Bedingt abwehrbereit

Montag, 29.9.2014, 06:54 > daMax

An undated archive picture shows a dog pulling a Belgian machine gun at an unknown location in northern France. A Viscount in the Armoured Cavalry Branch of the French Army left behind a collection of hundreds of glass plates taken during World War One (WWI) that have never before been published. The images, by an unknown photographer, show the daily life of soldiers in the trenches, destruction of towns and military leaders. The year 2014 marks the 100th anniversary of the start of WWI.   REUTERS/Collection Odette Carrez (FRANCE - Tags: CONFLICT ANNIVERSARY MILITARY TPX IMAGES OF THE DAY ANIMALS)  ATTENTION EDITORS: PICTURE 21 OF 31 FOR PACKAGE 'WW1 - UNSEEN IMAGES FROM THE FRONT' TO FIND ALL IMAGES SEARCH 'ODETTE CARREZ' - RTR3QBRX

Ein Gastartikel von pantoufle, der nicht will dass jemand erfährt, wo er bloggt. Er schreibt über genau das Thema, dass mich gerade auch so nervt und da dachte ich mir, das kann er doch auch hier schreiben. Ich habe mir nur erlaubt, ein paar Links zu setzen.

Kommt das jemandem bekannt vor? Das waren noch Zeiten, in denen der verantwortliche Autor nächtens aus dem Bett gerissen und verhaftet wurde. »Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande!« Konrad Adenauers Entsetzen über die Offenlegung des maroden Zustandes der Bundeswehr rechtfertigte jeden Rechtsbruch.

Aufgrund ihrer mangelhaften Ausstattung und der zu niedrigen Personaldecke sei die Bundeswehr nicht in der Lage, die von der NATO verlangte Abwehrfähigkeit zu erbringen, so der Autor Conrad Ahlers in einem Spiegel-Artikel im Oktober 1962. Inhaltlich ging es dabei um die Ergebnisse des NATO-Manövers Fallex 62. Was folgte, ging als »Spiegel-Affäre« in die Deutsche Pressegeschichte ein.

»Resultat: Die Präsenzstärke der Bundeswehr – heute 375 000 Mann – würde von den ursprünglich geplanten, längst noch nicht erreichten 500 000 Mann auf 750 000 Mann klettern müssen, wenn alle Nato-Forderungen und alle nationalen Wünsche der Teilstreitkräfte einschließlich einer Personalreserve für die von Strauß ersehnten Mittelstreckenraketen erfüllt würden. Dies wären mehr Soldaten als vor der Mobilmachung im Jahre 1939.
Mit dieser Mammutzahl operierte der Verteidigungsminister später, als er die Amerikaner wegen ihrer Planungen öffentlich angriff, obwohl Anforderungen in dieser Höhe weder von Washington noch von der Nato an die Bundeswehr ergangen waren.
Auch die Nato weiß, daß die Bundesrepublik in absehbarer Zeit eine derartige Streitmacht nicht aufstellen kann. Es fehlt an Soldaten. Es fehlt an Geld.«

»Am 17. Juli meldete sich Franz-Josef Strauß, von Generalinspekteur Friedrich Foertsch begleitet, bei Kanzler Konrad Adenauer im Palais Schaumburg. Strauß holte Adenauers Zustimmung zu diesen neuen Planzahlen ein.
Die Zahlenspiele des Verteidigungsministers, vor allem aber dessen Anerbieten, den Bundeghaushalt zu schonen, verfingen beim Kanzler. General Foertsch sekundierte dem Minister mit strategischem Fachkunstwerk. Adenauer revanchierte sich mit dem Rat, die fehlenden Brigaden ganz einfach durch “Fähnchen auf der Landkarte” zu ersetzen; ob diese Brigaden erst 1966 oder 1967 bereitstünden, sei doch nicht so wichtig. Aber man müsse der Nato gegenüber wenigstens den Schein wahren.«

In etwa die selbe Zeitung, in etwa der selbe Sachverhalt. Ungefähr 50 Jahre später klingt das dann so:

»Das Verteidigungsministerium hat die Abgeordneten des Verteidigungsausschusses im Bundestag über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in die Irre geführt. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Den Parlamentariern wurde eine Liste vorgelegt, in der bei den verschiedenen Waffensystemen die Zeiträume für die durchschnittliche Einsatzbereitschaft ohne erkennbare Begründung unterschiedlich festgelegt wurden. Außerdem wurde zwischen “voll” und nur “bedingt” einsatzfähigen Systemen nicht unterschieden. Stattdessen wurde die Einsatzbereitschaft durch nach Gutdünken vergebenen Ampelfarben gekennzeichnet.«

Spiegel Online (28.September 2014… sollte man dazusagen)

Der kleine Unterschied liegt in der Nachtruhe der Beteiligten. Rudolf Augstein mußte noch knapp 4 Monate in Untersuchungshaft, während der heutige Schreiberling beim morgendlichen Caffè e latte leise darüber weint, daß es den Ostblock nicht mehr gibt.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg – erinnert sich noch jemand? Der Kopist? Nein: Nicht Kujau! Der andere… – wandelte mit Hilfe der CSU/CSU die Bundeswehr in eine Berufsarmee um. Sicherlich auch mit dem berechtigten Hintergedanken, daß in heutigen Zeiten und schon lange in der Bundesrepublik kein Schwein mehr Waffen und Soldaten benötigt. Die Berufsvariante der Bundeswehr war als Sparmodell gedacht. Nichts anderes. Sonst wäre sie mit ausdrücklicher Unterstützung des rechten Flügels des Bundestags niemals zustande gekommen. Billig sollte sie sein. Und klein. Bei gleichzeitiger Förderung der heimischen Rüstungsindustrie. Also: Wenig, aber extrem teure Waffen (es dient ja den Arbeitsplätzen), wobei der Gebrauchswert sich vorrangig an deren Exportfähigkeit, beziehungsweise den Ansprüchen der jeweiligen Kunden orientiert. Nur eben nicht an denen der Bundeswehr – zu recht: Deren Ansprüche erschöpfen sich in in ihrer bloßen Existenz.

Ausstattungsmerkmal Kinderkrippe in den Kasernen, während es den designierten Kampfhubschraubern der Luftwaffe an einer Bordkanone für den Einsatz in Afghanistan mangelte. Nicht daß es sich dabei um einen bedauernswerten Zustand handeln würde. Er war sowohl bekannt wie auch mit Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen worden. Niemand – abgesehen von einer Mehrzahl sogenannter Volksvertreter – wollte nach Afghanistan; weder mit noch ohne Bordkanone.

Der Mangel wird erst zu einem, wenn Bundespräsident Gauck und andere kalte Krieger Deutschlands Rolle in der Welt dahingehend umdefinieren, daß sehr wohl wieder Kriege von Deutschem Boden ausgehen können – wo aber bleibt der Skandal? Vor 50 Jahren war es das Sparmodell »Atomwaffen«, das den Mangel an konventionellen Waffen und Personal übertünchen sollte. Heute ist es der Platz an der Sonne, in unzähligen gauckeleyen gefordert, der mit marodem Gerät in weite Ferne rückt. Dazu kann man die Verantwortlichen gar nicht genug beglückwünschen. Während die USA mit den üblichen Verdächtigen eine unbegabte Neuauflage der historischen Kreuzzüge anzetteln, steht die deutsche Kriegsmaschine in der Werkstatt. Und da steht sie gut! Kinder an die Macht oder noch besser gleich ins Bundeswehr-Beschaffungsamt.

Auch das stark modifizierte Grundgesetz spricht nicht von Erwin Rommel, der seine Panzer vor Tobruk parkt und auch Deutsch Süd-West bleibt unabhängig.

Unter der Überschrift »kampferprobt, flexibel und einsatzfreudig« zieht Georg Blume von der ZEIT blank:

»Während die Bundeswehr mit Pannen kämpft, zieht Frankreich in den Krieg gegen den IS. Die Einsatzfähigkeit liegt an Entscheidungsstrukturen und der Einstellung der Armee.

Die Meldungen über den Zustand des Militärs aus Frankreich und Deutschland unterscheiden sich derzeit deutlich. Während die Bundeswehr vor allem mit Pannenflugzeugen, defekten Panzern und kaputten Hubschraubern Schlagzeilen macht, fliegt die französische Luftwaffe Angriffe auf Dschihadisten-Stellungen im Nordirak. In Deutschland muss der Bundestag nach langen Parlamentsdebatten einem Bundeswehreinsatz zustimmen.

Anders in Frankreich. Wenn Präsident François Hollande es will, dann schlägt die Armee zu, blitzschnell, auch ohne fremde Hilfe. Das war etwa die Botschaft der französischen Armee nach der Enthauptung der französischen Geisel Hervé Gourdel durch algerische Dschihadisten. So bombardierten am Donnerstag schon zum zweiten Mal in dieser Woche französische Rafale-Kampfflugzeuge Ziele im Nordirak. Sie warfen vier 250-Kilo-Bomben auf angebliche Waffenlager des “Islamischen Staates” (IS) in der Nähe von Falludscha ab, in 60 Kilometer Entfernung von Bagdad.«

Selten wurde der Wunsch nach heroischen Meldungen über die Deutsche Armee überzeugender formuliert! Wie hätten Sie es denn gerne, Herr Blume?

»Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen.

Der deutsche Soldat hat, getreu seinem Eid, im höchsten Einsatz für sein Volk für immer Unvergeßliches geleistet. Die Heimat hat ihn bis zuletzt mit allen Kräften unter schwersten Opfern unterstützt. Die einmalige Leistung von Front und Heimat wird in einem späteren gerechten Urteil der Geschichte ihre endgültige Würdigung finden.

Den Leistungen und Opfern der deutschen Soldaten zu Wasser, zu Lande und in der Luft wird auch der Gegner die Achtung nicht versagen. Jeder Soldat kann deshalb die Waffen aufrecht und stolz aus der Hand legen und in den schwersten Stunden unserer Geschichte tapfer und zuversichtlich an die Arbeit gehen für das ewige Leben unseres Volkes.
Die Wehrmacht gedenkt in dieser schweren Stunde ihrer vor dem Feind gebliebenen Kameraden. Die Toten verpflichten zu bedingungsloser Treue, zu Gehorsam und Disziplin gegenüber dem aus zahllosen Wunden blutenden Vaterland.«

Letzter Wehrmachtsbericht, 9. Mai 1945