Gott, Geld, Gehorsam - Die verschlossene Welt der Zeugen Jehovas
Mittwoch, 31.7.2024, 14:05 > daMaxIch weiß von den Zeugen Jehovas ja so ungefähr gar nix außer, dass sie in Fußgängerzonen mit dem "Wachturm" rumstehen und dass zwei von ihnen mal vor meiner Tür standen und mit mir über Gott reden wollten. Ich habe sie reingebeten, über ihre Gesichter beim Anblick der HR Giger Poster geschmunzelt und mich dann freundlich eine Stunde oder so mit ihnen über Gott unterhalten. Anschließend habe ich sie freundlich zur Tür gebracht und höflich verabschiedet und danach kamen sie nie wieder. Kurz gesagt: bisher hielt ich diese Sekte für ein bisschen verschrobene und vielleicht ein bisschen einfach gestrickte, aber insgesamt eher harmlose Leute.
Dann bin ich neulich zufällig über diese Doku gestolpert (und ich bin wieder zu doof, die hier einzubetten), die doch ein deutlich drastischeres und düsteres Bild von den Zeugen zeichnet.
Frage in die Runde: habt ihr Erfahrungen mit den Zeugen? Ist die Doku irgendwie realistisch? Oder völlig daneben und überzogen? Würde mich echt interessieren. Aber bitte bleibt freundlich und schaltet euren Sarkasmus mal kurz ab dabei.
PS: ARD hat eine Doku über eine Aussteigerin, die ich mir vielleicht mal morgen auf der Rückfahrt angucken werde.
PPS: die Doku über die Aussteigerin fand ich fast noch interessanter als die Doku über das Geld. Wenn stimmt, was da erzählt wird, dann sind Jehovas Zeugen schon ein ziemlich fieser Haufen...
Die Doku hab ich leider nicht gesehen!
Ich habe eine Freundin, die Aussteigerin ist.
Sie hat lange mit Schuldgefühlen gekämpft und der wiederkehrenden Angst, dass „Satan“ doch real ist und sie nun auf den Leim gegangen. Sie war in die Sekte geboren und ist dort aufgewachsen.
Auch ihre erste Ehe fand dort statt.
Sie hat sich aber immer wieder auch sehr gut gefühlt - wenn sie „gottgefällig“ lebte und sich an alle Regeln hielt, dafür wurde sie eben auch aufgewertet. Auf jeden Fall ist es ein weiterer Männer dominierter Raum, an dem Frauen einen ganz bestimmten Platz haben und nichts zwischen Mann und Frau existiert, und selbstverständlich auch nichts was nicht heteronormativ ist.
Allerdings waren die Zeugen Jehovas auch eine Widerstandsgruppe im Dritten Reich, da sie aus Gründen ihres Glaubens den Dienst an der Waffe verweigern. Viele starben dafür auch in KZs.
Zeugen Jehovas verweigern unter Umständen auch ärztliche Behandlung!
In den 80ern war unter den Außendienstmitarbeitern meines damaligen Arbeitsgebers einer, der etwas Höheres bei den Zeugen Jehovas war - vielleicht so wie ein Priester. Ich hab damals Berichte nach Diktat auf Band geschrieben und er hatte mal vergessen, ein Band zu löschen und gab es versehentlich ab. Und da war zufällig eine Predigt drauf - da hab ich ziemlich gestaunt. So mancher Diktator hat kleinere Pläne als da angesprochen wurden. Und natürlich war es die einzig wahre Religion usw...
Das Band hab ich gelöscht, den Kollegen hab ich aber ab da mißtrauisch etwas gemieden.
Tatsächlich hatte ich in den 90ern eine Klassenkameradin die von den Eltern pünktlich mit 16 von der Schule genommen wurde. Unglaublich schade da wurde geistiges Potential vernichtet. Und die habe ich vor wenigen Tagen mit dem Wachturm in der Hand wieder getroffen. War eines der seltsameren Gespräche meines Lebens.
Und auf der Arbeit im Kindergarten hatten wir mal Eltern die gerne einen Platz gehabt hätten - aber Geburtstage hätten in Anwesenheit des Kindes nicht gefeiert werden dürfen. Auch Feste anderer Religionen sollten nicht erwähnt werden. Da bin ich für meine Verhältnisse ziemlich drüber gebügelt. Jedenfalls war die Familie nicht mehr interessiert.
"habt ihr Erfahrungen mit den Zeugen?"
Nein hab ich nicht. Ich habe Erfahrungen mit Menschen. Ich habe Freunde bzw eine Kollegin gehabt, die Zeugen Jehovas sind, bin also durchaus nicht neutral.
"Deren" Kind war nicht geschädigt und ganz normal (meine "Kontaktperson" ist Zeuge und eine alleinerziehende Mutter), "sie" standen nicht den ganzen Tag in irgend einer Ecke rum um dir Zeitungen anzudrehen. Ich habe meine Kollegin im Krankenhaus(!) besucht was medizinisch recht schwierig war, zum Schutz des Patienten. Komisch, sogar Zeugen Jehovas lassen nicht einfach Menschen sterben. Das war ironisch. Natürlich tun "sie" das nicht. Könnte es sein, dass das an Menschlichkeit liegt?
Ich habe Zusammenhalt ihrer Gemeinde als stark empfunden. Ob sie verschlossen sind? Sie haben mir etwa bereitwillig ihr Gesangbuch gezeigt (wg. meines Interesses an Musik) und mehr, wenn ich fragte. Ich habe "sie" - die Kontakte neben meiner Kollegin - als offen, doch nicht aufdringlich empfunden.
Niemand wollte mich mehr bekehren als die am Stand der CDU vor den Wahlen. Meine Kollegin schon mal gar nicht. Ich denke, "sie" sind durchaus der Meinung, es sei wichtiger, "richtig" zu leben, als der "richtigen" Partei - ach Quatsch, meine natürlich Religionsgemeinschaft anzugehören. "Sie" scheinen mir recht unpolitisch. Ich habe niemals groß über Politik mit meinen Freunden gesprochen. Ich denke, die Gemeinschaft war sehr wichtig für meine Kollegin. Und ich verstehe das.
Meine Kollegin hatte durchaus eine Meinung. Ja, ich bin sicher nicht immer einer Meinung mit Freunden und Kollegen. Trotzdem waren "sie" immer gastfreundlich, immer nett. Ein wenig Beschäftigung mit "ihrer" Sicht außerhalb meiner Kontakte ergab durchaus anerkennenswerde Aspekte und eine gewisse Toleranz. Sogar aus meiner überheblichen Sicht.
Ich kann da außer, dass "sie" ihre Sicht der Welt darstellen und lebten, nichts Negatives in diesem Einzefall mit mehreren Personen und regelmäßige Kontakte für eine längere Zeit, über Zeugen Jevovas sagen. Sicher, ihre Glaubenspraxis, etwa Gottesdienste, habe ich nicht mitbekommen. Ich kann zu der Zuschreibung als Sekte wenig sagen. Wenn dem so ist, ich habe davon nichts bemerkt. Ja, msn darf nicht von Einzelfällen auf eine Allgemeintheit schließen. "Umgekehrt" aber auch nicht (klar soweit? Ich meine, ihr könnt nun durchaus Negativbeispiele anführen. Sie sind nicht wahrer, als meine Erfahrung. Aussage gegen Aussage)
Übrigens, es soll bei der katholischen (und evangelichen) Kirche ja neuerdings eine Menge Aussteiger geben. Ich habe die verlinkten Berichte nicht gesehen. Doch in Glaubensfragen bin ich vorsichtig, glaube nicht einmal mir selbst.
Was ich aber weiß ist, dass es "die" was auch immer gar nicht gibt.
Da sind people of color, die deutscher sind, als ich selbst. Da ist ein waschechter Hesse aus Kroatien. Da sind Zeugen Jehovas nett und tolerant, Freunde sogar. Da ist ein CDU'ler, mit dem man sich mit deutlichem Mehrwert streiten kann und der ein prima Kerl ist - dies wo ich doch eine linke Socke bin, ein konservativer weißer alter Sack und dazu noch männlich, hoffnungslos hetro. Da ist eine Schwulengruppe, die mich Toleranz gelehrt hat und da war einen Tunte, mit der ich um soziale Gerechtigkeit für Frauen "gekämpft" habe. Und da ist noch viel viel mehr.
Grüße an alle diese meine Freunde, mit jeglichem Glauben, jeglicher Hautfarbe, jedem Geschlecht, einmal sogar ohne Geschlecht, jeder total unterschiedlich, jede und jeder mit individuellen und tollen Eigenschaften und einer Menge Spaß. Ihr, diese meine Freunde macht die Welt lebenswert.
Leute, lasst die Stereotypen endlich fallen!
@Joachim - es wird auch bei den Zeugen Jehovas die ganze Bandbreite von streng bis lässig geben.
@Schwarzes_Einhorn: Ganz richtig! Wie auch bei Christen, Muslimen, Buddhisten, Hinduisten, Atheisten. Wir sind alle Menschen, und das noch ursprünglich aus Afrika.
Lange überlegt, hier dazuzusenfen...
...jedoch der erste Punkt ist, dass die Zeugen Jehovas eine zugelassene Religionsgemeinschaft und ganz korrekt eine Körperschaft öffentlichen Rechts, was durch ein Urteil des BVG bestätigt ist. Ganz so unkritisch sehe ich die Zeugen nicht und gestehe ihnen mindestens sektenhafte Züge zu, wenn auch die Bandbreite innerhalb der Gemeinde zumindest im öffentlichen Bild wie bereits erwähnt sehr weitläufig ist von relativ leger bis erzkonservativ. So sind auch bei denen nicht erst seit heute viele Dinge im Wandel und daher nicht mehr universal auf die gesamte Gemeinschaft anzuwenden. Immerhin hatten sie durch ihr Verweigern des Kriegsdienstes unter den Nazis auch zu leiden und gehörten dort von Anfang an zu einer der mit am meisten verfolgten Randgruppen.
Freilich kenne ich ebenfalls Menschen aus beiden Ecken, von denen welche wegen der aus der eigenen Sicht "Sünden" Suizid begangen haben und andere, denen man im "normalen" Leben nicht einmal anmerkt, dass sie Zeugen sind. Wobei ich da davon ausgehe, dass die auch nicht alles erzählen, aber sei es drum. Ist halt wie überall.
Der erste Beitrag des ZDF ist einfach nur Clickbaiter, der ähnlich billig gemacht ist wie weiland der Bericht über die DB AG während des letzten Streiks - einfach nur unterirdisch. Dabei wird einfach nur an der Linie der üblichen Klischees entlang gehangelt und sich noch dazu weitestgehend an den Praktiken der Hauptkirche in den USA abgearbeitet. Ob sich das so 1:1 auf D übertragen lässt, mag ich nicht beurteilen, glaube es aber eher nicht.
Wertes ZDF: Überlasst die Schmuddelecke einfach den Privaten, das können die besser und so mehrt ihr nur die Kritik am Rundfunkbeitrag. Für solchen Sch.... ist der schlicht zu schade und verschwendet.
Der zweite Beitrag zeigt die anekdotische Sicht der Protagonistin, die sich wiederum ebenfalls nicht auf die gesamte Gemeinschaft anwenden lässt, kratzt aber immerhin ein wenig an, worin die Probleme (nicht nur) bei den Zeugen bestehen.
Um das jetzt mal auf eine Meta-Ebene zu heben, fängt das Problem bei der Religion an sich an und da müssen sich die Amtskirchen in vielen Dingen nicht besser dünken. Das geht mit den nach wie vor nicht aufgearbeiteten Problemen des sexuellen Mißbrauchs los und hört bei vielen anderen Dogmas nicht auf bzw. völlig unsinnigen Ansichten, die rational durch die Wissenschaft längst widerlegt sind und aus religiöser Sicht immer noch als Tatsache gesetzt werden, weil ja sonst der "Glauben" nicht mehr funktioniert. Das trifft auf die Buchreligionen genauso zu wie auf andere, wo Glauben das Wissen ersetzt. Das soll jetzt nicht überheblich klingen, denn es hat jeder Mensch so seine kleine Ecke, die er mit Aberglauben, Hoffnung usw. füllt und lebt. Nur ist es eben ein Unterschied, ob man es wenigstens besser weiß und eher drüber schmunzelt oder bierernst auf diesen Stuff abfährt, denn völlig frei von solchen Dingen ist niemand.
Der Punkt ist eher, dass da durch die Bank ein gewisser psychischer und manchmal auch physischer Druck ausgeübt wird, der bewirkt, dass Menschen in einer geschlossen Welt leben und Kritik und Anderes von außen als Angriff sehen, was es zu verteidigen gilt, um das Gesicht zu wahren, weil die eigene Sicht ja fehlerfrei ist. Religionen und Sekten haben ja wie andere Vereine auch eher dann Hochkonjunktur, wenn die Zeiten schlechter sind, sei es in persönlichen Notlagen oder bei Krisen der Gesellschaft, weil sich da wie auch bei Parteien leichter indoktrinieren lässt und scheinbar schlichte Lösungen a lá "Tue dies, dann passiert das und Du bist glücklich" auf nahrhaften Boden fallen. Weiteres Problem ist dabei wie bei anderen Religionen, dass Kinder gerade eben nicht "frei" sind in ihrer Entscheidung, sondern werden sie in eine solche Familie hineingeboren, dann sind sie quasi automatisch Mitglied und eine Entscheidung dort nicht mitzutun, wird entweder nicht akzeptiert oder führt oft zu schweren Problemen bis hin zum völligen Abkapseln vom eigenen familiären Umfeld, dass ja immer mit innerer Zerrissenheit der entsprechenden Menschen verbunden ist.
Lange Rede - kurzer Sinn: Weder muss man die Zeugen Jehovas verteufeln noch ideell überhöhen. Es ist jedoch durchaus sinnvoll, diese wie andere Religionsgemeinschaften immer wieder kritisch zu betrachten in ihrem Einfluß auf andere Menschen.
> (und ich bin wieder zu doof, die hier einzubetten)
Du hättest auch einfach nur den Namen (mit Namen des Senders) schreiben können. Auf mediathekviewweb.de kann man es sich dann angucken oder ziehen.
Ich habe nur passive Erfahrungen mit den Zeugen Jehovas, dafür aus vielen verschiedenen Ländern. Das komische ist, dass sie manchmal schon wenige Tage nach meinem Einzug auftauchten. Fast so, wie wenn sie in jeder Nachbarschaft Spione haben, um sich auf Neuankömmlinge zu stürzen.
Manche waren ganz nett. Andere waren arg penetrant. Vor allem in Südamerika haben mir die alten Damen direkt ins Gesicht gesagt, dass ich in die Hölle komme, wenn ich ihnen nicht glaube.
In Sizilien kamen auch gleich nach meinem Einzug zwei vorbei, von denen der ältere Mann eher nett und gemütlich war. Ich glaube, er hatte genug Lebenserfahrung, um zu merken, dass bei mir religiös kein Stich zu machen war, aber kam immer wieder vorbei, um zu plaudern. Er versuchte dann immer am Ende des Gesprächs, auf eine Bibelstelle zu kommen oder mir die Evolution auszureden, aber insistierte nicht.
Nach drei oder vier Besuchen fragte ich ihn, warum er immer noch kommt, obwohl er doch merkt, dass ich überzeugter und gefestigter Atheist bin.
Er erklärte mir, dass es darum gehe, vor Gott zu beweisen, dass man nicht aufgebe. Hartnäckige Fälle geben mehr Punkte, und da die Plätze im Himmelreich auf 144.000 begrenzt seien, müsse man sich ständig hervortun (auch gegenüber anderen Zeugen), um das Wohlwollen von Gott zu erlangen. Dabei ginge es mehr um das Bemühen als um den Erfolg.
@Andreas Moser: hahaha, 144.000 nur?? Das ist aber echt nicht viel bei 8 Mrd. Menschen. Meine Fresse, das ist ja dann echt ein harter Konkurrenzkampf bei derzeit geschätzten 8.6 Mio. Zeugen Jehovas.
@Anna: das stimmt wohl
@Andreas Moser: Hier ein etwas ironischer Kommentar (sorry).
Ich würde sagen, es gibt bei Katholiken Leute, die Unsinn reden, die etwa ein „seltsames“ Frauenbild verbreiten, Bei den Evangelischen sind das IMHO nicht so viele, doch wenn dann weitaus schlimmer. Bei Muslimen und sogar bei Buddhisten (und nicht nur da) bringt man schon mal Leute um. Und die Atheisten? Die meinen nichts zu glauben. Tatsächlich glauben die das jedoch nur.
Warum sollten Zeugen Jehovas anders sein?
Mein Mathematikprofessor hat mir eingehämmert, dass man nicht von noch so vielen Einzelfällen auf eine Allgemeinheit schließen kann.
In einem Punkt aber treffen die Zeugen wohl aus versehen genau den Punkt: Die 144000 Plätze im Himmel sind schon realistisch. Wenn ich mir die Welt so ansehe, dann braucht es auch nicht viel mehr.
@Joachim:
ich will dir ja nix unterstellen, aber du unterstellst atheisten hier gerade heftigst nihilismus, nur weilse nix mit religion/gott am hut haben? wo hab ich bloss solchen blödsinn schon mal gehört?
ahjaja, der atheist glaubt, dassa nix glaubt, sehr clever wenns nicht einfach rethorischer unsinn wäre.
wie war dit nochma mit den stereotypen?
fällt irgendwie auf, daß atheisten die einzigen unter deinen aufzählungen sind, denen du jegliche bandbreite als gruppierung mal eben so absprichst.
@DasKleineTeilchen: Wieso? Die Atheisten kommen doch noch ganz gut weg unter den Gläubigen. Und wo ich ihnen irgendetwas unterstelle sehe ich gerade nicht. Nihilismus? Begründung?
@Joachim: Atheismus = Nicht an Gott glauben; Nihilismus = an nichts glauben. Oder?
@daMax: Wikipedia: Nihilismus bezeichnet einerseits allgemein eine Weltsicht, die die Gültigkeit jeglicher Seins-, Erkenntnis-, Wert- und Gesellschaftsordnung verneint. Weiter steht da, dass „umgangssprachlich“ Nihilisten jegliche positive Ansätze negieren.
Mein Wortspiel der "gläubigen Atheisten" hat seinen Ursprung in der Neurologie, der Wissensrepräsentation im Hirn. Der Absolutheitsanspruch vieler Atheisten (mit denen ich diskutierte) und vieler Gläubigen hat identische Ursachen im menschlichem Hirn. Die Argumentationsketten sind nach dem selben Muster aufgebaut.
ups, ist ja eine fast nihilistische Einstellung bei mir
@DasKleineTeilchen: Eine nicht ironische Antwort für dich.
Zu: „ahjaja, der atheist glaubt, dassa nix glaubt, sehr clever wenns nicht einfach rethorischer unsinn wäre. wie war dit nochma mit den stereotypen?“
ich denke nicht, dass dies rethorischer Unsinn ist. Jegliche Aussage, die du triffst, basiert im Idealfall auf deinen Prämissen. Im Realfall spielen noch Inkonsistenzen, Widersprüche und manchmal sogar Blödsinn eine Rolle.
Die Prämissen mögen deinen Erfahrungen entsprechen. Doch sie sind sicher nicht objektiv oder allgemeingültig. Diese Prämissen werden einfach vorausgesetzt. Man glaubt sie, hat sie anerzogen bekommen oder erfahren. Doch Menschen unterscheiden sich. Die Unkenntnis oder Missachtung der Prämissen sind Grund der meisten Missverständnisse oder gar Streitigkeiten. Streng genommen weißt du nicht, wovon ich rede und ich weiß nicht, wovon du redest. Es sei denn wir verstehen und akzeptieren unsere Voraussetzungen untereinander. Ein recht schwieriger Prozess.
Ein Beispiel: du sagst 1+1=2. Ich sage: halt! das stimmt nicht. 1+1=10. Dummerweise sprechen wir von unterschiedlichen Zahlensystemen und haben beide unter unseren jeweiligen Prämissen recht. Doch du sagst: Joachim ist blöde, denn das weiß doch jedes Kind, dass 1+1=2. Nein, nein, nicht nur als Programmierer ist das Zweiersystem viel praktischer und du denkst zu umständlich. Denn … weil … bla bla und überhaupt.
Und nu? Wollen wir Kindergarten spielen?
Wenn ich ordentlich mit einem Atheisten diskutieren will, dann versuche ich seine Prämissen zu verstehen. Er oder sie ist eben nicht blöde. Wenn er oder sie allerdings grundsätzlich meine Prämissen negiert, dann ist sie zwar immer noch nicht blöde. Doch das Gespräch ist sinnlos.
Analoges gilt für Diskussionen mit jeder, der/die irgendetwas glaubt oder nicht glaubt. Der Atheist ist nur ein Beispiel. Seine Argumentation unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der eines „Gläubigen“. Jeder meint Recht zu haben. Einen Beweis gibt es nicht. Es ist ein Streit um Kaisers Bart, irrelevant und bedeutungsleer – jedenfalls wenn die Diskussion ohne Bereitschaft zu verstehen erfolgt.
So gesehen muss ich mir den Schuh mit den Stereotypen nicht anziehen.
@Joachim:
ah, textwüste und keine kurze klare antwort; da steh ich richtig drauf...
wow. der spruch überschreitet schon deutlich die ignoranzgrenze. 1+1=10 indeed.
ah, wozu wissenschaftliche wahrscheinlichkeiten in betracht ziehen, wenns philosophie auch tut?
jetzt spielst du kindergarten; wenn du sagst
ohne zu spezifizieren, was "an nichts glauben" meint, ist das pauschalisierend - stereotyp. und zwar völlig unabhängig von unserer jeweiligen "prämisse". und ja, du hast mit dieser pauschalisierung mal eben alle atheisten zu nihilisten erklärt.
soso. gehe ich recht in der annahme, daß du hier der grosse versteher bist, der uns doofen, "gläubigen" atheisten mal ansagt, wie sinnlos unser "glauben" an evidenz-basierter wissenschaft wirklich ist? is ja eigentlich alles philosophie, ne?
oh? wegen der textwüste, die -meiner ansicht nach- sich in deflektiver rethorik ergeht, ohne wirklich auf meine kritik einzugehen? das schärfste daran ist ja, daß du darin weiterhin "die" atheisten pauschalisierst.
und die wäre?
@Joachim:
und? ist nihilismus jetzt was anderes als atheismus? wenn wa schon bei definitionen unabhängig von unseren jeweiligen "prämissen" sind;
wo nochmal ist da die stelle, die sagt
ja? ich höre?
I call bullshit; quelle für diese steile these?
@DasKleineTeilchen: „gehe ich recht in der annahme, daß du hier der grosse versteher bist, der uns doofen, "gläubigen" atheisten mal ansagt, wie sinnlos unser "glauben" an evidenz-basierter wissenschaft wirklich ist?“
Ja, in der Tat, da gehst du recht in der Annahme! Denn:
Glauben darf man an Wissenschaft wirklich nicht. Denn da wäre ja keine Evidenz, wenn man (an Wissenschaft oder irgend etwas) glaubt. Was soll das für eine Logik sein, der man glauben muss (und was für ein Gott, der nur für eine beschränkte Anzahl von Plätzen im Himmel sorgen könnte).
Per Definition und der Logik folgend werden wir Menschen niemals alles wissen können. Abseits von der Heisenbergschen Unschärferelation, Gödel sowie die Quantenphysik gar nicht weiter zu erwähnen, auch die Neurologie nun mal außen vorlassend,
würde bedeuten, alles zu wissen, dass unser Gehirn (oder ersatzweise unsere Computer) eine Informationsmenge, die wenigstes dem Universum entspräche, fassen müsste. Das ist leider nicht möglich.
Du kannst natürlich eine Weltenformel annehmen und auf eine kompakte Darstellung hoffen. Ich fürchte jedoch, bisher haben wir die nicht gefunden. Und ich fürchte (als jemand, der sich mit formalen Systemen auskennt), noch so viele „Integrale“ können diese Weltformel gar nicht darstellen. So funktioniert die Welt nicht.
Wir können nicht einmal das simple Dreikörperproblem analytisch (mit Hilfe von Differenzialgleichungssystemen) fassen. Wir können die Riemannsche Vermutung nicht beweisen, scheitern sogar an Collatz oder Goldbach, obwohl das jedes Kind verstehen kann. Evidenz hat offenbar ihre Grenzen.
Folglich werden wir immer Glauben müssen. Wo du Philosophie erwähntest, du kannst natürlich sagen, was ich nicht weiß, da sag ich nix und zucke mit den Schultern. Sartre meinte jedoch, wir hätten nicht die Option, uns nicht zu entscheiden. Selbst Nihilisten entscheiden sich (meist zu negieren). Nitzsche meinte dagegen: „Medizin ist das, was hilft“.
So, das vorausgesetzt: soll ich nun mit dir reden? Dich verstehen? Was sind die Prämissen? Du verstehst nicht, was ich sage. Du greifst mich an. Tut mir Leid, von Evidenz, sehe ich bei dir so wenig, wie du es von mir behauptest. Es braucht offenbar eine andere Basis, mit dir reden zu wollen.
Nun, ich antworte dir. Ich bin dir nicht böse, auch wenn du dich noch so anstrengen magst. Offenbar sehe ich eine Basis. Offenbar nehme ich dich ernst. Aber du magst das anders sehen. Darfst du. Ich denke, das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Ich glaube nicht einmal, was ich selbst denke und habe kein Problem, dir zu sagen: Du hast ganz Recht.
Allerdings habe ich auch kein Problem mit den Zeugen Jehovas, Atheisten oder – ach such dir irgend etwas aus. Nur bitte, erzähle mir keinen Scheiß, ganz egal was du meinst zu wissen oder zu glauben. Bei „I call bullshit“ bin ich raus.
Weil hier etwas Ruhe eingekehrt ist möchte ich ein paar Dinge klarstellen (oder erklären).
Meine Argumentation richtet sich weder gegen Menschen die irgendetwas glauben, noch gegen Atheisten und schon gar nicht gegen die Wissenschaft. Das Gegenteil ist der Fall.
Sie richtet sich aber klar gegen einen Missbrauch oder auch ein Missverständnis der Wissenschaften.
Beispiel: Kürzlich gab es eine Studie, die nachwies, jedes Glas Alkohol sei schädlich. Setzen wir voraus, die Wissenschaftler hätten korrekt gearbeitet, so ist das ein objektiver Fakt. Die Verlässlichkeit der Studie ist klar quantifizierbar. In der Praxis aber wird der Schaden durch den Alkohol aber häufig irrelevant. Jeder industrielle Zuckerriegel schädigt Menschen, jeder übermäßige Fleischkonsum, zu wenig Sport, hochverarbeitete Lebensmittel usw, verkürzen dein Leben weit mehr, als ein Glas Wein.
Wir haben hier also eine wissenschaftliche korrekte Studie und ignorieren den Kontext und die Relevanz. 1Mio Dinge sind für deine Gesundheit wichtiger, inklusive Abschaffung des Individualverkehrs (etwa Dieselabgase, Klimawandel usw). Ein Glas Bier geht einfach im Rauschen unter. Erzähl mir also nichts! Du stirbst nicht von einem Bier und kommst auch sicher nicht in die Hölle. Korrekt ist aber, dass Alkoholmissbrauch ein massives Problem für die Gesellschaft und die Menschen darstellt.
Ein anderes Beispiel: Da sagt ein bloggender Mathematiker mit echter, nachgewiesener Kompetenz, mit genügend Daten könne er alles berechnen. Er meinte damit etwa den Fall einer Münze. Das stimmt nicht. Das ist wissenschaftlich falsch. Es ist wissenschaftlich hundertfach bewiesen, dass die Münzaussage in dieser allgemeinen Form falsch ist.
Und dann kommt das Lieblingsbeispiel einiger(! nicht aller) Atheisten, hier in der Form:
ich: Einen Beweis gibt es nicht
Antwort: ah, wozu wissenschaftliche wahrscheinlichkeiten in betracht ziehen
um zu belegen, Gott gäbe es nicht. Es wird nicht definiert, was nun Gott denn sein soll. Es wird nicht gesagt, welche Wahrscheinlichkeiten gemeint sind und nicht gesagt, was überhaupt denn Glaube sein soll.
Tatsache ist: Es existieren keine "wissenschaftlichen Wahrscheinlichkeiten", die halbwegs vertrauenswürdig einen Gott widerlegen (oder belegen). Wen das Thema interessiert, dem sei Gödels Gottesbeweis ans Herz gelegt. Man achte insbesondere auf die Voraussetzungen, die er machte. Ganz ehrlich, diese ironische Antwort oben grenzt an Esoterik.
Liebe Atheisten, ich kann und will euch nicht widerlegen. Doch wenn jemand etwas glaubt, so ist ein wenig Respekt nicht zu viel verlangt – in jede Richtung, auch in Richtung der Atheisten. Denn Atheisten, die ich persönlich kenne und schätze, schon gar wenn sie gleichzeitig Wissenschaftler sind, muss man das gar nicht sagen. Die haben kein Problem damit.