Titel hier eingeben aka daMax labert drauflos aka Krieg ist Scheiße aka Luxusprobleme vs Weltschmerz (update)

Samstag, 5.3.2022, 12:01 > daMax

* Krieg = Scheiße


Leute. Dieser Krieg überfordert mich. Seit eigentlich immer finden weltweit andauernd Kriege statt, da hat man sich ja (leider) schon fast dran gewöhnt. Aber dieses Mal ist irgendwie alles anders. Zum einen die räumliche Nähe, zum anderen die Medienabdeckung und zum dritten die zum Teil erbittert geführten Diskussionen zwischen den Menschen in meinem direkten und weniger direkten Umfeld.

Ich sitze gerade noch im Bett herum, höre diese Sendung auf Deutschlandfunk Kultur, bastele mir ein Plakat für das Benefizkonzert heute Nachmittag in Stuttgart, trinke inzwischen wieder kalt gewordenen Kaffee und überlege mir, was ich euch eigentlich mitteilen will. Und ob ich überhaupt irgendwas mitzuteilen habe. Ich schreibe jetzt einfach mal völlig unstrukturiert drauf los, denn sonst dauert das hier noch länger als ich mir heute Zeit nehmen kann.

Um mal mein Dilemma zu erläutern: ich bin mir zu 100% sicher, dass Krieg scheiße ist. Ohne Wenn und Aber. Das ist meine feste Überzeugung und da bringt mich auch keiner von ab. Würden alle Soldaten gleichzeitig im Falle eines Angriffskrieges desertieren, gäbe es keine Kriege und so Typen wie Putin und Assad könnten sich gerne persönlich miteinander kloppen. Von dieser Warte aus wäre also alles ganz einfach: wer Krieg führt, ist der Böse. Right? Right.

Aber dann geht's halt schon los. Da gibt es Blogger, die kiloweise Links zusammensammeln, die aufzeigen (sollen), dass Putin ja jahrelang vom Westen provoziert wurde, dass in der Ukraine marodierende Neonazibanden freidrehen und Putin jetzt zu einer Vorwärtsverteidigung quasi genötigt wurde. Dann gibt es Blogger, die sich moralische Entrüstung verbitten Moral grundsätzlich ablehnen (Link 1 , Link 2) und nochmal daran erinnern, dass der Kapitalismus tödlich ist, das alles mit endlosen Diskussionen darunter, die ich mir nicht mal mehr ansatzweise reinziehen kann, ich habe weder Zeit noch Energie noch Lust dazu. Naja, und dann macht Putin es mir eigentlich doch wieder einfach indem er jetzt endgültig einen auf Diktator macht und es bei drakonischen Strafen verbietet, ihm nicht genehme Informationen über sein Militär zu verbreiten.

Damit aber nicht genug. Mein persönliches Dilemma geht noch weiter. Kapitalistisches Opfer, das ich bin, arbeite ich in einem mit 24.000 Mitarbeitern doch recht großen Konzern, der einerseits mithilft, Krankheiten wie Corona und Krebs zu bekämpfen, andererseits aber auch direkt im Militärbusiness mitmischt (natürlich nur auf der Seite der Guten™, versteht sich!!1!) und der jetzt, im Gegensatz zu vielen anderen Konzernen, keine klaren Worte (besser wären Handlungen) gegen diesen Angriffskrieg findet. Dazu muss man verstehen, dass wir weltweit operieren und Niederlassungen nicht nur in der "westlichen Welt" haben, sondern eben auch in Russland, China, Indien usw. Und wie das eben so ist in dieser globalisierten Welt, treffen da jetzt Weltanschauungen und unterschiedlich sozialisierte und "informierte" Menschen aufeinander. Die einen sind sich 100% sicher, dass Putin ein Aggressor ist, der gestoppt werden muss, die anderen sind sich da eben aufgrund der in ihrem Land anderen Nachrichtenlage nicht so sicher. Und die Geschäftsführung hält sich mit einer moralischen Bewertung zurück und stellt auch (bisher) nicht die Geschäftsbeziehungen ein, wie andere Konzerne das gerade tun. Na und ihr könnt euch ja vielleicht vorstellen, was jetzt in unserem Intranet los ist.

Ich selber bin in diesem ganzen Wirbelsturm irgendwo mitten drin und weiß bald nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich kann die geopolitische Situation schon länger nicht mehr überblicken, ich sehe eigentlich überall nur noch Bösewichte mit Blut an den Händen, selbst wenn ich in den Spiegel blicke. Aber mit nun fast 50 Lenzen findet man halt auch nicht so einfach einen neuen Job, der am Besten auch noch zu 100% klimaneutral, gut und richtig ist und mir dabei trotzdem einen Lebensstil finanziert, der sicher nicht komplett over-the-top ist, aber sagen wir mal so:
meine Studi-WG-Tage sind ein paar Tage her. Dazu bin ich jetzt auch (aus Gründen) erst mal wieder auf den Großraum Stuttgart festgenagelt und da sind einerseits die Wohnpreise wie sie eben sind und andererseits kommen die Jobangebote, die mich hier erreichen, eigentlich alle aus den Bereichen Bank, Versicherung und Automobil und sind damit halt mindestens genauso scheiße wie das, was ich gerade mache.

Oh Gott. Das ist ja nicht zum Aushalten hier. Selbstbemitleidende Nabelschau :kotz: Und dafür hat der Typ sein Blog oder was? Ja, nee, weißnich. Das musste einfach mal raus. Und eigentlich könnte ich noch stundenlang so weiter machen, aber ich muss jetzt mal völlig ungefährdet von russischem Raketenbeschuss in den Luxusbiosupermarkt gehen, um meine Nahrungsversorgung der nächsten Tage zu sichern, damit ich rechtzeitig beim Solikonzert für die Ukraine sein kann und trotzdem noch den auf 18:00 reservierten Tisch beim überteuerten aber total super guten Thai belegen kann. Luxusprobleme? Immer.

Wer noch ein Plakat braucht: bitteschön.

Update (7.3.2022): na immerhin. Heute früh erreichte mich eine Mail mit dem Inhalt, dass mein Brötchengeber dazu aufruft, für ukrainische Flüchtlinge zu spenden. Für jeden gespendeten Euro der Angestellten legt der Konzern dann einen Euro drauf. Mit dem Spendenziel 200.000 Euro. In den ersten Stunden kamen schon mal 20.000 zusammen. Geht doch.