Schwedische Äpfel

Montag, 14.12.2009, 15:38 > daMax

Ich wollte ja noch ein bisschen warten, bis ich zu meinem generellen Apple-Hass-Rundumschlag aushole, aber dieser Heise-Artikel passt so prima dazu, dass ich eben jetzt schon vom Leder ziehe. In dem Heise-Artikel geht es darum, dass eine Studie der dänischen Firma Strand Consult zu dem Ergebnis kommt, dass iPhone-Anwender unter dem sogenannten "Stockholm-Syndrom" leiden. Dieses Syndrom ist vor allem bei Entführungsopfern bekannt, die sich mit ihren Entführern solidarisieren. Laut der Studie verdrängen iPhone-User massiv die Mängel ihres geliebten Telefons.

Und ich setze noch einen drauf: Apple-Jünger leiden generell unter dem Stockholm-Syndrom. Ich kann das beurteilen, ich besitze ja nun selber so ein Ding. Und nachdem ich mir nun bestimmt 10 Jahre lang immer anhören musste, wie brilliant, amazing, astonishing und incredible diese Kisten angeblich sind, kann ich aus eigener Erfahrung sagen: the cake is a lie!

Ich erzähle euch jetzt einfach mal völlig vorurteilsbelastet, was in mir in den letzten Monaten diese Einstellung hat reifen lassen:

1. Der Startsound
Das Macbook meldet sich beim Einschalten erstmal mit einem fetten "Donnnnggggg". Das sollte man ja bestimmt ausschalten können. Oder? Fehlanzeige. Dazu muss man sich erst eine Zusatzsoftware namens "Startup Sound" installieren, die diese Einstellung vornimmt. Amazingly easy... Unter Windows geht das mit Bordmitteln (Systemsteuerung -> Sounds und Audiogeräte -> Sounds).

2. Die Kantenglättung
Apples OS glättet standardmäßig sämtliche Schriften. Das mag auf Röhrenmonitoren Sinn machen, auf TFT Displays sieht das meiner Meinung nach total beschissen aus. Zugegeben: Windows tut das auch. Unter Windows kann man das aber einfach ausschalten (Rechtsklick auf Arbeitsplatz -> Eigenschaften -> Erweitert -> Systemleistung -> Kanten der Bildschirmschriftarten verfeinern deaktivieren). Auf dem Mac? Das gibt es Systempreferences -> Appearance -> Font Smoothing Style. Dort kann man die Kantenglättung jedoch nicht ausschalten sondern unter schwurbeligen Einstellungen wie "Automatic - Best for Main Display", "Light" oder "Strong" wählen. Oder man kann sagen "Turn off text smoothing for font sizes XX and smaller", wobei XX bis maximal 12 einstellbar ist. Ergebnis nach Ab- und Anmelden: Kantenglättung bleibt größtenteils wie sie war. Oder man installiert sich eine zusätzliche Software namens TinkerTool, mit der man das FontSmoothing immerhin für Schriftarten bis 144 Schriftgröße ausschalten kann. Firefox zeigt sich davon allerdings unbeeindruckt, aber das ist wohl nicht unbedingt Apples Schuld. Okay, immerhin habe ich es hinbekommen, aber incredible ist was anderes.

3. Die Mausbeschleunigung
Apple OSX hat eine Mausbeschleunigung integriert, die mir auf die Nüsse geht, weil ich ständig an Buttons vorbeiwitsche oder kurz vorher hängenbleibe, weil die Maus zu langsam wird. Das kann man bestimmt astonishingly simple ändern. Pustekuchen. Das kann man überhaupt nicht ändern. Zwar gibt es den Terminalbefehl "defaults write .GlobalPreferences com.apple.mouse.scaling -1", der tut aber irgendwie nicht so richtig. Und dann gibt es da noch ein Script namens DisableMouseAccel, das hat jedoch (genau wie der Terminalbefehl) den Nachteil, dass es auch gleich noch die komplette Mausgeschwindigkeit in die Knie zerrt. Außerdem habe ich es sogar mit Expertenhilfe nicht hin bekommen, dieses Script beim Systemstart auszuführen. Amazing... Ach, es gibt da auch ein Programm namens MouseFix, aber wenn ich das hier lese, vergeht mir schlagartig die Lust, es auszuprobieren:

However, it can be difficult to install for the non-technically inclined, and its presets are not customizable.

4. Umschalten zwischen einzelnen Fenstern einer Applikation
Was unter Windows per Tastenkombination ALT-TAB völlig einfach geht, ist unter Mac OSX mal wieder schlichtweg unmöglich. Das Pendant CMD-TAB schaltet nur zwischen den verschiedenen Applikationen um, wenn ich 3 Firefox-Fenster offen habe, bleibt mir der Griff zur Maus nicht erspart. Und der bringt auch nur etwas, wenn man vorher in den Systemeinstellungen festlegt, dass eine der Bildschirmecken alle Fenster der laufenden Applikation anzeigt. Das lässt sich zwar auch per FN-F10 erreichen (mit einer Hand unmöglich), der Griff zur Maus wird trotzdem nötig, um dann eines der Fenster auszuwählen. Astonishing.

5. Icon in der Dock ändern.
Die Dock ist ein zugegebenermaßen hübsches Spielzeug. So hübsch, dass ich mich unter Windows schon seit Jahren an AquaDock gewöhnt habe, RocketDock tut's auch und viele andere Docks sind auch prima. Alle diese Docks haben eins gemeinsam: wenn ich für ein in der Dock verlinktes "Ding" (Anwendung oder Datei, völlig egal) ein anderes Icon verwenden will, mache ich einen Rechtsklick darauf, sage "customize icon" (oder so), und wähle ein beliebiges PNG File aus. Zack, fertig. Auf dem Mac? Oh the horrors. Entweder installiert man sich eine 30$ teure Software namens CandyBar, oder man macht:

  • First find an icon you want to use. Here we use the Photoshop [Ps] icon as an example. Click to select the application. File -> Get Info (Command + I) to launch application info.
  • Click the icon to select it, Edit -> Copy (Command + C) to copy the icon.
  • On the icon you want to change, File -> Get Info (Command + I) to launch the folder info, click on the icon and do a Edit -> Paste (Command + V).
  • Das geht natürlich nicht mit PNG Dateien. Die müsste man erst in ein Icon umwandeln, dazu muss man sich das komplette Apple Developer Toolkit installieren. Lucky me: ich habe das schon installiert. Aber auch mit einem so zusammengebastelten Icon geht das nicht. Toooooll! Schlimmer noch: selbst wenn ich es so hin bekommen würde, dann gilt dieses Icon ja generell und immer für diese Applikation! Nicht ganz das was ich wollte. Und es wird schlimmer: mal angenommen, ich habe nicht eine Applikation in das Dock verlinkt, sondern ein Dokument (jaja, Frevel!), und ich hätte mit dem oben genannten Tipp Erfolg: hätte ich dann nicht das Icon für alle Dokumente von diesem Typ geändert? Auch nicht so ganz der gewünschte Effekt. Naja, nach einer halben Stunde hat mich auch bei diesem "Problem" die Lust verlassen. Better and better and better.

    6. Skype verhindert Herunterfahren des Computers
    Wenn man den Rechner runterfahren will und hat Skype noch offen, dann unterbricht Skype das Herunterfahren mit einer Warnmeldung. Diese muss man explizit anklicken, der Standardknopf ist CANCEL und kann nicht per Tastatur gewechselt werden. Und natürlich gibt es auch in Skype keine Einstellung, um dieses Scheißverhalten zu ändern. Warum zur Hölle ist das nur aufm Mac so? Unter Windows wagt Skype so einen Mist nicht. Incredible.

    7. XCode - die Entwicklungsumgebung aus dem Mittelalter
    Als verwöhnter Eclipse-User kann ich über Apples firmeneigene Entwicklungsumgebung XCode nur staunend den Kopf schütteln. Ich will euch jetzt nicht mit Einzelheiten nerven, aber Debugging und Refactoring, das Finden von Referenzen und vieles mehr kommt mir unter XCode so vor, als wäre ich in einer IDE aus dem letzten Jahrtausend gelandet. Und da Apple ja generell keine Plugins zulässt (von Open Source Code mal ganz zu schweigen), wird Eclipse auch in Zukunft in rasender Geschwindigkeit besser, wohingegen ich in XCode wahrscheinlich noch ein halbes Jahr darauf verschwenden werde, endlich eigene Templates zum Laufen zu kriegen. Unbelievable.

    8. Neue Dateien per Rechtsklick? Wo denken Sie hin?
    Ich muss ständig und dauernd schnell mal eben irgendwo eine Textdatei anlegen können. Fragt nicht wieso, ist halt so. Ich brauch das. Unter Windows: Rechtsklick in ein beliebiges Explorer-Fenster -> Neu -> Textdatei. Unter Mac OSX? Geht nicht. Dazu muss man sich erst - ihr habt es erraten - eine Zusatzsoftware namens NuFile installieren. Und dann geht das so: Rechtklick in ein Finder-Fenster -> More -> New File -> New Textfile. All you need is just a few hundred clicks away...

    9. Filme anschauen
    Ein Vöglein brachte mir 2 Filme im Apple-eigenen Quicktimeformat (M4V) vorbei. Na, die müsste man doch einfach anschauen können, ein Quicktime-Player ist doch bestimmt installiert. Ein mutiger Doppelklick öffnet... iTunes. Und was macht iTunes? Klopft erstmal im iTunes-Store an! Äh... nein danke! Da ist zum Glück meine 20$ Firewall namens Little Snitch davor. Schon meckert iTunes "also Internet muss schon sein du Penner!". Was macht iTunes aber vor allem noch? Es kopiert den kompletten Film. Irgendwo hin. Klar, sind ja nur 700 MB, tolle Sache, meine Festplatte ist ja endlos groß. Abbrechen dieser Kopieraktion? Fehlanzeige. Ein beherzter Griff zu CMD-Q schießt iTunes immerhin zuverlässig ab. Das muss doch auch anders gehen. Rechtsklick auf den Film -> Öffnen mit -> aha! Da ist ja ein Quicktime Player. Und wenn man auf "andere..." klickt, kann man sogar auswählen "Always open with". Das tut leider nicht ganz das, was ich dachte...

    10. Filme immer mit Quicktime anschauen.
    Unter Punkt 9 war ich immerhin schon bei "Immer öffnen mit". Das führt aber keineswegs dazu, dass Quicktime-Filme immer mit dem Quicktimeplayer geöffnet werden, sondern nur dazu, dass dieser eine Film immer mit dem QT-Player angezeigt wird. Bei allen anderen fühlt sich immer noch iTunes zuständig. Naja, ein bisschen Googelei brachte immerhin eine Lösung:

  • Select an M4V file in the Finder.
  • Choose "Get Info" from the File menu.
  • Under the "Open with" section, select the Quicktime Player from the menu.
  • Click the "Change all..." button.
  • 11. Mir fehlt die ENTF-Taste!
    Schmerzlich sogar. Aber die gibt's halt aufm MacBook nicht. Leider auch keine Pos1-, Ende-, Bild-Auf- und Bild-Ab-Taste. Apple hält es auch für überflüssig, Zeichen wie [ und ] und | und { und } auf die Tasten zu drucken. Solche komischen Zeichen braucht ein Apple-User ja auch nicht. Das ist nur was für Coder, und die zählen scheinbar nicht zur direkten Apple-Zielgruppe. A-ma-zing!!!!

    Mein höchstpersönliches Fazit lautet: mit einem Apple Computer ist man nur glücklich wenn man ihn so benutzt, wie er geliefert wird. Wenn man nur die Apple-eigenen Programme verwendet und nie hinterfragt, ob es vielleicht bessere Sachen geben könnte. Dann ist allerdings auch jede mir bekannte Linux-Distribution amazingly easy zu bedienen. Wer gerne seinen Rechner auf seine eigenen Bedürfnisse anpassen will, wer professionelle Softwareentwicklung betreibt, oder auch gerne mal hinter die Fassade gucken möchte, der wird mit Apples faschistoidem Wir-Sind-besser-als-alle-anderen-und-unsere-Vorgaben-sind-das-Beste-was-dir-passieren-kann-Gehabe schnell auf Konfrontationskurs gehen.

    Und wenn mir jetzt noch ein Apple-User was von amazingly easy erzählt: das Stockholm Syndrom ist bei euch psychologisch bewiesen :-P Ihr braucht jetzt auch in den Kommentaren gar nicht versuchen, Apple zu verteidigen. Echt nicht. Ihr habt das schon 10 Jahre lang getan, als ich noch überhaupt nicht angefangen hatte zu meckern, weil ich ohne eigene Erfahrung lieber meine Klappe gehalten habe. Und weil ich den Mein-OS-ist-besser-als-deins-Krieg erst als ZX-Spectrum-Besitzer mit den C64-Ignoranten ausgefochten habe und als Atari-ST-Sympathisant dann nochmal mit den Amiga-Besitzern. Ich habe beide Kriege komplett aus dem Stockholm-Syndrom heraus gefochten, im Nachhinein kann ich sagen: der C64 und der Amiga waren einfach die cooleren Kisten! Punkt. Und genauso überzeugt kann ich heute sagen: wer den Mac als einfach zu bedienen verteidigt, ist mit Verblendung geschlagen.

    Und jetzt werde ich an meinem iPhone-Spiel weiter stricken. Zähneknirschend...