Symbolbild zur Kommunalwahl in Hessen
Montag, 7.3.2016, 08:42 > daMaxLandesweiter Durchschnitt:
CDU: 28,2%
SPD: 28,0%
AfD: 13,2%
Die Grünen: 11,6%
FDP: 6,3%
Die Linke: 3,7%
Wahlbeteiligung: 48%
Damit waren die Nichtwähler die stärkste Kraft im Land.
Zeichnen wir mal das Gesamtbild etwas detaillierter.
Prozentpunkte Stimmenverlust:
CDU -5.5
SPD -3.5
GRÜNE -6.7
Diese drei Parteien ZUSAMMEN haben jetzt nur 67.8% der abgegebenen Stimmen. Das ist für sich schon vernichtend.
Bei der Wahlbeteiligung von 48% bilden diese drei "Etablierten" ZUSAMMEN gerade mal 32,5% der Wahlberechtigten ab. Andersherum: für 2/3 der Wahlberechtigten sind die etablierten größeren Parteien keine Vertretung. Selbst in beliebigen Zusammenschlüssen CDU/SPD/GRÜNE läßt sich damit kein Wählermandat mehr legitimieren.
Folgerichtig trifft es auch alle Parteibündnisse:
CDU/SPD Koalition in Wiesbaden: abgewählt.
CDU/GRÜNE Koalitionen in Frankfurt und Darmstadt: abgewählt.
SPD/GRÜNE Koalitionen in Kassel, Offenbach und Marburg: abgewählt.
Nicht-Wahl und explizite Ablehnung überall. Kann es NOCH deutlicher sein? Diese glasklare Botschaft wird aber nirgends in dieser Schärfe formuliert und von den Parteien schon gar nicht anerkannt. Stattdessen bricht die SPD in Hessen eine Debatte darüber vom Zaun, daß das Wahlsystem zu kompliziert sei. Ist das noch Dummheit und Verblendung oder doch schon vorsätzliche Nicht-Zurkenntnisnahme?
Betrüblicherweise entlädt sich die (berechtigt unterschiedslose) Ablehnung der etablierten Parteien in faschistoidem Gedankengut. Jenachdem, wer sich da anbietet, ist das dann entweder AfD (Wiesbaden: 15.9%) oder NPD (Leun: 17.3%).
Den Schuh darf sich die CDU anziehen. Seit 1999 betrieb Roland Koch systematisch Ressentiments gegen Ausländer und Arme. Er hat das landesweit salonfähig gemacht und jetzt traut man sich, das auch expressis verbis zu wählen. Die Saat der Koch-Jahre geht auf. Jedes Verwundert-Sein und vorgebliche Empörung aus deren Ecke ist sowas von heuchlerisch-verlogen, da fehlen mir die Worte.
tl;dr
Die "Etablierten" haben fertig, weigern sich aber, das zu sehen. Die globale Ablehnung entlädt sich in offenem Faschismus. Geschichte wiederholt sich doch!
Kommunalwahlen, nicht Landtagswahl. Die obigen Ergebnisse kommen wohl aus irgendeiner Kommune und nicht aus dem ganzen Land. Oder?
@Pogo: oops. Sorry. Kommunalwahlen. Nee, das sind die landesweiten Durchschnittswerte.
@Pogo:
Kumulierte Ergebnisse aus allen Kommunen (genauer: 64% der Stimmergebnisse aus den Kommunen, die restlichen 36% müssen wegen Panaschieren und Kumulieren etwas aufwendiger gezählt werden, das dauert noch an). In diesem Sinne, entgegen aller Beteuerungen der etablierten Parteien, ein summarisches Stimmungbild. Das geht zwar, je nach angetretenen Parteien in den Kommunen individuell etwas spezieller zu, aber als Bild der Gesamtlage ist es doch valide.
http://wahlergebnisse.hessenschau.de/wahlen/kommunalwahl2016/hr-archiv.html?q=06000000
Rechts kann man die Kommunen selektieren, z.B. das o.g. Wiesbaden und Leun. Das Mittel über alle Kommunen ist dann das "Landesergebnis" (Kopfeintrag der Liste).
Hier ein paar Einzelbewertungen in Sachen "Highlights & Koalitionen":
http://hessenschau.de/politik/wahlen/kommunalwahlen-2016/afd-mit-zweistelligen-ergebnissen---schwarz-gruen-in-frankfurt-abgewaehlt,kommunalwahl-auszaehlung-100.html
Tja. Die Ergebnisse spiegeln wider, warum ich überhaupt noch zur Wahl gehe: In der Hoffnung, mit meiner Stimme dazu beizutragen, dass der rechte Rand, egal wie er gerade heißt, nicht noch stärker wird. Ansonsten würde ich auch die Zahl der Nichtwähler vergrößern. Die Politik, die nur noch Interessengruppen kennt und auf die nächste Wiederwahl schielt und dabei die Menschen völlig aus den Augen verliert, könnte mir ansonsten gestohlen bleiben. Ich glaube, bei der nächsten Wahl nehme ich einen Würfel mit.
evtl. sollte man doch über eine Wahlpflicht nachdenken.
Ja, das ist ein schweres Thema, ich weiss..
Wahlpflicht muss ja nicht bedeuten, dass man unbedingt eine Partei/Person/Verein/Schaf wählen muss, das ist und muss ja geheim bleiben. Aber evtl. machen sich dann Mehr Leute Gedanken ob sie doch einer Partei die Stimme geben.
So, jetzt werd ich zerissen, dass Wahlpflicht ja böse ist und nicht Demokratisch und dass wenn ich nicht wählen will ich auch nicht gehen will und dass man Leute nicht zu Ihrem Glück zwingen kann ..
Und ja, das kann auch dazu führen dass Demagogische Parteien die mehrheite bekommen, was ich aber nicht Denke. Die Leute, die "den Etablierten" eines Auswischen wollen und z.B. AFD wählen, die gehen ja sicher jetzt schon aktiv zur Wahl um es "denen" zu Zeigen.
Lasst die Diskussion losgehen Ich bin auf spannende Argumente gespannt.
@fronti:
Nur unter 2 Voraussetzungen:
1. Auf allen Wahlscheinen gibt es die Option "keinen von denen"
2. Die Anzahl politischer Posten wird um so viel Prozent gekürzt, wie Leute diese Option gewählt haben.
Vorbedingung für (2): die Zahl der Posten wird nicht vorher erhöht, um Streichpotential rauszuarbeiten.
So manifestieren sich die derzeitigen bewußten Nichtwähler und Ungültig-Wähler und können ihrem Willen Ausdruck verleihen - was jetzt halt nicht geht und deshalb absichtlich uminterpretiert wird.
Die Politik kann direkt abgestraft werden und das Gerede vom "schlechten Wetter", "allgemeinem Desinteresse", "grundsätzlicher Zustimmung" und "zu komplizierten Wahlscheinen" hat bezüglich Nichtwählern und Ungültig-Wählern ein für allemal ein Ende.
Eine per Wahlpflicht zu jetzigen Bedingungen erzwungene Legitimierung vom Leuten, die allesamt nicht die Interessen des jeweiligen Wählers vertreten, ist nicht hinnehmbar.
@OldFart:
Bin da ganz Deiner Meinung. Wenn es eine Wahlpflicht gibt, muss es eine Option geben, alle Parteien "abzuwählen". Was genau der Grund ist, warum die Politik eine Wahlpflicht nicht wollen wird - weil sie dann keine Ausreden mehr haben, wenn die Menschen sie summarisch abwählen.
@ein anderer Stefan: ja, die option kann man ja einbauen auf den Zettel. Spricht nix dagegen. Nur was ist der Sinn? Was soll statt dessen kommen?
Ja, die derzeit mit Geld vollgepumpten Parteien und Politiker muss man nicht wählen und man sollte Zeigen können dass man frische und anders denkende Leute dort sehen möchte.
Klar kann man auch anfangen, einen Staat ohne eine Führung zu generieren sei es mit Online Abstimmungen, liquid feedback und so weiter..
Ich finde das ist ein spannedes Thema und freue mich über die Diskussion und die Angebrachten punkte
@OldFart: Das ist richtig, dass Nichtwähler sich nicht durch die Parteien angesprochen fühlen, allerdings bestünde für jeden dieser Menschen, sofern er zwei bis drei andere findet, die Möglichkeit selbst eine Partei zu gründen.
Nicht zu wählen ist viel mehr die stillschweigende Akzeptanz der Meinung der übrigen Bevölkerung und der Verzicht auf Mitbestimmung.
Nichtstun als Ablehnung aufzufassen ist mindestens so falsch wie Nichtstun als Zustimmung zu etwas zu interpretieren (Facebooks Abstimmung zu ihren neuen AGB, bei der mindestens ein Drittel der Nutzer Widerspruch hätten einlegen müssen).
@OldFart: Sollte "Keine von denen" die Mehrheit der Wähler überzeugen können, dann stellt sich jedoch die Frage, wie man daraufhin eine Regierung zusammenstellen soll ODER eine andere Struktur schafft, die für die Organisation einer Gesellschaft notwendig ist (der Umstand, dass das Schaffen einer neue Organisationsform auch entsprechend aller Bürger Zustimmung erfordern würde und wenig an der Vereinbarkeit deren Interessen verbesserte sei mal dahingestellt).
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tl;dr: Wahlen müssen konstruktiv eine neue Regierung bestimmen, sonst wären sie nutzlos. Niemand ist ausgeschlossen eine eigene Partei zu gründen, eine Nichtwahl ist per Definition keine Meinungsäußerung.
@meh:
> ... dann stellt sich jedoch die Frage, wie man daraufhin eine
> Regierung zusammenstellen soll ...
Genau das soll mit der Posten-Streichungssanktion evolutionär verbessert werden. Je mehr sich die Parteien von der Durchsetzung der Wählerinteressen verabschieden (wie es mit der ganzen neoliberalen Agenda ja der Fall ist), desto schärfer wird das im nächsten Durchgang durch die Wahl von "keiner von denen" sanktioniert. Dann bleiben immer mehr politische Posten unbesetzt. Dann wird sich sicher jemand mit Interesse an diesem Posten finden. Und der Weg dahin besteht darin, die Wählerinteressen zu erfüllen.
Das Problem derzeit ist, daß ALLES, was die Politik anrichtet, völlig sanktionsfrei ist. Selbst bei Bruch der Wahlzusagen (Mehrwertsteuererhöhung), Ämterpatronage (Niebel & Friends), Hochverrat (NSA/BND), offener Korruption und Straftaten (Kohl, Koch) und Verfassungsbruch (ESM) passiert GAR NICHTS. Die Beispiele dafür sind Legion. Die Parteien fühlen sich noch nicht einmal delegitimiert durch massive Wahlenthaltung. Die feiern sich immer noch als Wahlsieger, wenn sie mit 30% Stimmen von 50% Wahlbeteiligung vom Platz gehen. Da müssen Konsequenzen her! Es muß ein Hebel her, mit dem diese generelle Verantwortungs- und Straflosigkeit beseitigt und Delegitimierung in real existierende Nachteile für die politische Klasse umgesetzt wird. Vorschlag: fester Einwohner/Mandatsträger-Schlüssel und von der daraus errechenbaren Mandatsträgerzahl wird nur soviel besetzt, wie Wahlbeteiligung war. Anders herum: Warum wächst eigentlich die Zahl der Mandatsträger ständig (http://www.bpb.de/politik/wahlen/bundestagswahlen/163311/das-neue-wahlrecht?p=all)? Einfache Antwort: Politische Postenversorgung! Das muß aufhören und als Druckmittel genutzt werden.
Natürlich braucht es ein paar Runden, bis sich der Zusammenhang von Wählerinteressensdurchsetzung und Postenerhalt bzw. Interessensverletzung und Postenstreichung im Hirn einfährt, aber sei's drum. Belgien hatte lange keine Regierung (http://www.handelsblatt.com/politik/international/nach-541-tagen-belgien-hat-offiziell-eine-regierung/5945598.html) und das war die beste Zeit, die sie je hatten. Keine neuen Gesetze, aber auch keine weitere Verschlechterung.
> ... eine Nichtwahl ist per Definition keine Meinungsäußerung.
Ja eben, dann schaffen wir doch eine zugehörige Form expliziter Meinungsäußerung: "Keiner von denen".
@meh: Dein Argument wie das von fronti sind moralisch wichtig, aber systematisch bringt es uns doch nicht vorran. Wenn die Nicht-Wähler alle Parteien bilden würden, gäbe es Parteien so häufig wie Meinungen. Dann gibt es noch eine gewisse Prozenthürde, die diese nicht nehmen können. Resultat: die aktuellen Prozente wären diesselben, aber "es hätten alle gewählt".
Eben nicht. Was relevant ist (oder wird), muss hier auch eine Bedeutung haben. Das man nicht konform mit den integrierten Parteien ist, zeigt Hessen wenigstens auf diese Weise.
Meh, ein Gegenargument für dich: wer für die Volksparteien ohne wirkliche Überzeugung wählt, hat zwar was gegen Rechte getan, aber die wählende Person muss die folgenden schwerwiegenden Fehlverhalten der gewählten Parteien akzeptieren und als "Kollateralschäden" hinnehmen. Versuche mal bitte dir vorzustellen, komplett entgegen deiner eigenen Meinung und Ansicht der Welt zu handeln. Ein Grauen der auch mental sehr schädlich sein kann, wenn dieses Verhalten nicht eigenständig begründet werden kann.
Deswegen sind Gegenmeinungen wichtig, auch damit die Menschen selbst glauben das alle miteinander kommunizieren. Da ist Kritik eben notwendig und diese wird hier unter dem Begriff "Nicht-Wähler" als unbedeutend und folglich moralisch verwerflich angesehen.
Dabei bilden sie die Mehrheit.
Ich fände es deswegen äußerst interessant, wenn OldFarts Vorschlag durchgesetzt werden würde. Es ist die Frage wie man die ignorante Köpfe in den Parteien bitteschön wecken kann. Das aktuelle Wahlsystem kann das nicht, wie wir sehen. Es ist bezeichnend wie man beobachten kann, dass die Wahlbeteiligung ein kleines Licht in den Nachrichten ist.
Persönlich schließe mich da ein anderer Stefan an, aber daran zweifle ich regelmäßig weil ich die Gründe von daMax nicht unbedeutend finde, da wir eben in der aktuellen Systematik keine Änderung erwarten können.
Die hessische Wahl ist beispielhaft. OldFarts Vorschlag könnte einen imposanten Schock der Parteien auslösen und zum Umdenken bewegen, weil die demonstartive Haltung auch öffentlich (und international) endlich erkennbar wäre.
[image-"sauce" plz, ist sehr schön.]
@Lilli: Ich hab das von da: http://wonko.soup.io/post/680774639/Image
Mehr Quelle habe ich leider auch nicht.
@da]v[ax:
[Habe Ihn gefunden, und was für ein Schatz!
René Maltête ((1930–2000), der hat nur "solche Bilder" gemacht. Kannte ein paar Bilder von Ihm, aber nicht seinen Namen ( http://4.bp.blogspot.com/-PoDYK2a_sMs/UBufG2uWsyI/AAAAAAAAA9c/AzusUNkEsSM/s1600/photo+sirene+ren%C3%A9+malt%C3%AAte.jpg )
https://fr.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Malt%C3%AAte
http://rene.maltete.com/
"Merci beaucoup"! Wider was zum suchen und stöbern gefunden...]
@Lilli: Oh cool!
@ Lilli
Ganz toller Fang...
@fronti: Wäre ich einer der ersten, der für die Nichteinhaltung bestraft würde.
Aber wenn ich wählen geh, so hab ich doch das System akzeptiert und muß dann auch, obwohl ich was anderes gewählt hab, mit Sch...ße zufrieden sein, wenn meine Partei oder das kleinere Übel verliert (mir wird übel). Eben weil ich das System akzeptiert hab durch meine Teilnahme.
Micha
@OldFart:
die möglichkeit gibts schon immer. einfach ungültig wählen. abgegebene stimmen müßen gezählt werden und wenn die ungültigen dann mehr als fünfzig prozent ausmachen. tja dann ist die ganze wahl ungültig.
grüße
michali
ps.: die dänen haben wahlpflicht. ist bei denen die politik besser....
Wer nicht wählen geht, zeigt, dass er mit der Politik zufrieden ist.
Daher wie vorgeschlagen: hingehen und den Wahlzettel durchstreichen.
Wahlbeteiligung steigt und Politik sieht, dass sie was falsch gemacht hat.
"Wahlbeteiligung steigt und Politik sieht, dass sie was falsch gemacht hat."
@michali, 20
@emil, 21
Ich probier es noch einmal: wer in der jetzigen Wahlsystematik ungültig wählt, wird genauso ignoriert, wie die, die nicht wählen. Ich kenne aus meinem persönlichen Umfeld mindestens 5 Leute, die ihre Unzufriedenheit dadurch bekunden, daß sie gemäß eurer Logik den ganzen Wahlzettel durchstreichen. Darüber haben wir lang und breit diskutiert, deswegen weiß ich das gesichert. Die dürfen sich jetzt nachsagen lassen, daß sie keine Meinung artikuliert haben, sondern zu blöd zum Kreuzchenmachen sind. So sieht die Relevanz von "Ungültig" und das diesbezügliche "Lernen der Politik" aus:
http://hessenschau.de/politik/video-12416~_story-kommunalwahl-auszaehlung-100.html
Zwischen 2:30 und 2:45
Das war der Sprachregelungs-Startschuß und zieht jetzt Kreise. Einfach mal in der Berichterstattung nachlesen. Framing und Agendasetting gelungen: "Ungültig ist nicht als politisch relevante Meinungsäußerung zu werten". Soviel zur Lernfähigkeit der Parteien und den Artikulationsmöglichkeiten der Wähler. Wir brauchen die explizite Möglichkeit, die Delegitimierung der Politik auszudrücken. Vorzugsweise mit Konsequenzen, die die spüren und weder dementieren noch reframen können.
Nochmal zur Dimension der Mißachtung der Wähler: CDU/SPD/GRÜNE wurden ZUSAMMEN nur von 1/3 der Wähler legitimiert. Das ist kein politisches Mandat! Das unmißverständlich klarzustellen, das muß möglich sein und da will ich mit meinem Vorschlag hin.
Wie kann ich (Lohn-)Arbeit, Warenwirtschaft, Privateigentum, etc. abwählen, innerhalb eines Systems, das darauf konstituiert ist?
Warum soll ich es akzeptieren, dass jemand angeblich meine Interessen vertreten will? Wie soll jemand das überhaupt können?
Warum soll ich mir dauernd eine Herrschaft wählen müssen?
@OldFart: Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein neues Wahlsystem müsste ja politisch beschlossen werden, und alleine deswegen wird es kein Wahlsystem mit einer Option geben, die der Politik ingesamt den Stinkefinger zeigt. Die stellen sich doch nicht selber an den Pranger, um sich mit Dreck bewerfen zu lassen, schon gar nicht, weil Kritikfähigkeit in der Politik eher zu den seltenen Gaben zu gehören scheint.
Die Parteien nehmen für sich in Anspruch (ob nun aus Überzeugung oder Opportunität), den Wählerwillen zu repräsentieren und können (oder wollen) sich offenbar gar nicht vorstellen , dass das nicht so ist. Deswegen können sie rein systematisch ungültigen Stimmen und den Nichtwählern kein politisches Gewicht zumessen und müssen das irgendwie wegerklären. Das wird mit weiter sinkender Wahlbeteiligung immer absurder. Um diesen Widerspruch auszuhalten, wird der Wähler irgendwann insgesamt ausgeblendet, und nur noch die Zahlen für die jeweils eigene Partei haben eine Bedeutung. Auf die Idee, mal die Ursachen für die Poltikverdrossenheit ernsthaft zu erkunden, kommen die schon gar nicht mehr, weil sie sich dann mit unangenehmen Aussagen konfrontiert sähen.
"There are three things I have learned never to discuss with people: religion, politics, and the Great Pumpkin." ;D
@ein anderer Stefan:
Natürlich werden wir all das nicht bekommen. Und zwar aus genau den Gründen, die Du benennst. Da bin ich ganz bei Dir.
Aber ich halte es trotzdem für nötig, diese ganze Farce von wegen "Repräsentation des Souveräns durch die Politiker" bloßzustellen und mit einem umsetzbaren Vorschlag aufzuzeigen, was uns schon INNERHALB des Systems so alles NICHT zugestanden wird. Nämlich die nachweisliche Nagelprobe, wie weit es mit der Legitimation der Politik wirklich her ist.
Zum anderen wehre ich mich ganz entschieden dagegen, daß jetzt schon wieder die politische Sprachregelung von den "zu komplizierten Wahlen" (Ungülig-Wähler) und der "impliziten Zustimmung" (Nichtwähler) gesetzt wird, um vom eigentlichen Problem der doch offenkundigen Nicht-Legitimierung der Politik abzulenken. Die Forderung nach einer Wahlpflicht entspringt aus genau diesem Narrativ. Wer damit ums Eck kommt, kriegt von mir die Antwort: "Gut, dann messen wir, ob Deine Interpretation stimmt. Her mit der Wahloption keiner-von-denen. Your turn!".
@OldFart:
Ja, ich kann das, was Du sagst, nachvollziehen. Ich sehe meine Aussage auch nicht im Widerspruch zu Deiner Forderung.
Wenn es dem Wähler wirklich wichtig ist, setzt er sich auch mit tischdeckengroßen Wahlzetteln auseinander, wie die Kommunalwahl in Hessen ja gezeigt hat, zumindest bei denen, die gewählt haben. Insofern ist das Argument der "zu komplizierten Wahlen" offensichtlicher Bullshit, die ungültigen Stimmen sind wahrscheinlich Absicht, und nicht Dummheit der Wähler (was dem Wähler damit ja nebenbei unterstellt wird).
Den Nichtwählern implizite Zustimmung zu unterstellen, ist eine Frechheit, die der Scheinlegitimation der Politik dient, da gebe ich Dir recht. Das ist ein Pippi-Langstrumpf-Effekt, mit dem sich die politischen Akteure gerne mal die Wirklichkeit zurechtbiegen. Insofern wäre die Einführung der Option "Keiner von Denen" auch ohne Wahlpflicht ein Augenöffner.
Bis dahin müssten die Medien auch mal unbequeme Fragen stellen - wie kommt die Politik zu der Annahme, dass Schweigen Zustimmung bedeutet? Was tut die Politik, damit sie wieder eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung findet? Selbst diejenigen, die gewählt haben, finden die "etablierten" Parteien ja im weiten Teilen offenbar nicht wählbar. Warum ist das so? Und: wieso wählen "Protestwähler" in Deutschland immer die rechten Parteien? Gut, die Frage geht auch an die Wähler.
Wenn ich mich nicht irre, befindet sich die Wahlbeteiligung seit ca. 40 Jahren in einem kontinuierlichen Sinkflug. (Gut, davon bin ich nur seit knapp 30 Jahren wahlberechtigt). Da wäre es doch mal interessant, die Zustimmungswerte zur Politik der jeweiligen Regierung ins Verhältnis zu setzen. Das könnte ein Indiz dafür sein, ob die These "Schweigen ist Zustimmung" zutrifft oder nicht.
Spätestens seit Kohl ist die Politik doch in einem "weiter so!" erstarrt, und die etablierten Parteien haben sich derart aneinander angeglichen, dass es wirklich so scheint, dass Thatchers TINA richtig sei. Wenn die Politik aber nur Scheinalternativen bereithält, lohnt sich das Wählen ja auch nicht - die Wahl zu haben, heißt ja auch, Alternativen zu haben. Wenn ich den gleichen Mist kriege und nur die Farbe der Verpackung wähle, ist es schon egal. (Und wenn es dann mal jemand wagt, eine Abweichung zu probieren, egal wie sinnvoll sie sein mag, wird er so lange weichgeprügelt, bis er aufgibt - siehe Syriza oder Podemos).
Wow, hier geht's ja ab! Bitte entschuldigt meine Enthaltung, aber ich mache das wie mit dem Wählen: ich sag nix mehr Finde es aber toll, dass ihr so engagiert diskutiert.