Aber wir brauchen doch eine Polizei! (2. update)
Dienstag, 6.11.2012, 22:26 > daMaxGastartikel von Chris (Doktorsblog), der eine Stinkwut auf unsere "Ordnungskräfte" hat.
Warum? Lest selbst.
Diesen Satz: Aber wir brauchen doch eine Polizei! Ich hasse ihn. Und ich liebe ihn. Weil er mir sowohl in freigeistigen – als auch in nichtsnutzigen – Diskussionen immer das Scheunentor öffnet. Zum Reintreten. Ich frage dann immer: Du bist doch auch gerade echt voll nett zu mir! Ohne das einer aufpasst. Also: Wozu eine Polizei?. Besser drückt diesen Gedanken vielleicht dieses plakative Plakat aus. Ich glaube einfach nicht daran, dass mich alle Mitmenschen nur noch beklauen, zermorden und betrügen würden, nur weil mal die 110 ausfällt. Das ist selbst mir zu dystopisch! Abgesehen davon, dass mein ganz persönliches Bild der Exekutive in diesem Land nicht das allerbeste ist. Warum? Dazu komme ich weiter unten. Zunächst ein Ausschnitt eines Artikels in der Frankfurter Rundschau, der die schöne Headline 'Ihr seid hier nicht in Afrika' trägt:
Was Derege Wevelsiep weiter schildert, hat mit Sensibilität nichts zu tun. Er sei hoch auf die Straße gezerrt worden, habe am Streifenwagen seine Taschen ausleeren müssen, sagt er. Als er sich beklagt habe, dass die Beamten etwa Visitenkarten von Geschäftspartnern auf der Straße verstreuten, sagen sie: „Du dummer Schwätzer.“ Als sie ihm hätten Handschellen anlegen wollen und er entgegnet habe, er sei nicht kriminell, er müsse doch nur zu Hause seinen Ausweis holen, sagen sie: Das muss sein.
„Ich lasse mich nicht ohne Grund fesseln“, sagt Wevelsiep.
„Ich zähle bis zwei“, sagt daraufhin der Polizist.
„Was kommt dann?“, fragt Derege Wevelsiep.
Daraufhin, sagt er, habe der Beamte bis zwei gezählt. Und ihm dann ohne Vorwarnung mit der Faust ins Gesicht geschlagen.Die Beamten hätten ihn anschließend vom Boden aufgehoben, gefesselt, mit der Faust gegen die Brust und in die Niere geschlagen, gegen das Knie getreten. [...] Seine Verlobte findet Derege Wevelsiep später im Schlafzimmer seiner Wohnung, auf dem Boden, bewusstlos. Die Polizisten hätten sich einfach Zutritt verschafft, sagt sie, seien durch die Zimmer gelaufen. Sie hätten beide Aufzüge in den siebten Stock blockiert. Sie hätten sich den Ausweis einfach genommen. Als der Krankenwagen, den sie ruft, ankommt, hätten die Beamten versucht, ihn wieder wegzuschicken. Drei Tage muss Wevelsiep in der Klinik liegen.
Und nun ist klar, was kommt: Das ist Ein Einzelfall. Man kann wegen sowas doch keine ganze Berufsgruppe verurteilen. Ich sage: Doch. Kann man. Und ein Einzelfall ist das auch nicht. Ich habe es selbst erlebt: Ein Freund mit griechischem Migrationshintergrund wird von Staatsdiener kontrolliert: Er zeigt sich kooperativ, hat alle Papiere dabei, ist freundlich. Die lapidar-ekelhafte Verabschiedung der Staatsdiener – nach einer durch und durch rassistischen Ausweiskontrolle! – lautet: Da hast du ja noch mal Glück gehabt. Und dann grinsen sie. Die Kotze-Nazis. In EU-blau. Dann, so 2002, Köln-Chorweiler. 25 Menschen warten auf den Bus. Kontrolliert werden einzig die beiden türkischen Mitbürger. Der arische Rest darf direkt einsteigen. Ich könnte Dutzende solcher Beispiel nennen. Hunderte! Dazu kommen die Erfahrungen, die ich selbst in jüngeren Jahren mit der deutsch/kölschen Polizei machen durfte: Da kriegst du als Minderjähriger schon mal eins in die Fresse. Einfach so (was nachträglich auch gerichtlich exakt so festgestellt wurde). Eine positive Erfahrungen mit den Jungs kann ich aber dennoch vorweisen: Ende der 90er hatten wir einen Komissar in unserem Freundeskreis. Der schmuggelte immer alle Pillen in die Festivals. Voll gut.
Was ich sagen will: Ich glaube, es ist über die Jahre ein völlig falsches Bild entstanden: Toto und Harry sind die Ausnahme, aggressive Ausländerfeinde und Choleriker die Regel. Guckt euch doch nur den Friedrich an:
- Anti-Terrorkartei
- Temporäre Grenzschließungen
- Mehr Überwachungstechnologie
- Cyber-Sicherheitsmeetings in den USA
...und der ist doch der Cheffe von der ganzen Rasselbande. Wenn ich nicht irre. NSU my ass, hier ist eh längst alles zu spät. Wir werden von einem Haufen rechtskonservativer Arschlöcher regiert. Seit Jahren. Und dann ist der Verfassungsschutz schuld. Ganz plötzlich. Is' klar.
Update: und weil's voll zum Thema passt: hier ein Lagebericht aus Hannover vom letzten Freitag.
2. Update: Oha. Die Frankfurter Rundschau ist auf den Artikel aufmerksam geworden, zitiert großflächig und meint allen Ernstes:
Direkt ausgesprochen, kann das jeden Polizisten zur Anzeige wegen Beleidigung verleiten - so wie es auch die beschuldigten vier Polizisten aus der U-Bahnstation in Reaktion auf die internen Ermittlungen gegen sie getan haben. Wevelsiep soll sie so genannt haben. Polizisten als "Nazis" zu bezeichnen fällt leicht - sie sind uniformiert, sie müssen zulangen, wenn es sonst keiner tut, weil sonst keiner auch das Recht hat, in einer Demokratie Gewalt gegen einen anderen auszuüben. Bei Ausschreitungen rund um Fußballspiele gehen sie in den Einsatz, während Neonazi-Aufmärschen sollen sie zwischen den Braunen und den Antifaschisten stehen, Ausbrüche von Gewalt - gerade, weil von beiden Seiten beabsichtigt - verhindern.
Ja, nee is klar. Ich weiß nicht, bei wie vielen Großeinsätzen der Polizei Peter Rutkowski dabei war, aber vielleicht sollte er sich mal "an die Front" begeben. Da könnte er nämlich prima lernen, mit welcher Freude die Herren und Damen "zulangen" und dass sie das auch sehr gerne mal als erste tun. Die Kotze-Nazis.
Entdeckt: Bei Flo auf Facebook
Ja, wir brauchen eine Polizei. Vielleicht nicht die, die wir jetzt haben, aber jemand der sich um die Einhaltung der Regeln unserer Gesellschaft (auch Gesetze genannt) kümmert. Warum das Kind mit dem Bade ausschütten. Dass es massive Verstöße gegen die Gesetze auch auf Seiten der Polizei gibt, keine Frage. Aber genauso wie es bescheuert ist zu glauben, dass mit hinreichend viel Polizei und Kontrolle irgendwann alles gut wird, ist es doch genauso bescheuert zu glauben, ohne jegliche Form der Polizei wird es irgendwie besser! Die Privatisierung der ausführenden Gewalt (und nichts anderes meint eine Abschaffung der Polizei) führt doch letztlich dazu, dass wirklich nur noch der "Recht bekommt", der dafür auch hinreichend bezahlen kann.
@Simon, ich glaube, so ist das nicht gemeint. Es geht Chris ganz bestimmt nicht um eine Privatisierung der Polizei, sondern darum, dass es ganz ganz viele nette Menschen gibt und die können untereinander prima ohne Bullen leben.
Ja, das ist ein Traum.
Ja, das ist naiv.
Ja.
Hm - wenn wir tatsächlich bereit sind, uns im Zweifelsfall selbst zu verteidigen, brauchen wir keine Polizei, wenn wir Streitigkeiten den streitenden Parteien überlassen wollen, brauchen wir keine Polizei. Wenn wir Dinge selbst geordnet und geregelt bekommen, brauchen wir keine Polizei. Das ist durchaus wert zu überlegen.
Wahrscheinlich lässt sich das alles tatsächlich in Kooperation mit Freunden, Nachbarn und Gleichgesinnten selbst regeln. Hat im Westen ja auch funktioniert. Irgendwann macht es dann schon aus Zeitgründen Sinn, ein paar aus der Gruppe speziell dafür zu bezahlen, dass sie nur noch das tun, später bekommen sie dafür sogar eine besondere Ausbildung, und ein paar Sonderrechte sind auch notwendig - und schon haben wir wieder eine Polizei. So kommen wir also nicht weiter.
Wie wärs statt dessen mit einer besseren Ausbildung und Ausstattung unserer (ich verwende das Wort "unserer" bewusst) Polizei, und einer besseren rechtlichen Stellung, die verhindert, dass die Polizisten von wild gewordenen Politikern als Verfügungsmasse gegen die eigene Bevölkerung gehetzt werden. Das heißt Einbindung IN die Bevölkerung und nicht Abgrenzung und Copsgeist. Dazu für alle Beteiligten eine politische Bildung die wieder den teilhabenden und gestaltenden Staatsbürger (auch in Uniform) fordert und ernst nimmt... sorry, ich rutsche gerade in eine Utopie ab.
@ninjaturkey,
Sei dir genehmigt.
Unser Problem ist glaube ich, dass wir die Nazis nie so RICHTIG verarbeitet haben und was die letzten 60 Jahre so "im Untergrund" gärte (und da zähle ich ganz explizit Polizei und VS mit dazu), platzt jetzt halt und fliegt uns stinkend um die Ohren.
Leider wills KEINER glauben. Weder unsere Bumsregierung noch Lieschen Müller. Und DAS ist das wahre Problem. Ein Problem, für das mir so auf die Schnelle auch keine Lösung einfällt Wenn die Politik BLIND ist, kann ich halt nix machen.
@daMax, Ja Ja.
Nur mal so eingeworfen: Bevor hier in konventionellen "Ja aber dann passt ja keiner auf" oder "Ja, schöne Utopie, wird ja eh nix" - Schemata gedacht wird, möchte ich folgenden Gedankengang nicht unerwähnt lassen:
Der Sinn (wie ich ihn verstehe) hinter einer anarchistischer Konflikt/Problem-Lösung ist IMMER die Wiederherstellung der Kommunikation zwischen ALLEN Beteiligten. Eine Art "Hilfe zur Selbsthilfe", wenn man so will. Diesen "Sinn" erkenne ich in der Exekutive (oder den anderen Staatsterrorideen, die mir auf den Sack gehen) der BRD schon lange nicht mehr.
UMDENKEN ist angesagt, altes - was nie funktioniert hat - sollte man über Bord werfen. Denn sonst haben wir ganz bald das Militär auf dem Kölner Neumarkt stehen. So wie es in Frankreich heute schon praktiziert wird: Die heißen dort nur noch NOMINELL Polizei. MP's haben die dabei und lange fackeln ist mit denen auch nicht. Ist DAS denn gewünscht? (Die Cyber-Osamas kriegen wir auch damit nicht, ey!) Dann schreit ruhig weiter nach Hilfe! Die Eigen(e)-Verantwortung wird so aber auch nicht weniger wichtig.
@ninjaturkey, ICH jedenfalls mag deinen Abrutscher, solltest du öfters machen! Nur mal so (ich weiß, der hinkt etwas, und auch schon 1.000x gehört) Der Flug zum Mond war auch mal nur "ne Utopie"! Und auch hier wiederhole ich mich (gerne!): Ohne RADIKALE Denke keine Veränderung. Ich WILL Blumen und Frieden, also holen wir uns den auch! Yeay!
@Chris, Welcher Flug zum Mond?