Mal 'ne Frage
Mittwoch, 22.6.2022, 19:11 > daMaxLesen hier Rechtsanwälte und/oder Betriebsräte mit? Von mindestens einem Rechtsanwalt weiß ich ja Ich lese gerade diesen Artikel auf Twisted Sifter, der mich darüber informiert, dass es in den US of A illegal ist, den Angestellten zu verbieten, miteinander über ihr Gehalt zu reden.
Frage in die Runde: wie ist das in Deutschland? Also rein rechtlich? Es wird ja in allen Firmen immer ein großes Geheimnis um die Gehälter gemacht und "STRENG VERTRAULICH" auf jede Gehaltsabrechnung gedruckt, aber kann ein Arbeitgeber hierzulande wirklich verbieten, dass sich die Angestellten über ihre Gehälter austauschen? Würde mich mal interessieren.
In D gibt es das Lohntransparenzgesetz, welches sogar zur Auskunft berechtigt.
Ein direktes Verbot gibt es nicht und juristisch darf auch der Chef nicht dagegen vorgehen, wenn im Kollegenkreis über das Gehalt gesprochen wird. Viele werden es nur nicht wollen.
Ein Streitfall wäre es u.U. noch, wenn im Arbeitsvertrag direkt steht, dass über das Gehalt nicht gesprochen werden darf.
Der bloße Aufdruck "streng vertraulich" ist rechtlich irrelvant.
Vielleicht soll es tatsächlich die Arbeiter abschrecken, über den kargen Lohn zu plaudern, vielleicht ist es an die Lohnbuchhalter, Postboten oder sonstige Augen, Hände und Ohren gerichtet, die die Abrechnung irgendwie in die Hände bekommen.
In Wirklichkeit MUSS man seinen Lohn bzw. sein Einkommen oft sogar offenlegen. Zum Beispiel bei der Beantragung von Sozialleistungen, bei der Beantragung von BAföG (auch das Einkommen der Eltern), oder wenn es um Unterhalt, Unterhaltsvorschuss oder Sozialhilferegress geht.
Ich hatte einmal einen Mandanten in einem Unterhaltsprozess, der partout sein Einkommen nicht offenlegen wollte. "Kann man das irgendwie verhindern?" fragte er mich.
"Ja klar", antwortete ich, "indem Sie einfach das bezahlen, was Ihre Ex-Frau fordert. Dann gibt es keinen Streit." Hat er dann tatsächlich so gemacht. Aber das war noch vor der Rezession.
Wenn sich der Arbeiter im Arbeitsvertrag verpflichtet, nicht über sein Gehalt zu reden, würde ich das für eine unangemessen benachteiligende und damit unwirksame Klausel halten. (So zB auch das LAG M-V, Az. 2 Sa 237/09).
Das im ersten Kommentar erwähnte Entgelttransparenzgesetz gilt direkt zwar nur für Betriebe mit mehr als 200 Mitarbeitern, aber ich würde die darin zum Ausdruck kommende Wertung bei der Inhaltskontrolle anderer Arbeitsverträge heranziehen.
Außerdem: Was will der Chef denn groß machen?
Wenn die Information mal draußen ist, ist sie draußen. Da hilft auch keine Abmahnung oder Kündigung (die ja noch dazu zu einem öffentlichen Prozess führt, in dem dann die Presse im Saal von der Lohnabrechnung erfährt).
Grundsätzlich muss man sich bei jedem Verbot fragen, was passiert, wenn ich dagegen verstoße. Und oft ist die Antwort: Nichts. Oder nichts Gravierendes.
Ich finde überhaupt, dass sich Arbeitgeber nicht so aufspielen und versuchen sollten, das Leben ihrer Angestellten bis ins letzte Detail zu kontrollieren. Wie bei einer Sekte, so kommt mir das oft vor.
Aber vielleicht bin ich auch deshalb arbeitslos. (-:
Ich hab nun schon 3 Arbeitsverträge unterschrieben. In den ersten beiden stand kein explizites Verbot drin. Aber bei einem Stand es wirklich explizit so drin.
Der Grund war vielleicht auch, dass ich als neuer mit minimal mehr Erfahrung deutlich mehr bekommen habe. Das und das nervige ERP System waren letztendlich auch die Gründe dort schnell wieder zu verschwinden.
Aber ja: Man redet im Geschäft immer noch viel zu selten über sein Gehalt. Sollte man eigentlich öfter machen.
Denn gleiche Arbeit sollte gleich entlohnt werden. Oder zumindest mit einer geringen Leistungskomponente minimal unterschiedlich sein.
Ich schließe mich da vorbehaltlos Andreas Moser an. Habe zwar keine juristische Ausbildung, bin aber seit vielen Jahren im Betriebsrat, wo das Thema auch immer wieder mal hochkommt.
Ich denke, dass hat auch viel mit Kultur zu tun. Bei dem Beispiel USA ist es halt so (etwas pauschalisierend, habe ich aber auch so von amerikanischen Kollegen erzählt bekommen), dass die Leute aus ihrem Gehalt/Lohn kein Geheimnis machen, sondern es eher "stolz" zeigen was sie verdienen (zumindest da wo wir nicht im Niedriglohn sind).
In D regiert dagegen der Neid, da wird sich weniger gefreut, wenn der Kollege mehr verdient.
@alle: merci vielmals