Die rassistischen Haarwürste
Dienstag, 27.4.2021, 13:35 > daMaxEr habe damit eine Grenze überschritten, sei unsensibel gegenüber Schwarzen und ihrer Kultur, finden einige.
Klar. Und Tattoos erstmal! Die dürfen gefälligst nur reinblütige Polynesier mit astreinem, mindestens 10 Generationen zurückreichendem Stammbaum tragen!! Ohrringe sind Vergewaltigung! Nagellack ist Genozid!
Ihr habt doch nicht mehr alle Latten am Zaun, ihr Wokenessnazis
*PS: Rosa ist keine Farbe, oder was?
https://youtu.be/Rq74bZqbOqA
@loui: oh ja. Genau das! Danke!
Ich denke, das ist komplizierter. Kultur wurde schon immer "kopiert". Bei Kultur handelt sich es aber um weit mehr als Haare. Wenn jemand also einer kulturellen Gruppe angehört, dann kann der es schonmal als "seltsam" bis unverschämt empfinden, wenn ein Außenstehender einen Teil willkürlich kopiert um, wie Bieber, nur Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Klar ist das eine Unterstellung. Doch "Künstler" leben von Aufmerksamkeit.
Die Vermutung liegt nahe. Gegen diesen Missbrauch meiner Kultur (so ich eine hätte) würde ich mich auch wehren. Gerade auch "Schwarze" haben bittere Erfahrungen gemacht. Wir haben ihren Jazz gestohlen und verdreht, wir haben ihren Blues geklaut und Millionen über Millionen mit weichgespülten Versionen davon gemacht, ohne das Dilemma und die Kultur, aus dem das entstand, überhaupt wahrzunehmen.
Wir sind rassistisch, nahmen ihnen alles und kopieren nun auch ihre Haare, ihre Kultur. Ist das keine Verarsche?
Wird jetzt zu lang. Ich denke ihr versteht den Spin, diese andere Seite der Medaille.
Joachim, so sehr ich deinen Standpunkt verstehen kann, deine Argumentation ist – sagen wir mal – suboptimal, denn du bringst da einiges durcheinander.
Hat Chet Baker seine Kompositionen bei Charlie Parker geklaut? Paul Desmond bei John Coltrane oder Pat Metheny bei Wes Montgomery? Wie sieht es bei Dave Brubeck aus? Nur ein Kopist von Oscar Petterson?
Warum starteten B.B King und Eric Clapton gemeinsame Projekte, wo doch der eine doch nur eine weiße verwässerte Version des anderen war?
Charlie Parker holte Chet Baker in seine Band, weil er ihn als Musiker und Arrangeur schätzte, nicht weil er in ihm einen Weißen sah, der epigonenhaft das nachspielte, was irgendwelche schwarzen Trompeter schon vorher gespielt hatten.
Und was ist mit Duke Ellington, der J.S.Bach als einen seiner musikalischen Vorbilder sah? In den späten Kompositionen des Dukes kann man den Bach schon manchmal heraushören. Hat er damit Weißen die klassische Musik geklaut? So einen Unsinn würde allenfalls ein Klan-Chef aus Alabama behaupten.
Mit deiner Aussage sprichst du vielen Künstlern ihre Kreativität und ihr Können ab, nur weil sie weiß sind. Und natürlich weiß ich, dass du das gar nicht gemeint hast. Wen du eigentlich treffen wolltest, das sind die Musikverleger und ihre Labels, die ihre schwarzen Musiker ausbeuteten und beschissen wo sie nur konnten (machen sie mit dem Großteil ihrer Musiker auch heute noch, solange diese keinen Superstarstatus haben).
Aber in diesem Moment betreten wir eine andere Ebene: Es geht um Ausbeutung. Nicht um Rassismus oder kulturelle Aneignung. Ausbeutung ist der Grundwesenszug des Kapitalismus. Und in dieser Sache ist er ganz egalitär. Es ist ihm herzlich egal, wen er ausbeutet und welche Hautfarbe er hat. Hauptsache dieses Objekt bringt genügend Gewinn.
Darüber lohnt sich zu reden, aber nicht über Justin Biebers Locken. Kulturelle Aneignung. My ass, da hat der Junge doch keine Sekunde drüber nachgedacht. Weil wenn er darüber nachgedacht hätte, hätte er sich nicht ausgerechnet eine Rasta-Frisur gemacht. Der gemeine Rasta ist nämlich ziemlich homophob und meint darüber hinaus, dass Frauen Kinder kriegen und kochen und ansonsten ihr Maul halten sollen. Von Haille Selassie wollen wir gar nicht reden. Ich glaube, mit solchen Leuten will Bieber nicht in einen Topf geworfen werden. Er fand’s einfach cool. Na und?
Diese ganze Empörungsbagage auf Twitter oder in den anderen sozialen Netzwerken: Das ist eitel und wohlfeil, denn eine eigentliche Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse wollen diese Leute gar nicht. Sie leben ganz gut mit ihren Gendersternchen und ihrer gespielten Empörung, denn so können sie vorgeben, sie seien die Guten und gleichzeitig auch Beifall klatschen, wenn der Islami eine Bombe aufs Haupt bekommt, weil der behandelt ja seine Frau schlecht.
Diese Leute sind mir ein größeres Ärgernis als Justin Bieber. Und du solltest dich nicht mit ihnen gemein machen.
@Thelonious: Ich habe jetzt ein Problem. Wie soll ich darauf antworten?
Du hast es verstanden? Wie überheblich von mir! Trotzdem, beim besten Willen, ich kann nicht widersprechen. Nirgendwo! Ganz persönlich, die anderen schauen mal kurz weg: Danke für diese Antwort.
Nachtrag zu Thelonious klugem Text, weil ich es unangemessen finde, ihn mit drei Zeilen abzuspeisen:
"du bringst da einiges durcheinander"
War es nicht Miles Davis, der meinte, wenn du alles verstehen würdest, was ich sage, dann wärst du ich. Na gut, ich sagte schon, du hättest verstanden. Sehr seltsam.
Miles der 'leave out the butter tones' und 'Fehler gibt es nicht' war es auch der sich beschwerte, als sich seine Plattenfirma an das falsche Publikum wandte. Die Musik sei für Schwarze und hatte da ganz ohne Rassismus da einen Punkt. Es ging um Kultur. Es ging um seine Musik.
Es war sicher nicht meine Absicht Künstlern Kreativität abzusprechen. Im Gegenteil. Wir stehen alle auf den Schultern von Riesen. Wie gerne hätte ich alle die kennen gelernt, von denen du gesprochen hast. Zusätzlich aber dringend Thelonious Monk. Der war Musik sogar dann, wenn der einfach mal so von der Bühne ging. Ich bin ja schon froh Volker Kriegel gesehen zu haben. Nein, nicht mit Alexis Korner im Polizeiwagen - damit hatte ich nichts zu tun!
Das die Leute um Charly Parker sich alle kannten und gemeinsam etwas vollkommen Neues schafften war einmalig. Sie haben sich alle beeinflusst, so wie z.b. Ella vom Saxophon-Solo beeinflusst "walisch" erfunden hatte. Chet Baker und Charly Parker? My Funny Valentine, irgendwann aus den 1030'ern(?) hat eine sehr starke Tradition und ist gleichzeitig ein echtes Original. Gerade in der Version von Chet Baker. Miles Davis und John Coltrane, Ella Fitzgerald haben den auch eingespielt. Keine Beziehung zu Charly Parker?
Doch B.B.King und Clapton hatte schon was von "Show". Wenn es um Blues geht, dann hätte mich lieber zu Robert Johnson auf die Veranda gesetzt, mit ihm gesoffen und Sweet Home Chicago gespielt. Na gut, ich hätte zahlen müssen. Ist okay. "I'm heavy loaded, baby. I'm booked, I gotta go".
Reicht das? Ja, ich verstehe, das reicht nicht. Gut, wenn wir uns hier nicht mehr sehen, wir sehen uns in der nächsten Welt. Komm nicht so spät (Hendrix, Voodo Child)
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Und an @Max: ich hasse es in der Liste der neuen Posts aufzutauchen. Ist das gemacht, damit ich endlich mal den Mund halte? Ja ja, schon kapiert. Bin schon still.
@Thelonious: Wenn ich den Preis für den besten Kommentar des Monats ausloben würde dann....
Ach was! Ich kann das doch! Also:
Sehr geehrter Thelonious, hiermit überreiche ich dir feierlich den Pokal für den besten Kommentar des Monats April 2021:
Pokal: daMax [CC BY-NC-SA]
Based on this by Birmingham Museum and Art Gallery [CC BY-NC-SA]
Ich meine das ganz im Ernst und ironiefrei. Dein Kommentar ist zu 100% korrekt und richtig und durchdacht und solche Diskussionen würde ich mir im Internet wünschen, dann hätte ich wieder mehr Interesse an dem ganzen Blafasel. Leider driften die allermeisten Kommentare heutzutage entweder in Zynismus oder Wirrfaseln oder rhetorische Fragen oder Rabulismus ab, und das langweilt mich alles nur noch. Aber dein Kommentar zeigt auf, dass es auch anders geht. 💝
und @Joachim:
Wieso denkt eigentlich jeder, die Welt würde sich nur um ihn drehen? Seufz Nee, das ist natürlich nicht dazu da, dich persönlich zu ärgern, sondern damit die anderen beiden Leser sehen können, wo hier was abgeht
@daMax: und dir lieber damax muss ich mal sagen: so eine, für dich fast typische Reaktion ist der Grund, warum ich diesen Blog lese. Das scheint mir die Ursache, warum du außergewöhnliche Kommentatoren hast. Es gibt nicht mehr sooo viele solche Blogs.
Nach Lob - mehr geht eigentlich nicht - aber auch "Widerspruch". Ich mag mich nicht in der Liste sehen, geade weil ich mir wünsche, dass es um Inhalte und nicht um mich geht. Ich will hier ganz sicher nichts okkupieren. Ich bin hier nur Gast.
Die Funktionalität selbst ist natürlich ein Feature und sehr praktisch.
@Joachim: ey, mach dir mal keinen Kopp um die "Und ihr so..."-Liste, die füllt sich auch ganz alleine wieder mit anderen Leuten. Alles ist gut Und danke für die Blumen
True dat
Verspätet ein meiner persönlines Meinung zu den Haaren entsprechendes Video:
https://youtu.be/eDaNejmf-1A
nur weil ich mal ein Kinderlied zu diesem Thema gemacht hatte und das mich daran erinnert fühlte...