Genau so!
„Die überwältigende Mehrheit der Polizisten hält sich an Recht und Gesetz.“ – so hört man immer wieder.
Ich kann meine Freude kaum verbergen.
Meistens frage ich mich, ob das ein wahnsinnig guter Scherz ist, den ich einfach nicht verstehe.
Dazu mal ein paar Gedanken.
/1 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
1. Es gibt Jobs, in denen jede (!) Person exakt nach höchsten Qualitätsstandards arbeiten muss. Ausnahmslos.
Wir würden wohl kaum akzeptieren, wenn die Lufthansa betonen müsste, dass die überwältigende Mehrheit ihrer Piloten nicht absichtlich Flugzeuge abstürzen lässt.
/2 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Oder dass die überwältigende Mehrheit der Menschen in einem Atomkraftwerk keine nuklearen Brennstäbe an Nordkoreaner verkauft.
Es gibt einfach Jobs mit derart hoher Verantwortung und massivem Gefahrenpotenzial, da reicht es nicht, wenn nur die „Mehrheit“ keinen Scheiß macht.
/3 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
2. Wie hoch diese „überwältigende Mehrheit“ sein soll, weiß übrigens kein Mensch.
Wie viele Polizisten in Deutschland wurden wegen rechter Umtriebe suspendiert? Weiß man nicht.
Wie viele Polizisten wurden wegen unverhältnismäßiger Polizeigewalt verurteilt? Weiß man nicht.
/4 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Wie viele Polizisten haben im Zeugenstand nachweislich gelogen, um einen Kollegen zu decken? Weiß man nicht.
Dafür dass die Polizei noch die Haare auf meinem Kopf zählt, wenn ich in ein
Flugzeug steige, gibt es erstaunlich wenig Infos über polizeiliches Fehlverhalten.
/5 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
3. Warum sagt man diesen Satz mit der „überwältigenden Mehrheit“ eigentlich nur, wenn es Polizisten betrifft?
Wann immer ein Muslim einen Mordanschlag begeht, steht einen Tag später Horst Seehofer vor den Kameras, um alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen.
/6 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Eine Gruppe von Jugendlichen zieht prügelnd durch die Innenstadt? Zack! Schärfere Abschiebegesetze.
Ein Asylbewerber schubst ein Kind vor einen Zug? Zack! Diskussion über Einwanderung.
Wir. Interessieren. Uns. Einen. Scheiß. Um. Die. Mehrheit. Wenn. Es. Um. Ausländer. Geht.
/7 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Erinnert sich noch einer an „Döner-Morde“? An „Soko Bosporus“? An „Nafris“???
Ein Grundprinzip polizeilicher Ermittlungsarbeit war lange Zeit das Wissen, dass Türken halt kriminell sind. Und man nur lange genug ermitteln müsse, um es ihnen nachzuweisen.
/8 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Im NSU-Skandal war die Abwesenheit von Beweisen zur Dönermord-Theorie nur ein Indiz dafür, wie subversiv, hinterlistig und heimlich die NSU-Mordopfer ihren Mafiaaktivitäten nachgegangen sind.
Kein Witz.
Nachzulesen im Plädoyer des Nebenklageanwalts.
/9 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Der ganze Gag hinter Racial Profiling ist doch, dass sich ausgerechnet die Polizei einen Scheiß darum schert, ob sich die „überwältigende Mehrheit“ der Nichtweißen an „Recht und Gesetz“ hält und lieber vorsichtshalber alle (!) PoC demütigenden Kontrollen unterzieht.
/10 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
4. Ist eigentlich irgendein Polizeifunktionär oder Politiker ernsthaft stolz darauf, dass die überwältigende Mehrheit der Polizisten in diesem Land nicht kriminell ist? Was ist das bitte für ein unfassbar niedriger Standard?
/11 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Und was ist das bitte für eine „überwältigende Mehrheit“, die seit Jahrzehnten wegschaut, wenn Kollegen Gefangene verprügeln, Ausländer anzünden oder sich in WhatsApp-Gruppen mit anderen Polizisten Hakenkreuz-Bildchen hin und her schicken?
/12 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Kollegen, die sich im Nachhinein nie an irgendwas erinnern.
Dieser Bullshit von der „überwältigenden Mehrheit“ kotzt mich an! Weil er nur dazu dient, die strukturellen Demokratie-Defizite in der Institution Polizei zu verschleiern, zu verharmlosen und zu rechtfertigen.
/13 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Weil er die Nicht-Nazi-Polizisten aus der Verantwortung entlässt, sich von #CopCulture, #ThinBlueLine und #Polizeifamilie zu distanzieren und kollegiales Fehlverhalten ohne Wenn und Aber und ohne jegliches Zögern anzuzeigen und mit aller Macht abzustellen.
/14 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Sollen wir uns mal bitte auf eine Sache einigen?
Ein einziger (!) Polizist, der grundlos Leute zusammenschlägt, in einer Nazi-Organisation einen Massenmord plant oder schlicht lügt und betrügt, reicht aus, um das Vertrauen in die Polizei restlos zu pulverisieren.
/15 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
Und nun denkt mal jeder eine Weile über die vielen vielen vielen Einzelfälle nach, die ihren Weg in unseren Nachrichtenstream finden.
Und dann diskutieren wir noch mal über die Bedeutung von „überwältigende Mehrheit“.
Denn so überwältigend ist die in diesem Fall gar nicht.
/16 — Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) June 8, 2020
polizeigewalt | rassismus | polizeibrutalität