"Wir brauchen jetzt gute Antworten"
Sonntag, 13.11.2016, 09:49 > daMaxMeint Hanno Burmester in einem Artikel auf Carta.
Mit der Wahl Trumps ist etwas geschehen, was wir auch in Deutschland immer wieder neu akzeptieren müssen: kein Land kann seiner hässlichen Vergangenheit entkommen. Weiße Überlegenheitsideologie, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit, Ausländerhass sind historische Konstanten, die in den weißen Bevölkerungsteilen der USA deutlich tiefer wurzeln als Toleranz, Emanzipation und Gleichstellung.
Diese Hässlichkeit braucht ein politisches Zuhause. Wenn sie keines hat, baut sie sich eins.
Und wenn ihr euch dann schon auf Carta rumtreibt, nehmt doch auch noch "Die Quittung" mit, der ist eigentlich noch lesenswerter. Auch wenn ich nicht damit d'accord gehe, Täter zu Opfern zu machen und sexistische, rassistische und andere asozialen Äußerungen und Taten einfach mit Frustration zu entschuldigen.
Die weißen, abgehängten Mittel- und Arbeiterklassen halten sich die Pistole an den Kopf und drohen damit abzudrücken, wenn ihre Sorgen und Nöte nicht endlich ernstgenommen werden.
Klingt für mich wie eine ähnlich gelagerte Situation in a universe gar nich mal so far far away...
PS und completely off-topic: ich glaube, wenn mich jemand fürs Bloggen bezahlen würde, hätte ich kein Problem, den Tag rumzukriegen...
"täter zu opfern"...hmmm, ich habe mir das jetzt nicht reingezogen auf *carta*, aber heute morgen am frühstückstisch gabs ne diskussion und da kam dann "aus opfern werden täter" und das macht (traurig genug) sinn.
schönen sonntag noch...trotzdem
@das tralü: Ja, das Opfer -> Täter Ding sehe ich ja auch. Aber das ist für mich eben dann trotzdem keine Entschuldigung. Ums mal konkret zu machen: wenn jemand Hartz-IV-Opfer ist, dann ist das schlimm. Aus dieser Motivation raus Flüchtlingsheime anzuzünden oder auch nur sexistische Kackscheiße abzusondern ist dennoch nicht zu entschuldigen.
Jetzt wollte ich gerade einen beispielhaften Satz aus dem Carta-Artikel raussuchen, finde aber gar keinen. Scheint so, als hätte meine linksversiffte Brille da wieder Dinge angezeigt, die gar nicht da waren. Ich glaube, die Trump-Wahl ist eine prima Gelegenheit, mal eigene Positionen näher zu betrachten und vielleicht auch einfach mal wieder das Gespräch mit Leuten zu suchen, die man letzte Woche noch als Troll in die Schämecke gestellt hätte.
Wobei das, wie man hier sehen kann*, offenbar nicht so richtig funktionieren will, weil diese Leute ja an einer offenen Diskussion selber anscheinend gar kein Interesse haben. Und da wird's dann irgendwie... schwierig.
*Falls der Typ das wirklich so meint und nicht einfach nur rumtrollt und sich dabei ins Fäustchen lacht
Das Probem mit dem "Opfer -> Täter"-Ding ist, daß es die via "Tat" Angesprochenen der Gegenseite (schon wieder!) gar nicht interessiert und das so sorgsam angekündigte "Gespräch" direkt mit "...ist nicht zu entschuldigen!" abgewürgt wird.
Man kann nicht _mit_ jemandem sprechen, indem man als erstes eine "nicht verhandelbare Mauer" zwischen sich hochzieht.
Tatsache ist doch, daß _jeder_ Mensch dazu fähig ist, in diesem Theater, genannt Welt, den Faschisten zu geben. Flüchtlingsheime anzuzünden ist die robustere Variante von "wirtschaftlich zerstören und politisch jeglicher Zukunft zu berauben". Letzteres wird letzthin meist mittels "sexistische Kackscheiße!" eingeleitet. Wahlweise auch mit "Fassbomben!".
Ich sage es so: gerade der, der sich auf Seiten der "Guten" verortet, hat die Verantwortung, seinen "guten" Worten "gute" Taten folgen zu lassen. Wer den anderen Rassist nennt, selbst aber keinerlei Hemmung bei Anwendung von rassistischen Handlungsmustern hat, ist für den Rassisten nicht überzeugend bei dem Versuch, dem Rassisten den Rassismus abzuerziehen.
Ich halte nicht so irre viel von Religion und der Bibel, aber in den letzten Wochen fallen mir immer wieder zwei Geschichten aus dem Schmöker ein... bei der einen geht es um "Splitter" und "Balken", die andere hat mit "Feinden" zu tun...
@Wolfgang: eben, aus jedem kann ein Faschist/folterer/Brandstifter werden, der (oft vermeintliche oder herbeifantasierte ) Druck muss nur hoch genug sein. no excuses, aber eine Erklärung für menschliches Fehlverhalten. und diese Diskussion würde uns noch viel weiter führen, z.b.Territorien/Stammes Zugehörigkeit, aber da wird es dann ausufernd.und Bibel: macht euch die Erde untertan...steht da irgendwo und genau so sieht es aus. ::sorry für die Orthographie, aber diese Tastatur ist des Teufels::
@Wolfgang: ach komm. Es gibt durchaus nicht verhandelbare Verhaltensweisen, wie zur Hölle sollen wir denn sonst friedlich miteinander leben können? Ein paar Beispiele für Verhaltensweisen, die ich nicht dulden kann und die ich auch nicht für verhandelbar halte:
- Mord und -versuche
- Physische Gewaltausübung
- Haus anzünden
- Frauen für dümmer als Männer halten
- andere auf offener Straße beschimpfen
- kratzen
- beißen
- treten
- spucken
- an den Haaren ziehen
Spaß beiseite: ist es wirklich deine Meinung, jemandem, der andere auf offener Straße verprügelt, diese "Verhaltensweise" als Recht zuzugestehen?
Dafuq?! bzw. ich glaube es hackt. o.O
Zum verlinkten Artikel: vor den guten Antworten müssten erst einmal die richtigen Fragen kommen. Die, die am Ende des Artikels genannt werden, sind es aber keinesfalls - sie zementieren nur den Status Quo in allenfalls leicht veränderten Gewichtsanteilen.
Dem Autor geht es ja um Ausgrenzung, um Abwertung und im Gegensatz dazu um's Allgemeinwohl. Das moderne Welt- und Menschenbild allerdings ist ein trauriges und fatales: der Mensch befindet sich im permanenten Krieg mit zum ersten einer feindlichen, missgünstigen Natur und zum zweiten allen anderen, ebenfalls missgünstigen und auf ihre maximale jeweilige Freiheit bedachten Menschen. Abwertung und Ausgrenzung, Ausbau von Herrschaftsstrukturen etc sind da eine nur zu logische Folge, und so etwas wie Allgemeinwohl eben nur noch denkbar als Aufsummierung von Einzelbefindlichkeiten, eben dem 'größtmöglichen Glück der größten Zahl'. Die liberale Gesellschaftskonstruktion ist nichts anderes als der Versuch, diesem permanenten Krieg einen institutionellen Rahmen zu verschaffen - und ihn im Ergebnis damit festzuschreiben.
Solange wir uns nicht fragen, wie wir aus dieser fatalen Nummer wieder rauskommen, ein Mit- statt nur eines Neben- oder gar Gegeneinander begründen, solange werden selbst solch vermeintlich grundlegenden Fragen wie die 'Eigentumsfrage', ja selbst die berühmte 'Systemfrage' zu nichts wirklich Neuem führen. Der 'real existent gewesene Sozialismus' legt, wie ich meine, beredtes Zeugnis davon ab.
btw: drumpf meinte alles so, wie gesagt; bestätigung für seine MexicanWall:
https://www.buzzfeed.com/coralewis/president-elect-trump-vows-to-deport-2-3-million-undocumente
(buzzfeed. ausgerechnet buzzfeed wird wohl zum sprachrohr für diesen ominösen linken populismus)
erste reaktionen aus der IT zur überwachung:
"We have a moral responsibility in the tech community to protect people from the surveillance apparatus we’ve built around them. It’s urgent"
http://boingboing.net/2016/11/13/the-surveillance-economy-has-6.html
Da wir schon bei der "Carta" sind ... von wegen "global" und so ... passt hier auch ganz gut, als Hintergrundrauschen:
http://www.carta.info/83729/die-globale-klasse-eine-andere-welt-ist-moeglich-aber-als-drohung/
@dlog: ach, sieh an, der mspr0. Das ist ja ganz schön lang, da habe ich heute ja was zu lesen. Danke.
@da]v[ax:
renè hatte ihn doch in seinem trump-resümee am ende als beispiel für die forderung nach einem "linken populismus" verlinkt, kostprobe:
"Ebenso Clinton. Sie hat wirklich alles gegeben. Sie hat keinen einzigen Fehler gemacht. Es war eine perfekte Kampagne. Natürlich hat sie nicht das Charisma eines Obama, aber sie hat alles aus sich rausgeholt und hat ihren Gegnern keinen Millimeter gegeben.
Und das obwohl diese jeden Zipfel an ihr zupften, um ihn zu pseudoskandalisieren. Hillary war top. Sie war perfekt. An ihr liegt es nicht."
"Und das sage ich als jemand, der den Berniehype schon während der Primaries nicht nachvollziehen konnte. Nein, ich habe Clinton von Anfang an für die bessere Kandidatin gehalten und daran hat sich nichts geändert. Sie ist fähiger, schlauer, besser als Sanders in jeder Hinsicht. Und auch inhaltlich bin ich viel mehr auf Clintons Seite als auf Sanders. Ich halte vieles von seiner Plattform für unausgegorenen und bestenfalls naiven – schlimmstenfalls gefährlichen, populistischen Quatsch."
"Und das liegt an Menschen wie Hillary Clinton, die beständig und mit übermenschlicher Ausdauer und Beharrungsvermögen dicke Bretter bohren und sich von nichts entmutigen lassen. Mir ist eine progressive HandsOn-Reformerin wie Hillary Clinton tausendmal lieber, als ein wirrer, naiver Zausel wie Bernie Sanders"
der typ ist doch nicht ganz sauber, und zwischendurch immer einstreuend, was er alles daraus gelernt hat, aber DANN linken populismus fordern, nicht etwa, weil die ursprüngliche, das was man sonst so unter "linker" politik versteht, vielleicht paar gute ideen auf lager hat(te), sondern offenbar rein aus taktischen gründen.
omann, und schon machta das gleiche fass auf wie Ali drüben bei scienceblogs:
"Der Abgrund, der sich zwischen „besorgten Bürgern“ und der Restgesellschaft auftut, ist mehr von kulturellen als von sozioökonomischen Faktoren getrieben."
"Zwar ist es richtig, dass sich das Heer der Frustrierten zu einem Gutteil aus geringverdienenden und wenig gebildeten Dienstleistungsarbeiter/innen speist. Aber da ist ist noch eine zweite, fast genau so große Gruppe. Das mittlere Bürgertum ist ebenfalls gut vertreten auf den Barrikaden."
ja, blödmann; erstens war das in den 30gern nicht anders, und zweitens hat das bürgertum dieser tage eine scheissangst davor, demnächst zur ersten gruppe zu gehören. diese ignoranz gegenüber den folgen des neoliberalismus ist bemerkenswert.
disclaimer/ der kommentar wurde genauso auch auf carta gepostet
@DasKleineTeilchen: oh je. Naja, ich werd's trotzdem mal überfliegen.
Ich hab' gestern überigens angefangen, mir "HyperNormalization" anzugucken. Da kann ich echt noch einiges von lernen, auch wenn ich den Stil mit den zufällig vorbeiflimmernden Bildern ein bisschen doof finde. Die Story, die Adam Curtis erzählt, finde ich spannend.
@da]v[ax:
ergänzend dazu; the century of the self:
https://www.youtube.com/watch?v=eJ3RzGoQC4s
curtis ist halt curtis, über seinen stil gibts mittlerweile echt witzige mocking-videos (ich find nur grad keins, weird)
@da]v[ax:
das curtis-bingo hier iss aba ooch nice
https://cdn-enterprise.discourse.org/boingboing/uploads/default/original/3X/2/0/20324616cb49c130739861457f0d8ada0d8bf985.jpeg