Gedanken zum Wochenende
Freitag, 10.7.2009, 21:34 > daMaxIch bin im Moment ein Bisschen schockiert von der Geschwindigkeit, mit der im Netz Dinge hochgezerrt und aufgebauscht werden, um sich Feindbilder zu schaffen. Und jeden anzuschwärzen, der sich für ein Bisschen weniger Aktionismus und mehr Reflektion ausspricht. Diesmal hat es mich erwischt, wenn auch noch recht harmlos. Im gleichen Thread formulierte phoibos die Frage
ich frage mich seit tagen, wo die bildung bleibt? ich sehe hier unendliche probleme mit der deutschen sprache (orthographisch (und dass mich hier jetzt keiner annervt von wegen kleinschreibung) wie semantisch), ein gesellschaftsbild jenseits von allem, was schule zu leisten hätte, kleingeistigkeit ohne fähigkeit der reflektion, …
ist das jetzt nur pisa? oder ist das schon das zeichen dafür, dass ich scheissealt bin, wenn ich über die “jugend von heute” lamentiere, die nichts mehr könne? oder hat sich da jetzt wirklich ein wandel in bezug auf werte und bildung vollzogen, der jenseits politischer strömungen entstanden ist? also sowas wie ein ad-hoc-gesellschaft, eine gesellschaft die kein gestern und kein morgen kennt und das heute, hier und jetzt zur absoluten handlungsmaxime erklärt hat…
Tja phoibos, diese Frage stelle ich mir auch immer wieder. Liegt wahrscheinlich daran, dass auch ich scheißalt bin. Die Einstellung "lebe im hier und jetzt" ist ja an sich nicht völlig verdammenswert, aber mit der Ad-Hoc-Gesellschaft hast du sicher Recht. Man muss heutzutage immer sofort seinen Senf zu irgend etwas abgeben (ich nehme mich da nicht aus) anstatt mal eine Nacht über eine Sache zu schlafen und sich später reflektiert dazu zu äußern.
Das war auch mein Beweggrund für meinen ersten Kommentar in diesem Thread. Ich wollte Chris eigentlich nur mal ein Bisschen Mut zusprechen, nicht gleich Debatten für beendet oder Parteien für unwählbar zu erklären. Schon wird wieder auf mich eingedroschen bei mir wär Hopfen und Malz verloren. Und hätte Jonathan mal in meinen Blog reingeschaut anstatt gleich loszulegen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass ich kein so völlig unkritischer Mensch bin. Vielleicht auch nicht, das wäre aber von meinem Verständnis für Meinungsfreiheit durchaus gedeckt
Es findet IMHO ein massiver Gesellschaftswandel statt, der den meisten Menschen noch nicht einmal bewusst geworden ist. Es gibt unglaublich viele Konflikte zwischen sehr vielen Strömungen, von denen jede von sich denkt sie sei die einzig heilbringende.
Mit dem Internet haben wir uns die Möglichkeit zu nie dagewesener Zusammenarbeit und Synergie geschaffen, schaffen es aber nicht, damit etwas anderes zu betreiben als die seit 10.000 Jahren herrschende Primatenpolitik. Ich sehe soviel Stress im Netz von Leuten, die sich gegenseitig übers Maul fahren, in Grund und Boden verdammen, verfluchen und für bescheuert erklären.
Anstelle endloser Monologe frustrierter Sklaven (wie du hier schon wieder einen liest) könnte ja auch mal ein DI-alog treten. Das ist aber ungleich anstrengender und vor allem dauert es auch viel zu lange. Die Zeit, die ich benötige um alleine diesen Text zu schreiben, habe ich am Tag höchstens zwei Mal. Da man aber denkt, man müsse heute noch in 10 anderen Blogs, bei Twitter, auf Facebook und StudiVZ seine viel zitierten 2 cents deponieren, kommt eine gehaltvolle Diskussion nur selten zustande. Wie sollte man diese ganzen Diskussionen auch noch im Überblick behalten können? Ich kann es nicht, wahrscheinlich liegt's wieder am Altern.
In den Anfangstagen des Internet gab es mal den Begriff der Netiquette. Dieser Begriff ist heute größtenteils unbekannt oder wird als ein Weicheiding verlacht. Es gab vor einiger Zeit den Vergleich von Weblogs und Klowänden. Auf dem wurde natürlich auch rumgeprügelt bis nur noch Matsch übrig war. Trotzdem denke ich, dass ein Fünkchen Wahrheit darin steckt. Jeder kann im Netz schnell jeden anderen fertig machen. So etwas würden sich die meisten Trolle im echten Leben niemals getrauen, weil sie wahrscheinlich ein großes Problem damit haben, überhaupt mit Menschen in Sozialkontakt zu treten. Das ist meine ganz persönliche Erfahrung mit einer Menge Computernerds.
Das Problem ist sicher nicht (nur) die deutsche Schulbildung. Das Problem ist vielmehr, dass viele Deppen der Meinung sind, das Internet sei ein umgangsformenfreier Raum.
So, langer Text, aber auch keine wirkliche Antwort auf deine Frage, fürchte ich.
Ich verabschiede mich jetzt ins Wochenende, welches ich mal ohne Dauerbloggen rumkriegen will.
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