Reporter ohne Grenzen - Wie der russische Staat das Fernsehen lenkt (Update: ich sach jetzt auch mal was)
Dienstag, 18.11.2014, 19:41 > daMaxUm hier nicht als verblendetes Propagandaopfer dazustehen verlinke ich jetzt auch mal auf diesen Bericht von Reporter ohne Grenzen. Wenn ich jetzt bloß noch die Zeit fände, das alles zu lesen
Der Bericht »Der Kreml auf allen Kanälen« fußt auf rund 30 Interviews mit Journalisten, Medienexperten und Beobachtern, die ROG-Pressereferentin Ulrike Gruska im Sommer 2013 in Moskau und Berlin geführt hat. Viele Kollegen – vor allem aus staatlichen oder staatsnahen russischen Medien – waren nur anonym dazu bereit, mit Reporter ohne Grenzen zu sprechen, um ihre weitere Tätigkeit nicht zu gefährden. Wir danken ihnen und allen Gesprächspartnern für ihre Offenheit und die intensiven Einblicke, die sie uns in ihre Arbeit gewährt haben. Nur mit ihrer Hilfe können wir den Widerspruch aufzeigen zwischen dem modernen und weltoffenen Bild, das die russische Führung von ihrem Land vermitteln will, und der fehlenden Freiheit in einem Staat, der auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit nur auf Platz 148 von 179 Ländern steht.
Update (ca 15 Minuten später): jetzt lese ich doch drin herum und da mag ja vieles auch stimmen, aber was genau unterscheidet diese Beschreibung jetzt von deutschem Staatsfernsehen?
Das Programm der staatlichen Sender besteht zu einem großen Teil aus Talkshows und Unterhaltungssendungen, die auf Emotionales und Boulevard setzen. Dazu kommen Serien, Kriminalfilme und Historiendramen, die oft mit großem Aufwand und sehr professionell produziert sind. Die Nachrichten dieser Kanäle versorgen die Zuschauer mit der offiziell genehmigten Version dessen, was in Russland und der Welt passiert. Analysen liefern fast ausschließlich kremlfreundliche Kommentatoren.
Ich finde es einfach spannend, wie man so etwas als Beispiel für den bösen Russen hinstellen kann, wo in der heimischen Glotze eigentlich genau dasselbe läuft (bis auf die kremlfreundlichen Kommentatoren, versteht sich). Um meinen Standpunkt wenigstens einmal aufzuschreiben, damit ich in Zukunft darauf verweisen kann: ja, das russische Staatsfernsehen ist gelenkt. So what? Das deutsche etwa nicht? Erinnert ihr euch noch an Nikolaus Brender, den ehemaligen Chefredakteur des ZDF, den der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch absägen wollte? Ja, damals gab es einen berechtigten Aufschrei seitens vieler hochrangiger Journalisten bezüglich dieses unerträglichen Angriffs auf die Pressefreiheit und genau sowas wäre wahrscheinlich in Russland undenkbar, aber wie ein kluger Mensch einmal sagt: entscheidend ist, was hinten rauskommt und das Ende vom Lied war dann eben doch Brenders Abgang.
Brender selbst kritisierte in einem Interview des Spiegels die parteipolitische Dominanz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das „Proporzdenken“ der Parteien. Er sprach weiterhin von einem „Spitzelsystem, das davon lebt, dass Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen“, und bezeichnete diese als „Inoffizielle Mitarbeiter“ der Parteien, die „wirklich vergleichbar mit den IM der DDR“ seien. Da sei ein „feingesponnenes Netz von Abhängigkeiten“. Er selbst habe versucht, „solche Spione wenigstens von Posten mit echter Verantwortung fernzuhalten“. Insbesondere gäbe es in der Union ein „dunkles Schattenreich, das sich im Verwaltungsrat eingenistet hat und ihn mittlerweile zu dominieren versucht“. Das Bundesverfassungsgericht sei „die einzige Institution, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Staatsferne, Form und damit Zukunft sichern“ könne.[25]
Gut, das ist jetzt natürlich eine eher subjektiv geprägte Aussage, aber genau darum geht es mir. Meiner Meinung nach gibt es nicht die eine objektive Wahrheit. Wahrheit findet immer im Auge des Betrachters statt. Anstatt mich Pro-Russia-Today oder Pro-Deutschlandfunk zu positionieren, versuche ich eben (so gut es geht), im Auge zu behalten, dass jede|r seine eigene gottverdammte Agenda hat, die er|sie mir vermitteln oder aufzwängen will. Und das finde ich gar nicht mal so unerträglich und entsetzlich. Das ist einfach nur menschlich und liegt quasi in der Natur der Dinge. Ich finde es viel gefährlicher und verwerflicher wenn man sich gar nicht bewusst ist, dass man eine Meinung vertritt sondern statt dessen davon überzeugt ist, im Besitz der Wahrheit™ zu sein. Wenn ein Markus Beckedahl als Medienmacher eine öffentliche Russia-Today-Schelte rauskloppt um in den Kommentaren zu seinem eigenen Artikel so ne Schoten zu reißen:
Wir reden in der Regel beim Deutschlandfunk nicht mit den Intendanten, sondern mit Redakteuren, von denen wir eine Menge persönlich kennen. Die arbeiten journalistisch und nicht als Propagandisten.
dann kann ich nur noch den Kopf schütteln. Rafft hier überhaupt noch irgend jemand irgend etwas?! Mir wird ja ständig von Freunden und Feinden, Lesern und anderen Wildfremden vorgeworfen, ich hätte eine Schwarz-Weiß-Sicht auf die Welt. Die gleichen Leute schlagen dann mit zwar bemerkenswerter Blindheit, dafür aber Verve en masse auf alles ein, was - um mal ein Beispiel zu nennen - aus dem Osten kommt, ohne sich wenigstens einmal kurz zu fragen, ob sie nicht vielleicht mit Ost- und Westpropaganda zugemüllt werden. Der Propagandaangriff aus dem Westen wird einfach nicht in Erwägung gezogen und fertig ist die Wahrheit das Weltbild.
Ich kann nicht sagen, dass ich an gar nichts glaube. Ich glaube aber ganz sicher nicht mehr daran, dass irgendwer da draußen Die Wahrheit℗ gepachtet hat. Alle erzählen ihre Version der Wahrheit (ja, auch du!). Ich für meinen Teil höre mir lieber mehrere Aussagen zu einem Thema an und entscheide dann anhand der Fresse des Erzählers, welche Variante der Wahrheit meinem Herzen am nächsten liegt. Und bevor mir jetzt jemand mit so einer dämlichen Rabulistik ums Eck kommt wie "ja hörst du dir dann auch die Meinung von Rassisten und Holocaustleugnern an?!!?": keine Sorge, du hast bloß den Teil mit meinem Herzen im letzten Satz überlesen. Wir alle sollten uns manchmal mehr auf unser Herz (oder wer es prosaischer braucht: unser Bauchgefühl) verlassen, wenn es darum geht, Wahrheit von Propaganda zu unterscheiden, aber dazu gehört eben auch eine ganze Menge Empathiefähigkeit und die spreche ich durchaus vielen Menschen heutzutage ab. Mit der Anbetung des Rationalismus als einzig wahre Religion ging ein wichtiges Element des menschlichen Zusammenlebens in die Binsen. Huch, ich schweife ab. Bla.
tl;dr: Propaganda ist immer nur das, was die anderen machen. Wir™ informieren©.
Und zu der Quelle "Reporter ohne Grenzen" kann man dann auch noch gleich ein paar Hintergründe erwähnen, wobei sogar die Wikipedia ein wenig behilflich ist.
Einseitige Hetze, das ist in deren DNA
http://www.heise.de/tp/artikel/20/20052/1.html
@KnallrotesGummiboot: haste mein Update gelesen? Genau das meine ich wenn ich sage, jede|r hat eine eigene Agenda. Du, ROG, Jens, Ralf Streck, alle eben. Es betrübt mich nur zu sehen, wie ALLE (auch meine geschätzte Leserschaft) meinen, im Besitz des totalen Durchblicks und der Wahrheit zu sein. Wir sind wie Leute mit Augenbinde, die in einem riesigen Labyrinth ständig mit dem Kopf gegen sämtliche Wände rennen. Nur weil wir uns gemerkt haben, dass der Weg links-links-geradeaus-rechts zu weniger Beulen führt, heißt das noch lange nicht, dass das der Weg Richtung Ausgang ist. Besser wäre es vielleicht, zu versuchen sich der Binde mal zu entledigen. Statt dessen höre ich wahlweise Erklärungen darüber, wie toll die Augenbinde doch die Ohren wärmt oder uns - noch besser - vor allzu schlimmen Anblicken beschützt. Es ist zum Mäusemelken.
Sind wir uns doch ziemlich einig, Max
Für den Einwurf "Bauchgefühl" (ich habe das gleiche Wort verwendet) bin ich übrigens auch schon als "Rechter" bezeichnet worden.
Medienkompetenz, Lesson 1: Fuck You!
Also die Beschreibung passt nicht zum öR .. hier gibt es nicht viele aufwendig und professionell produzierten "Historiendramen" im TV siehste
Ui Ui, das mit der Kritik an der "Anbetung des Rationalismus" ist eine zweischneidige Sache.
1) Sehr oft wird ein Rationalismus vorgetragen, der bestenfalls nichts als Bauchgefühl, in der Regel aber interessengesteuert ist. Ohne jetzt zu parteiisch zu werden trifft man das durchaus bei einigen CDU-Politikern an. CDU nur deshalb(!), weil mir hier als erstes konkrete Beispiele ... eingefallen sind. Das mag am Prinzip des Konservatismus liegen, doch das führt hier zu weit.
2) Rationalismus in Form einer unreflektierten Technikgläubigkeit ist kein Rationalismus und zwar per Definition (weil unreflektiert und rational nicht zusammen gehen).
3) Rationale Entscheidungen wären nicht zu beanstanden, wären die Prämissen ebenfalls rational. Das sind sie aber in der Regel und möglicherweise aus Prinzip nicht.
4) Rationalismus ist entgegen aller Logik (wieder per Definition, es ist unlogisch nicht rational zu handeln) erheblich schwer durchzusetzen. Jeder, der immer wieder mal seinen Kopf über "Entscheider" schüttelt, der kennt das.
5) Medienkompetenz ist nur mit einer gehörigen Portion rationaler Logik möglich. Alles Wissen beruht auf Ratio. Den Rest nennt man Glaube. Übrigens schneiden die ÖR nicht gut ab, wenn man Nachrichten hört und jeglichen Glauben "ak politische Einstellung" einmal ignoriert. Nachgewiesen und beanstandet wurde das z.B. bei der Berichterstattung zur Krim-Krise.
6) Und ja, Menschlichkeit muss nicht zwingend rational sein. Auch wenn ich diese Meinung nicht teile. Ich kann es nur nicht beweisen.
Joachim ist Calvinist
Wie kommst Du darauf? Meinst Du, das sei fundamentalistisch?
@da]v[ax:
Du fährst ja wieder dicke Geschütze auf...
Ich denke das Problem ist wie immer vielschichtiger als es zuerst erscheint.
Es allein rational zu begründen reicht nicht aus.
Um mal bei den Scheuklappen anzufangen, jeder hat sie und braucht sie auch.
Es ist doch positiv zu bewerten, dass sie dein Blog lesen und somit dir die Chance geben ihre Scheuklappe zu ändern. Auch verstehst du (aus meiner Sicht) nicht, das jeder eine gewissen Entwicklung braucht um deinen Standpunkt zu erfassen/übernehmen/hinterfragen etc. Eine große Scheuklappe ist z.B. "diese Person ist linker/rechter Extremist/Gesinnung und dem spreche ich jede Weiterentwicklung/Veränderung ab" oder "allen Rechten darf man kein Forum geben...man sollte sie am besten verbieten" usw.
Ich denke wir alle sind bequem und sind erst ab einem gewissen Grad der Dissonanz bereit zu hinterfragen und jeder hat halt eine andere Schwelle ab wann dem so ist.
Und dann die Emotionen. Es gehört doch ein gewisser Mut dazu öffentlich zu sagen man lag falsch, oder bereit zu sein mit sinen Freunden öfters ein Streitgespräch zu führen und zu ertragen. Man stellt den anderen ja dabei in Frage. Gruppendynamisch ist dann noch zu beachten ob der Andere dann auch bereit dazu ist sich der Kritik zu stellen. Oftmals habe ich die besten Gespräche unter 4 Augen, während die gleiche Person in der Gruppe sich völlig anders verhält, wegen ansehen/Harmoniebedürfnis was weiß ich. Auch sehe ich, das viele Menschen heute so "ausgebeutet" werden das sie gar keine Kraft mehr haben sich dagegen zu wehren und nur noch in der Masse mitschwimmen (bashen gehört zum "guten" Ton ).
Bzgl. Propaganda, die eigene Propaganda kommt aus den eigenen Reihen und weiß somit auf was du leicht "anspringst", es ist immer leichter die P. der anderen Seite zu erkennen als die eigene.
Auch finde ich es wichtig eine andere Meinung stehen zu lassen, es gibt nicht die eine Wahrheit und der Rest hat keine Ahnung.
Fefe hat vor kurzem was ganz vernünftiges dazu gesagt.
https://blog.fefe.de/?ts=aa94f261
So habe fertig
LG Vinit
@Joachim Es ist nicht wichtig, was ich dabei meine.
@Vinit: alles wahr was du da sagst.