Unsortierte Gedanken zu unserer Gesellschaft

Mittwoch, 3.7.2013, 01:00 > daMax

In einer Gesellschaft, in der die Regierung alles über uns, wir aber immer weniger über die Regierung wissen, sind wir alle erpressbar. Es geht ja nicht nur um unsere Mails. Inzwischen findet doch ein Gutteil unseres Lebens im Netz statt und mit Spielzeugen wie den Göögel Glasses wird das eher zu- als abnehmen. Ich fürchte mich vor einer Zukunft, in der jederzeit ein Staatsscherge ums Eck kommen kann um mir zu erzählen, welch pikante Details er über mich in der Hand hat, um dann in einem Nebensatz zu erwähnen dass es doch ziemlich doof wäre, wenn $personengruppeX das erfahren würde. Vor allem fürchte ich mich davor, dass immer mehr meiner Mitmenschen sich anpassen und die Klappe halten und sich wegducken werden.

Gleichzeitig begehen unsere Regierungen die derbsten Rechtsbrüche (und glaubt ja nicht, dass unsere Pappkameraden da auch nur einen Deut besser wäre als die Amis. Nur weil der Snowden nicht beim BND gearbeitet heißt, heißt das nicht, dass die da nicht mit von der Partie wären. Wobei es natürlich auch sein könnte, dass die einfach technisch zu doof für sowas sind). Doch anstatt die Rechtsbrüche in den Fokus der Aufmerksamkeit zu nehmen, wird eine beispiellose Hetzjagd auf die Menschen veranstaltet, die diese Rechtsbrüche ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben. Vor 41 Jahren veröffentlichten Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post Informationen über Nixons Bespitzelei der Opposition. Diese Details wurden ihm von einer anonymen Quelle namens Deep Throat zugespielt, die sich 30 Jahre später als FBI-Agent Mark Felt heraus stellte. Die Parallelen zu Edward Snowden springen einem geradezu ins Gesicht. Woodward und Bernstein bekamen dafür den Pulitzerpreis.

Heute dagegen spielen unsere Qualitätsmedien das große FUD-Spiel mit: "Edward Snowden - Held oder Verräter?". Bäh, sag ich da nur. Und unser Bundespräsident ist ja schon fest davon überzeugt ist, dass Snowden ein dreckiger Deserteur ist. Es ist schon eine unvergleichliche Ironie der Geschichte, dass der Gauck als größter Stasijäger Deutschlands einer ganzen Behörde seinen Namen aufgestempelt hat und heute kein wirkliches Problem damit zu haben scheint, dass sein "Qualitätspartner" seine ach-so-verhasste Stasi locker in den Schatten stellt. Vielleicht begreift er das Ausmaß von PRISM, TEMPORA & Co einfach nicht. Während ich diese Zeilen schreibe, hat auch Deutschland abgelehnt, Edward Snowden Asyl zu gewähren, wegen vorgeschobener bürokratischer Gründe. Bei den Nazis hieß es "Der Schlimmste Mann im ganzen Land ist immer noch der Denunziant". Dieser Spruch ist offenbar wieder salonfähig. Das macht mir Angst.

Wir haben hier in Deutschland inzwischen beweismittelfälschende Polizisten, die auf-Teufel-komm-raus ihnen umbequeme Menschen kriminalisieren, aber vor lauter Snowdenhatz wird das hier mal wieder niemand mitbekommen. Gleichzeitig wird in dem NSU-Prozess offensichtlich, dass unser Geheimdienst namens "Verfassungsschutz" von durchschnittlichen Nazis nicht mehr zu unterscheiden ist, aber taugt das zum Skandal? Nur bis zum nächsten Schlagloch. Mehrere Leute, von denen ich eigentlich viel halte, haben zu mir in den letzten 7 Tagen gesagt: "Wenn du jetzt anfängst, deine Mails zu verschlüsseln, machste dich erst recht verdächtig."

Merkt ihr nicht, dass ihr schon voll da angekommen seid, wo die euch haben wollen? Mir ist schlecht.

"Einen Staat, der mit der Erklärung, er wolle Straftaten verhindern, seine Bürger ständig überwacht, kann man als Polizeistaat bezeichnen." -Ernst Benda, ehem. Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Interview, Tagesschau, 5.Juni 2007