In Schweden soll nun an der rennomierten Universität von Lund eine 40%ige Frauenquote für Literaturlisten eingeführt werden. Was für den einen, die andere oder das dritte vielleicht wie eine gute Idee klingt, kann in der Praxis ganz schnell zu den seltsamsten Auswüchsen und Verwicklungen führen. Thomas Steinfeld hat in der Süddeutschen einen Text zum Thema Genderforschung und Gleichstellung etc.pp. geschrieben, aus dem ich nun gerne eine längliche Stelle zitieren würde, aber die seltsamen Auswüchse der hierzulande betriebenen Copyrightforschung bestehen derzeit meines Wissens darin, dass es dringend angeraten ist, den ein Zitat umgebenden Text länger zu halten als die zitierte Textstelle, um von der Normstelle für Internetzitatwesen und Linkbewertung als legitimes, nicht leistungsschutzbehaftetes Zitat bewertet zu werden, für das folgerichtig auch nicht der branchenübliche Leistungsschutzobulus zu entrichten sei. Auch, darauf weist der zertifizierte Normkontrolleur Peter Müller (FdH) in einem Interview mit Leistungsschutz Aktuell hin, sollte sich ein Zitat deutlich sichtbar vom zitierenden Text abheben, etwa durch gestaltherische Finessen wie Rahmengebung, veränderte Schrifttype oder dero Farbe, wobei die Regeln der Goetheschen Farbenlehre strikt einzuhalten seyen. So, jetzt kann's dann vielleicht bald losgehen mit Zitieren.
Thomas Steinfeld also schreibt vom
in Schweden offenbar zur nationalen Ideologie gewordenen Glauben [...], dass Geschlechter gesellschaftliche Konstruktionen sind, geronnene Erfindungen, die es in einer besseren Welt nicht geben sollte.
Dieser Glaube ist eine widersprüchliche Angelegenheit. Denn er verstärkt die Unterschiede, die er zu kritisieren vorgibt. Er tut es, indem er die Menschen nach ihren Geschlechtsmerkmalen - oder nach ihrer Hautfarbe, nach ihren sexuellen Neigungen - sortiert, gründlicher, als es die bestehende Gesellschaft je tat, geschweige denn noch tun würde. Es mag gute Gründe dafür geben, dass Feministen denken, man müsse die Welt dazu zwingen, den Anteil von Frauen am Zustandekommen eben dieser Gesellschaft zu erkennen. Der Glaube, das Geschlecht sei eine soziale Konstruktion, wirkt jedoch weit über ein solches Erkennen hinaus. Er sorgt dafür, dass jeder Mensch zuerst und zuletzt als repräsentatives Geschlechtswesen wahrgenommen wird - im selben Sinn, wie das Geschlecht eines Menschen das ausschließende Kriterium dafür bilden soll, ob er in die Literaturliste einer akademischen Veranstaltung aufgenommen werden kann oder nicht. Gleiches gilt, weniger drängend, aber doch gegenwärtig, für die Hautfarbe und für die sexuellen Neigungen.
und ich möchte euch bitten, den Text in seiner Gänze zu lesen, zu reflektieren, eine Nacht darüber zu schlafen und auch morgen noch einmal drüber nachzudenken, bevor ihr hier mit mir und untereinander zu diskutieren beginnt, denn sonst gleiten solche Diskussionen viel zu schnell in gegenseitige Aber-du-bist-der-größere-Faschist-Beschuldigungen ab, derer ich im Moment überdrüssig bin. Vielleicht kann man sich ja mal an einem solchen Text entlanghangeln, dessen Argumentationskette wahlweise kritisieren oder verteidigen, vielleicht gar einmal übernehmen und in sein eigenes Realitätskonstrukt einbauen*. Denn das, glaube ich, ist unserer Zeit abhanden gekommen: das gegenseitige Zuhören und Reflektieren dessen, was der|die|das andere $Person sagt|twittert|meißelt, ohne sich schon währenddessen zu überlegen, was man jetzt gleich wie aus der Pistole geschossen Cleveres sagen|tippen|ritzen könnte. Statt Bücher auf ihren Inhalt hin zu bewerten, werden jetzt Quoten für Bücherlisten eingeführt, in die sich unterrepräsentiert fühlende Autorenpersonen rein klagen können.
HErr, lass' Hirn ra.*
PS: der Kommentarbereich bleibt bis zum 21.11.2017 um 17:59h geschlossen
*Vorsicht! Sich-zu-Eigen-machen fremder Meinungen kann nach dem "Gesetz zum Schuthze freyer Gedanken und Werte", München anno 1884, §82 Abs.3 ff., abmahnfähig sein. Zu Risiken und Tagessätzen befragen Sie bitte den Wikeladvokaten Ihres Vertrauens.
**Schwäbisches Stoßgebet, in korrekter christlich-abendländisch-leitkultureller Schreibweise.