für etwas anderes und «Besseres» als den Rest des Planeten. Selbst Benny Benedict ging in seiner Kolumne «Noch ein Monat» davon aus. Benny hatte zwar Darwin gelesen, aber das war im College gewesen und schon eine Weile her. Er hatte dort auch von Wissenschaften wie Ethologie und Ökologie gehört, aber die Fakten der Evolution waren ihm nie richtig klargeworden. Er hielt sich keineswegs für einen Primaten und hatte auch noch nie bemerkt, daß seine Freunde und Bekannten welche waren. Vor allem erkannte er nicht, daß die Alpha-Männchen von Unistat typische Anführer von Primatenbanden waren. Als Folge dieser Unfähigkeit, das Offensichtliche zu sehen, war Benny ständig über sein eigenes Verhalten, und das seiner Freunde, Bekannten und besonders der Alpha-Männchen bekümmert, manchmal sogar richtiggehend entsetzt. Weil er nicht wußte, daß dies ein ganz normales Primatenverhalten ist, erschien es ihm einfach schrecklich.
Da man einen ziemlich großen Teil des Primatenverhaltens einfach schrecklich fand, verbrachten die meisten domestizierten Primaten eine Menge Zeit damit, ihre Machenschaften zu vertuschen. Einige Primaten wurden von anderen Primaten erwischt. Alle Primaten lebten in ständiger Angst, erwischt zu werden. Diejenigen, die erwischt worden waren, nannte man dreckige Scheißer.
Die Bezeichnung dreckiger Scheißer war ein aufschlußreicher Ausdruck aus der Primatenpsychologie. Ein wilder Primat (eine Schimpansin), der zwei domestizierten Primaten (Wissenschaftler) die Zeichensprache beigebracht hatten, brachte beispielsweise spontan die Zeichen für «Scheiße» und «Wissenschaftler» zusammen, um einen Wissenschaftler zu beschreiben, den sie nicht ausstehen konnte. Die Schimpansin nannte ihn also «Scheißwissenschaftler». Ein anderes Mal signalisierte sie «Scheiße» und «Schimpanse» für einen Schimpansen, den sie nicht mochte. Sie nannte ihn «Scheißschimpanse».
«Du dreckiger Scheißer», beschimpften die Primaten sich oft. Diese Metapher war tief in der Primatenpsychologie verwurzelt, denn Primaten markieren ihre Territorien mit ihren Exkrementen, und manchmal bewerfen sie sich sogar damit, wenn sie sich über ein bestimmtes Territorium streiten.
Ein Primat verfaßte ein dickes Buch, in dem er bis ins kleinste Detail schilderte, wie man politische Feinde bestrafen sollte. Er stellte sie sich in einem riesigen Loch im Erdboden vor, das voller Rauch, Flammen und Strömen von Scheiße war. Dieser Primat hieß Dante Alighieri.
Ein anderer Primat lehrte, daß jeder Primatensäugling eine Phase durchläuft, in der er hauptsächlich mit Bio-Überleben beschäftigt ist, das heißt mit Nahrung, das heißt mit Mamas Titten. Er nannte das die Orale Phase. Als nächstes durchläuft der Säugling eine Phase, in der er die Politik der Säugetiere erlernt, das heißt den Vater (Alpha - Männchen) und dessen Autorität und Territorialansprüche akzeptiert. Das nannte er, mit einer Sensibilität, über die nur ganz wenige Primaten verfügten, die Anale Phase. Dieser Primat hieß Freud. Er hatte sein eigenes Nervensystem auseinandergenommen und die Schaltkreise der einzelnen Komponenten untersucht, indem er ihren Aufbau in bestimmten Abständen mit Neurochemikalien veränderte.
Folgende Anal-Beleidigungen warfen sich die domestizierten Primaten an den Kopf, wenn sie um ihr Territorium kämpften: «Damit kannst du dir den Arsch abwischen», «Leck mich doch am Arsch», «Du steckst ja voller Scheiße» und viele andere.
Eins der meistbewunderten Alpha-Männchen im Königreich Franken war General Canbronne. General Canbronne verdankte diese Bewunderung einer Antwort, mit der er mal eine Aufforderung sich zu ergeben, pariert hatte. «Merde», war die Antwort von General Canbronne.
Das Wort «Petarde» bedeutet eine Art Bombe. Es stammt aus derselben altenglischen Wurzel wie das Wort «fart». General Canbronnes Mentalität war typisch für die Alpha-Männchen der militärischen Kaste.
Wenn Primaten in den Krieg zogen oder sonstwie gewalttätig wurden, sagten sie, sie würden ihren Feinden die Scheiße aus dem Leib prügeln. Sie redeten auch davon, sich gegenseitig fertigzumachen.
Die Primaten, die Unistat mit Atombomben vermint hatten, planten, die anderen Primaten nach Strich und Faden fertigzumachen.
PS: der Wiki-Artikel ist lesenswert.
"domestizierte Primaten"
Nette Umschreibung
Beschreibung. Und 'domestiziert' ist kein Kompliment.
Danke, werde ich mir aufjedenfall mal ansehen
@Peinhart: Klick und klick und klick.
@da]v[ax: Danke!
@Peinhart: Bildungsauftrag: erfüllt.