Es ist Sonntag früh, die Welt schläft noch und ich finde endlich Zeit, eine der lustigsten Begebenheiten der letzten Zeit aufzuschreiben.
An meinem Geburtstag hatte ich sämtliche Leute, die ich hier in Köln kenne, zur gemeinsamen Cocktailverköstigung eingeladen. Von 15 Eingeladenen kamen sogar 13, was ich für ein Dreivierteljahr neu in einer Stadt für eine ziemlich gute Quote halte. Die Bar wurde uns im Laufe des Abends allerdings mangels Belüftung schnell zu stickig und so kam die Idee auf, Richtung Rhein zu pilgern und da weiter zu sauf genießen. Erste Anlaufstelle war natürlich eine Tanke zwecks Flüssigkeitsreservenauffüllung. Hier wurde ein altes Rollenklischee ausgelebt: die Jungs kaufen Bier, die Mädels lieber eine Flasche Wein. Dass dieser Kauf Unterhaltungspotential für eine komplette Stunde bieten sollte, ahnte damals noch niemand.
Nach etwa 10 Minuten Herumgestehe frage ich "Wieso stehen wir hier eigentlich rum? Wollten wir nicht Richtung Rhein?". Die Antwort: "Keiner kriegt die Weinflasche auf". Hm. Das kanns ja wohl nicht sein. Ich fühle mich in meiner Rolle als Gastgeber natürlich verpflichtet, Abhilfe für diese missliche Lage zu suchen. Also wieder rein in die Tanke:
daMax: "Tschuldigung, habt ihr vielleicht einen Korkenzieher?"
Tankstellenverkaufsfachkraft: "Wofür?"
daMax: "Ich wollte gerade einen Fluxkompensator bauen. Falls das fehlschlägt, würde ich damit auch einfach nur den Wein aufmachen, den die Mädelz gerade hier gekauft haben."
Tankstellenverkaufsfachkraft: "Nee, hamwa nich!"
daMax: "Hm... vielleicht einen Kuli oder sowas? Damit könnten wir den Korken zur Not in die Flasche drücken."
Tankstellenverkaufsfachkraft: (zögert) "Nee tut mir leid, ich brauche den Kuli gerade selber."
daMax: "Äh... oookay. Ja. Offensichtlich. Und wenn ich hoch und heilig verspreche, das Ding in 30 Sekunden wieder zurück zu bringen?"
Tankstellenverkaufsfachkraft: (zögert noch länger und formuliert offensichtlich krampfhaft an einer Erklärung für die nächste Ablehnung) "Äh... also... äh... nee, den darf ich nicht rausgeben, die werden uns nämlich immer geklaut. Ja. So ist das."
Ich kriege jetzt den ersten Lachanfall.
daMax: "Oha. Na, wenn das so ist. Klar. Tankstellenkuliräuber. Liest man ja fast täglich in der Zeitung. Trotzdem vielen Dank für... nichts."
Ich verlasse die Geschäftsräume. Vor der Tanke bietet sich mir folgender Anblick: einer der Partygäste hat die Weinflasche mit dem Boden voran in einen Schuh(!) gesteckt und stößt sie wiederholt gegen einen Blumenkübel*. Ich stutze und frage flüsternd eine neben mir stehende Person:
daMax: "Was macht der da?"
Nebenstehender: "Der meint, so kriegt er den Korken da raus."
daMax: "Wie jetzt? Durch Rückstoß des Weins gegen den Korken oder was?"
Nebenstehender: "Keine Ahnung. Aber sieht doch lustig aus."
Dem kann ich mich nicht gänzlich verschließen. Dennoch bin ich immer noch auf der Suche nach einer echten Lösung für unser Problem. Ich quatsche also die nächstbesten Tankenden an:
daMax: "Sorry, habt ihr zufällig einen Korkenzieher dabei?"
Beifahrer: "Nee!"
Fahrer: "Nee. Oder... warte mal... ich glaube, du hast Glück! Mein Bruder, dem das Auto hier gehört, ist nämlich in der Gastro. Und ich glaube... jaaa, guck mal hier!"
Er zaubert einen Flaschenöffner in Fischform hervor. Leider ist kein Korkenzieher dran und der Fisch ist ganz knapp zu breit um in einen Flaschenhals zu passen.
daMax: "Hm. Nee, das wird auch nicht gehen, trotzdem danke."
Inzwischen bin ich recht mutig und latsche munter zur nächsten Karre. Ein metallicblauer Ford Fiesta. Hinten getönte Scheiben. Darin 4 echte Möchtegerngangster. Der Fahrer guckt mich an als suche er nur nach einem Grund, mir ein Messer zwischen die Rippen zu stecken. Da ich 13 Leute hinter mir habe, lasse ich mich davon jedoch nicht erschüttern. Einer der Typen auf dem Rücksitz ist (sehr zum Verdruss des immer wilder augenrollenden Fahrers) noch nicht so richtig firm in seiner Gangsterrolle und zeigt tatsächlich sowas wie Interesse und Hilfsbereitschaft. Leider führt das Gespräch erkennbar zu nichts und ich mache mich wieder von dannen.
Bei der Partygesellschaft ist zum Glück von Verzweiflung keine Spur zu erkennen, es herrscht allgemeine Fröhlichkeit trotz vertrackten Situation. Kölner sind einfach entspannt. Der Blumenkübel sieht inzwischen allerdings nicht mehr ganz frisch aus. Abgeplatzter Beton zeugt von der mauen Qualität Kölner Stadtmöblierung.
daMax: "Leute, das hat hier keinen Sinn. Ich glaube, wir brauchen mal einen Ortswechsel".
Gesagt, getan. Erwähnte ich bereits, wie locker Kölner sind? Naja. Wir kommen also am Rhein an. Direkt am Rhein sehe ich ein Restaurant. Ha! Die Lösung. Ich also nix wie rein. Drinnen sieht es zu meiner Überraschung eher aus wie in einem Hotel. So mit Rezeption. Auf der Rezeptionstheke steht ein riesiger Korb voller Wäscheklammern. Moment. Wäscheklammern? Egal, ich habe eine Aufgabe zu erledigen.
daMax: "Guten Abend. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Da draußen steht meine Geburtstagsparty und versucht seit geraumer Zeit erfolglos, diese Weinflasche hier zu öffnen. Könnten Sie mir vielleicht einen Korkenzieher leihen?"
Rezeptionsdame: "Nee, hab ich keinen hier!"
daMax: "Sie werden doch in diesem Etablissement einen Korkenzieher haben? Darf ich vielleicht mal drinnen nachfragen?"
Rezeptionsdame: "Nein, das ist gerade ganz schlecht. Da drinnen ist nämlich eine Hochzeitsgesellschaft!"
daMax: "Na, das ist doch prima. Wo wenn nicht bei einer Hochzeitsgesellschaft sollte ein Geburtstagskind in Not Hilfe in Form eines Korkenziehers bekommen können?"
Rezeptionsdame: "Nein, das geht auf keinen Fall! Die sind nicht so. Aber hier, sie können eine Wäscheklammer haben."
daMax liegt erst mal wieder mit Lachanfall unter der Theke. Dann: "Äh. Ja. Eine Wäscheklammer. Aus echtem Weichplastik. Wow. Danke. Ich werde mal sehen, was ich damit anfangen kann."
In diesem Moment kommt ein Hochzeitsgast ums Eck. Mitte 20, gestriegelt und gebügelt. Typ Werbeagenturfuzzi, erkennbar auf Koks oder ähnlichem.
Typ: "Wasn hier los? Wo ist das Problem?"
daMax: "Wein... Flasche... Korkenzieher... Mädels... Weißtschon... Keine Hilfe hier... Statt dessen Wäscheklammer..."
Typ: "Na, dann haste doch kein Problem, oder?"
daMax: "Äh. Also. Irgendwie schon. Vielleicht kriege ich die Wäscheklammer in die Flasche gedrückt, ich bezweifele das aber, wenn ich mir anschau', wie dünn das Plastik ist."
Typ: "Nee, nich reindrücken. Gib mal her!"
Er zerlegt die Wäscheklammer und fängt an, die Feder auseinander zu biegen.
daMax: "Bitte entschuldige meine doofe Frage aber: Was zur Hölle hast du denn jetzt vor?"
Typ: "Naja.. äh..." (fummelt weiter)
daMax: "Glaubst du ernsthaft, nur weil eine Drahtfeder und ein Korkenzieher geringfügige Ähnlichkeiten im Aussehen aufweisen, könnte man sie wirklich substituieren?"
Typ: "Äh..."
daMax: "Nochmal zum Mitmeißeln. Was hast du vor? Selbst wenn zu das Ding jetzt aufgedröselt bekommst und mal angenommen, zu bekämest das Ding dann - was ich bezweifele - in den Korken gesteckt. Was dann? Wie willst du genug Kraft aufbringen, um den Korken aus der Flasche rauszukriegen? Mit den Zähnen oder was?"
Typ: "Äh... hm... meinste nicht?"
daMax: "Alter. Vergiss es."
Typ: "Aber du musst zugeben, das war ne kreative Idee, oder? Ich bin nämlich voll kreativ. Weißte? Voll. Ich hab voll die kreativen Ideen".
daMax: (krabbelt inzwischen mit Lachtränen in den Augen wieder durch die Drehtür ins Freie)
Leute, ich lüge nicht. Wir hatten bestimmt eine komplette Stunde lang Spaß mit dieser Weinflasche. Ohne sie auch nur aufzumachen Als ich dann mein Fahrrad irgendwo anketten wollte, entdeckte ich ein großartiges Allround-Fahrrad-Werkzeug in der Fahrradtasche, womit ich den Korken dann endlich doch noch rein drücken konnte.
Köln rulez. Aber Korkenzieher sollte man schon selbst mitbringen.
* Update: Die Technik mit dem Schuh funktioniert wirklich!! Aber:
Please, be very careful trying this. A good friend of mine tried it, and the bottle exploded : 3 fingers incapacitated, nerve/ligaments damaged, 1 year of reeducation.
See the position of his left hand in the video ...