Angst
Update 2019: die meisten Links in diesem Artikel funktionieren inzwischen nicht mehr. So ist das eben mit diesem Internet, das vergisst nämlich sehr wohl.
Ich habe Angst. Und da ich nicht weiß, wem ich das erzählen soll, erzähle ich es meinem Blog.
Ich habe Angst, dass unser Land sich in ein System verwandelt, in dem ich nicht mehr leben will. Es ängstigt mich, ständig beobachtet zu werden, ohne dass ich weiß, wer hinter den Monitoren sitzt. Ich habe Angst vor einer Gesellschaft, die mich anscheinend potentiell für so gefährlich hält, dass sie mich unter Dauerbeobachtung stellt.
Ich habe Angst vor einem System, in dem unbequeme Menschen medienwirksam mundtot gemacht werden. Ein System, das uns anlügt, um Gesetze zu erlassen, die unsere Freiheiten immer weiter beschneiden. Ein System, das diese Gesetze dann auf eine unfassbare Art und Weise einsetzt, um uns zu zeigen, wie wenig Freiheiten uns noch bleiben. Ein System, das mich auf üble Art und Weise an das Mittelalter erinnert, wo es solche irrsinnigen Gesetze schon einmal gab.
Ich habe Angst vor einem System, das perfide Tricks einsetzt um dem Wahlvolk Gesetze unterzujubeln, die auf lange Sicht monetären Zwecken dienen. So zeigt Frau von der Leyen schonmal auf einem Pressegespräch zum Thema Kinderpornographie schockierende Bilder aus eben diesem Milieu, um die Medienvertreter auf ihr Vorhaben einzustimmen. Erinnert sich hier noch jemand an die Brutkastenlüge, die maßgeblich dafür gesorgt hat, dass dem Irakfeldzug 1991 zugestimmt wurde? Wenn mir einer erzählt, man müsse Internetsperrlisten einführen, weil es der einzige Weg sein, um Kinderpornographie wirksam zu bekämpfen, dann würde ich laut loslachen wenn ich noch könnte. Mir bleibt das Lachen jedoch im Halse stecken, wenn ich mitbekomme, auf welche Weise so ein völliger Irrsinn dann umgesetzt wird. Und im Hintergrund höre ich schon, wie sich die wahren Initiatoren eines solchen Contentfilters die Hände reiben. Gestern noch hieß es wörtlich: "Eine Ausweitung auf andere Zwecke ist nicht beabsichtigt". Heute schon heißt es: "Auch Rassismus und Gewaltverherrlichung, Volksverhetzung oder Nazi-Propaganda dürften im Netz nicht geduldet werden". Wir reden hier von 24 Stunden Unterschied! Und was darf ich morgen nicht mehr sehen? Gratis-Musikangebote? Algorithmen, die angeblich zu Milliardenausfällen bei der Filmindustrie führen? Unliebsame Personen? Sogar ich als Nicht-Lateiner weiß, was cui bono? bedeutet. Und diese Frage sollte man sich hin und wieder mal stellen, bevor man dumpf zum tonangebenden Rhythmus klatscht.
Ich habe Angst vor einem System, dessen ausführende Organe sich mit ihrer totalen Ignoranz auch noch brüsten. Und sich nicht davon abhalten lassen, Gesetze zu erlassen oder einzufordern, die diese Dinge die sie nicht verstehen einschränken oder gleich zur Gänze verbieten. Überhaupt: Verbote. Ich habe auch Angst davor, wie schnell heutzutage nach Verboten, "verschärften Gesetzen", "Null-Toleranz" und ähnlichem Schrott gerufen wird. Die Jugend trinkt zu viel Alkohol? Verbieten! Die Jugend spielt unverständliche Spiele? Verbieten! Rauchen schädigt die Gesundheit? Verbieten! Laute Musik kann das Gehör schädigen? Verbieten! Die meisten gebrochenen Finger kommen durch Nasepopeln zustande? Verbieten!
Ich habe Angst, weil meine Generation nicht nur untätig zusieht, wie hier ein System startklar gemacht wird, über das sich gewisse Herren sehr gefreut hätten. Meine Generation will auch überhaupt nichts davon hören, sehen, merken. Meine Generation ist gerade dabei, sich eine kleine heile Welt zuzulegen (Kind-Hund-Eigenheimzulage) und sagt zu mir: "Du immer mit deinem negativen Scheiß. Mit so etwas kann ich mich nicht befassen, denn wie soll ich meinen Kindern eine positive Weltsicht vermitteln wenn ich mich mit solch negativen Dingen beschäftige?". Dazu kann ich nur sagen positive Weltsicht my ass! Wenn eure Kinder im 4. Reich groß werden, dann bekommen sie sicher keine positive Weltsicht ab. Und dann werden sie euch fragen "wie konntet ihr zulassen, dass ein solches System entstehen konnte, obwohl ihr schon 2 solche Systeme als abschreckendes Beispiel direkt vor Augen hattet?". Ja meine liebe Generation, was wirst du ihnen antworten? Konnte ja keiner ahnen? War nicht vorherzusehen? Ich habe von nichts gewusst?
Doch zurück zu dem System, auf das wir zusteuern, wenn wir uns nicht bereits mitten drin befinden. Ich habe vor allem Angst vor der Tatsache, dass dieses System das Recht hat, Waffen einzusetzen, um seine kruden Gesetze zu verteidigen. Und dass es sich dabei selbst nicht an die Gesetze halten muss, die es uns vorschreibt. Polizisten filmen Demostranten, andersherum ist es verboten. Demonstranten dürfen sich nicht vermummen, Polizisten gehen nur vermummt zu einer Demo. Inzwischen sind wir soweit, dass sich sogar die Grenzen zwischen Demonstranten und der Polizei so verwischen, dass man nicht mehr weiß, wer eigentlich mit der Gewalt angefangen hat, wenn es dann doch wieder mal geknallt hat. Ich habe inzwischen 2x am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn die Gewalt von den Cops ausgeht. Und das ist ein Grund, Angst zu haben.
Ich habe Angst davor, bespitzelt, durchsucht, verhaftet, verdroschen und weggesperrt zu werden, weil Leute wie Frau von der Leyen oder Herr Schäuble die Welt aus einer dermaßen verqueren Sicht heraus betrachten, dass man sich die Frage stellen muss, ab welcher Stufe der Paranoia man hierzulande in psychatrische Behandlung kommt.
Berthold Brecht hat einmal gesagt "Wo Unrecht zu Recht wird, da wird Widerstand zur Pflicht". Ich denke, über diesen Satz sollte man mal meditieren.
Siehe auch:
Frontalangriff auf die freie Kommunikation befürchtet
5 Provider unterzeichnen Sperrvertrag
Mahnwache gegen Internetsperren
Stuttgarts LKA will mehr Vorratsdaten (weil man angeblich besser gegen KiPo vorgehen kann... tsk.)
Die Argumente für KiPo-Sperren laufen ins Leere
Bildnachweise:
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http://www.spiegelfechter.com/wordpress/507/kinderpornographie-%e2%80%93-wahlkampfschlager-aktionismus-zensur
http://www.flickr.com/photos/kikus/